Erstellt am: 23. 3. 2011 - 17:17 Uhr
Neonazi-Website hört auf
In einer Mitteilung salutiert das Neonazi-Portal ein letztes Mal und schreibt: Alpen Donau Info meldet sich ab.
Breitere öffentliche Aufmerksamkeit hat die Website voriges Jahr im steirischen Landtagswahlkampf bekommen.
Damals gab's ja das FPÖ-Computerspiel Moschee baba, in dem der Spieler Muezzine ermorden muss. Als die FPÖ das Spiel nach einer einstweiligen Verfügung von ihren Seiten nehmen musste, ist es auf der nun stillgelegten Neonazi-Seite wieder aufgetaucht. Wer hinter der Website steckt, ist nach wie vor unbekannt.
Warum die Seite jetzt von sich aus den Rückzug antritt? Das ist nicht ganz klar. Im folgenden sechs mehr oder weniger wahrscheinliche Szenarien:
1. Die Soko Alpen-Donau konnte das Weiterbestehen unterbinden
Schon öfter gab es Bestrebungen, die Website abzudrehen. Weil aber die Server in den USA stehen, und Wiederbetätigung im Sinn des Verbotsgesetzes dort nicht strafbar ist, war sie bis jetzt weiter aktiv.
Im November wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz eine eigens geschaffene Soko Alpen Donau ins Leben gerufen hat. Doch bis auf die Verwicklung des Sohnes eines hochrangigen Verfassungsschützers in die Aktivitäten rund um die Website kam nichts Zählbares heraus.
Bei Hausdurchsuchungen wurden NS-Devotionalien, Propagandamaterial und eine ziemlich große Datenmenge beschlagnahmt. Im Herbst hieß es, die Auswertung würde längere Zeit in Anspruch nehmen.
Möglicherweise haben aktuelle weitere Hausdurchsuchungen nun das vorläufige Ende der Seite bedeutet? Allerdings würde sich das Innenministerium den Stolz auf einen solchen Fahndungserfolg kaum nehmen lassen und damit mächtig prahlen. Ein Anruf in der Herrengasse sagt aber - vermutlich Fehlanzeige. "Die Staatsanwaltschaften ermitteln weiter", berichtet Sprecher Rudolf Gollia.
2. Die Republik Österreich hat Geld bezahlt
Auf der rechtsextremen Website war von einem Geldsegen zu lesen, den das Innenministerium den Betreibern im Zuge der Einstellung beschert hätte.
Auch der Standard sprach gestern Abend von einem Vergleich, den es zwischen österreichischen Behörden und dem US-amerikanischen Provider gegeben hätte. Das würde bedeuten: Um eine Einstellung der Website zu erwirken, könnte (Steuer-)Geld geflossen sein.
Allerdings: Auch hier dementiert das Innenministerium. Sprecher Rudolf Gollia erklärt im FM4-Interview "Uns ist davon nichts bekannt."
Der Geldsegen, von dem die Neonazis schreiben, ließe sich auch anders erklären. Vor Monaten haben sie auf ihrer Website von einer Klage berichtet. Weil ein Rechner aus dem Innenministerium die Neonazi-Website zu hacken versucht hätte, würde es nun eine Klage geben.
Ob diese Meldung je gestimmt hat, und ob es überhaupt eine Klage gegeben hat, hab ich bis dato noch nicht herausgefunden.
3. Rechtsextremismus zieht einfach nicht mehr...
... und die Betreiber haben aus wirtschaftlichen Gründen nun auf Wellness- und Ernährungscoaching via 0900er-Nummern umgesattelt.
4. Rechtsextremismus zieht schon noch, aber...
... nicht in der Erklärbär-Version, die die Website etabliert hat. Gings bei der jetzt eingestellten Seite noch darum, aktuelle Ereignisse ideologisch für den gemeinen Neo-Nazi zu erklären, gibt's mittlerweile andere Portale, die Rechtsextremismus jugendlicher begreifen. Wenn man so will: die alten Recken wurden vom rechten Zeitgeist ausgebremst.
So was nennt man dann wohl Ironie des Schicksals.
Der Grüne Karl Öllinger spricht von mehreren Internet-Auftritten, die den Schwerpunkt auf Aktionismus legen. Für Jugendliche wäre das attraktiver, meint Öllinger: "Da braucht man sich den ideologischen Ballast und die schwülstigen Kommentare nicht mehr rein zu ziehen."
5. Den Betreibern wurde die Sache zu heiß
In den vergangenen Wochen ist die Lage für die Neonazi-Seite zunehmend schwieriger geworden.
Mit einem Trick hat ein Datenforensiker der Polizei nach eigenen Angaben die Beteiligung eines FPÖ-Nationalratsabgeordneten nachweisen können: Werner Königshofer hat demnach via E-Mail einen eingescannten Zeitungsartikel bekommen. Der Artikel war manipuliert (aus einigen Ü wurde ein U) und ist in genau dieser manipulierten Form auf der Neonazi-Website veröffentlicht worden.
Der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger hat auf eigene Faust recherchiert und der Sonderkommission wertvolle Hinweise auf die Hintermänner geben können. Er vermutet, dass diese jetzt erkannt haben, "dass man in der Lage ist, in ihren Informationskreis einzudringen. Jetzt können sie nicht mehr unterscheiden: Wer ist Freund? Wer ist Feind?"
Möglich auch, dass die Hausdurchsuchungen der SoKo Alpen Donau die Betreiber stärker getroffen haben als bislang vermutet. Insider berichten über eine Zunahme an Spam und untypischen Usern im die Website begleitenden Forum.
6. Es ist alles anders...
... und in Wahrheit hat die Website irgendwo ein urheberrechtlich geschütztes Foto, ein Musikstück oder sonstwas verwendet, was dem US-amerikanischen Zivilrecht nicht schmeckt. Die Erfahrung zeigt: Sowas kommt bei den US-Behörden weitaus schlechter an als Dinge wie "nationalsozialistische Wiederbetätigung".