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Veronika Weidinger

12. 3. 2011 - 14:48

Die Feigheit der Frauen

Von wegen Halbe/Halbe – dafür sind Frauen doch zu feige, weiß Bascha Mika.

Artur Marciniec - Fotolia

Heldin der Gratisarbeit Die Daten von Deutschland und Österreich unterscheiden sich kaum. Hier ein kleiner Überblick aus dem letzten letzten Frauenbericht: Gebügelt wird von 89 Prozent der Frauen, ähnlich verhält es sich beim Wäschewaschen - nur zu 15 Prozent wird diese Tätigkeit von Männern verrichtet. Kochen ist ihnen da schon lieber, zu einem knappen Drittel übernehmen Männer diese Aufgabe. Wenn es darum geht, Zeit mit den Kindern zu verbringen, sei es zum Lernen oder Spielen, tun dies in 41 Prozent der Fälle Männer, zu 59 Prozent Frauen.

Von wegen Halbe Halbe – in Österreich wie in Deutschland kann davon keine Rede sein. Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit, also der Hausarbeit und Kinderbetreuung, erledigen immer noch Frauen.

Über diese Schieflage empört sich dieser Tage eine ganz besonders: die Journalistin Bascha Mika. Ihren Ärger hat die ehemalige Chefredakteurin der Berliner TAZ nun in Buchform veröffentlicht: „Die Feigheit der Frauen“, eine Streitschrift. Rechtzeitig zum Frauentag steigt eine Frau, eine Feministin gegen ihre Geschlechtsgenossinnen in den Ring, da reiben sich so manche die Hände und wollen den Schlagabtausch erste Reihe fußfrei beobachten. Was ist nun dran an der vermeintlichen Abrechnung Bascha Mikas?

Frauen haben nicht nur einen weiten Weg zurückgelegt, sondern sogar mehrfach die Welt umrundet, bilanziert Bascha Mika die letzten 100 Jahre. Doch manchmal gewinnt man den Eindruck, als wäre das gesellschaftliche Leitbild vorangeprescht und hätte die Frauen an der Haltestelle zurückgelassen.

Diese Haltestelle liegt im trauten Heim, wenn das mit einem Mann geteilt wird. Denn da machen Frau sich tagtäglich nahezu im Alleingang ans Werk. Frauen putzen öfter den Dreck weg als Männer, waschen öfter ab und kümmern sich mehr um die Kinder. Und tun das im Durchschnitt auch, obwohl sie selbst einen Job haben. Aber, warum eigentlich?

Vermausung

Weil Frauen feig sind, ist Bascha Mikas Antwort. Konfliktscheu weil harmoniebedürftig weichen Frauen der Auseinandersetzung um die Aufteilung der Hausarbeit aus. Der Freund/Mann, die ganze Beziehungskiste ist offenbar zu wichtig, um wegen schmutziger Socken oder dreckigem Geschirr eine Krise zu riskieren.

Und, das macht Bascha Mika wirklich sauer: auch jene Frauen, die sich mit guter Bildung und Ausbildung, einem eigenständigen Einkommen eine Basis für Selbstständigkeit und materielle Unabhängigkeit geschaffen haben, auch die lassen das alles für den "Richtigen" sausen. Für die Idee von einem beschaulichen Leben als (heterosexuelles) Paar, als klassische Familie fügen sich Frauen freiwillig traditionellen Rollenmustern – eigene Wünsche und Ansprüche scheinen vergessen. "Vermausung" ist der Begriff, den Bascha Mika dafür prägt.

Bascha Mikac

Anja Weber

Die Journalistin Bascha Mika war von 1999 bis 2009 Chefredakteurin der TAZ, die erste Frau in Deutschland in einer solchen Position bei einer überregionalen Zeitung. 1998 ist ihre viel diskutierte Alice Schwarzer Biografie erschienen, heute leitet Bascha Mika den Lehrgang für Kulturjournalismus an der Universität der Künste in Berlin.

Für junge Frauen zwischen siebzehn und dreißig Jahren ist es enorm wichtig, dass ihr Wunschpartner viel Zeit für die Familie hat. Aber nichts spricht dafür, dass diese Wünsche jemals erfüllt werden. Denn wenn sich der bisherige Trend durchsetzt, werden auch diese Frauen größtenteils scheitern. An Unwillen, Behäbigkeit und Chuzpe ihrer Partner – und ihrer eigenen Appeasement-Politik als deren Komplizinnen.

Modelzucht und Latte Macchiato

Mit vielen Frauen hat Bascha Mika in den letzten Jahren über ihren Alltag gesprochen. Auszüge aus diesen Gesprächen, aus Gesprächen mit ExpertInnen, sowie Zahlenmaterial belegen und illustrieren Mikas Bestandsaufnahme. Und dabei geht es über die häuslichen Verhältnisse hinaus. Mit Medienkritik, etwa an aktuellen Formaten - Stichwort Modelzucht - analysiert "Die Feigheit der Frauen" aktuelle Frauenbilder aus feministischer Sicht.

Vorrangig aber will Mika Frauen direkt ansprechen. Dabei funktioniert die Ansprache über ein kollektives "Wir" nicht immer. Wenn Mika sarkastisch über Teenagerinnen-Cliquen aus der Nachbarschaft berichtet oder über "Latte Macchiato-Mütter" in den hippen Bezirken Berlins oder Hamburgs, dann bröckelt die Authentizität der Ansprache als Frauenkollektiv.
Die Perspektive jener Männer, die nicht wie Opa leben wollen und durchaus bereit sind, sich in Beziehungen auf neue Rollenmuster einzustellen, die spart Mika zur Gänze aus. In ihrem Buch haben Männer zudem Jobs, mit denen sie locker den Alleinverdiener geben können. Mika lässt außen vor, dass sich die Arbeitswelt verändert hat, gerade für gut ausgebildete Frauen und Männer. Schade, könnten gerade in diesen Entwicklungen Chancen für eine - geschlechtergerechte - Neuausrichtung stecken. Gleichzeitig zeigen aktuelle Zahlen, dass es in der Mehrheit der Haushalte noch sehr traditionell zugeht: das Buch mit dem provokanten Titel ist wichtig.

buchcover von bascha mikas "die feigheit der frauen"

bascha mika

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"Unsere Perspektive ist in den letzten Jahren eng gewesen. Wir haben Strukturen in den Blick genommen, wir haben das männlich dominierte System bekämpft, aber wir haben die Perspektive nicht soweit erweitert, dass wir uns selbst in den Blick genommen haben - nämlich, was wir tagtäglich in unseren privaten Beziehungen tun," meint Bascha Mika im Interview. Mika will eine Diskussion anstoßen und damit, ganz im Sinn der zweiten Frauenbewegung - das Private ist Politisch - den Alltag von Frauen wieder mal öffentlich diskutieren.

Darüber hinaus geht es Bascha Mika um die einzelne Leserin, der sie Mut machen will, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen: "Frauen müssen aufhören, ihre Liebe über den Klobesen oder den Staubsauger zu definieren."