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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

18. 2. 2011 - 17:15

Schnell anpassen und bald wieder gehen

Über den Widerspruch innerhalb Maria Fekters aktuellem Entwurf zum Fremdenrecht

"Unzustellbar" - Maria Fekter kriegt das Fremdenrechtspaket zurück. (Christoph Weiss über die Protestaktionen gegen den Gesetzesentwurf).

In den letzten 22 Monaten ist das Fremdenrecht in Österreich fünf Mal novelliert worden. Eine Verschärfung folgt der anderen in immer kürzeren Abständen. Nun will Innenministerin Maria Fekter kommenden Dienstag im Ministerrat die nächste große Reform durchbringen. Einerseits beinhaltet sie die Rot-Weiß-Rot-Card, eine Art Greencard für Österreich - damit sollen qualifizierte Arbeitskräfte ins Land gelockt werden. Andererseits dreht die Innenministerin die Daumenschrauben für Einwanderer wieder massiv an: Deutschkenntnisse vor der Einreise, Kinder in Schubhaft oder Abschiebung bei Fristenversäumnissen. Christoph Riedl vom Diakonie Flüchtlingsdienst nennt sie die "Entrechtungsnovelle". Hier die Details:

Rot-Weiß-Rot-Card

Für wen ist die Rot-Weiß-Rot-Card?

Die Rot-Weiß-Rot Card bekommen drei Gruppen: Topqualifizierte wie IT-SpezialistInnen, ÄrztInnen oder WissenschaftlerInnen; qualifizierte MigrantInnen für Branchen, in denen Arbeitskräfte fehlen: zum Beispiel Pflegekräfte, FräserInnen oder DreherInnen; sonstige sogenannte Schlüsselarbeitskräfte für Jobs, für die sich keine ÖsterreicherIn finden lässt; auch StudienabsolventInnen profitieren von der Card. AusländerInnen, die in Österreich studieren, können nach ihrem Abschluss auch in Österreich arbeiten und müssen nicht das Land verlassen.

Wer nicht aus der EU und kein Flüchtling ist und trotzdem nach Österreich will, der hatte in den letzten zwanzig Jahren kaum mehr eine Chance. Jährlich hat man eine festgelegte Zahl von Schlüsselarbeitskräften und Familienangehörigen nach Österreich gelassen. Nun ist Schluss mit der Quotenregelung. Es ist ein lange gehegter Wunsch der Wirtschaft, qualifizierte Arbeitskräfte, die gebraucht werden, leichter ins Land holen zu können. Die Sozialpartner haben infolge an der Rot-Weiß-Rot-Card getüftelt. Nun ist der Versuch geregelter Zuwanderung nach Qualitätskriterien Teil der vorgeschlagenen Fremdenrechtsreform der Innenministerin.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Innenministerin Maria Fekter und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner während der Präsentation der "Rot-Weiß-Rot-Karte"

APA/ROBERT JAEGER

Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Innenministerin Maria Fekter und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner präsentierten im Dezember die "Rot-Weiß-Rot-Karte".

Der Migrationsexperte Bernhard Perchinig begrüßt die Card als Systembruch mit der Quotenregelung vorher: "Es macht Sinn zu signalisieren: Ja, wir wollen Zuwanderung. Allerdings, der Teufel sitzt im Detail. Wir haben inzwischen eine extrem restriktive und zurückgeschraubte Version der Rot-Weiß-Rot-Card."

Ein Beispiel: Die Familie vom Topqualifizierten darf mitkommen und muss keine Deutschkenntnisse nachweisen. Die Familien von FacharbeiterInnen und sonstigen SchlüsselarbeiterInnen müssen schon vor der Einreise Deutschkenntnisse aufweisen. "Den freien Zugang, die Einladung‚ komm und such dir hier einen Job, du bist willkommen – das habe ich praktisch nur mehr für die Spitzenspitzenleute, also für Leute, um die sich jedes Land reißt. Den freien Zugang habe ich nicht - sowie in Kanada - auch für Leute auf einem mittleren Niveau. Ich sage eigentlich nur zu den quasi Nobelpreisträgern, ihr seid willkommen.", so Perchinig.

Bessere Konditionen werden sich unter ausländischen FacharbeiterInnen bald herumsprechen und es liegt nahe, dass sie sich für aufnahmefreundlichere Länder wie Kanada entscheiden werden. Bernhard Perchinig fehlt auch einiges bei den Kriterien, um eine Rot-Weiss-Rot Card zu erhalten. Deutschkentnisse würden übertrieben eingefordert, während man vergisst, die Beherrschung der jeweiligen Muttersprache positiv zu bewerten: "Es ist nicht kulturell, sondern auch wirtschaftlich wertvoll, wenn ich Leute habe, die zum Beispiel gut Türkisch oder Russisch können." Auch soziale Bindungen nach Österreich sollten Teil des Kriterienkatalogs sein, sind es aber nicht.

Die weiteren großen Brocken des Ministerialentwurfes zum Fremdenrecht sehen so aus:

Protest

Über 6000 BürgerInnen haben in den letzten Tagen Protestmails an die Regierung geschickt. Im Betreff steht: "Das ist nicht unser Gesetz" - gemeint ist die Fremdenrechtsreform von Maria Fekter, die am Dienstag den Ministerrat passieren soll. Kritik kommt auch von zahlreichen NGOs, den Grünen und Teilen der SPÖ. Derzeit verhandelt Innenministerin Maria Fekter mit dem Koalitionspartner SPÖ über ihren Vorschlag. Ob doch ein Teil wieder rausfällt, das könne zur Stunde nicht gesagt werden - heißt es auf Nachfrage im Innenministerium. Ob mit oder ohne teilweisen Abänderungen – die nächste rechtliche Radikalisierung im Umgang mit MigrantInnen scheint so gut wie beschlossen.

  • "Totale Verunsicherung" statt Einbürgerung

Wer bisher über fünf Jahre unbescholten in Österreich gelebt hat, konnte damit rechnen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Nun gibt es nicht einmal für Menschen die jahrelang legal hier gearbeitet haben eine Garantie, dass sie nicht abgeschoben werden. Bisher haben die Behörden vor Verlängerungen zwar überprüft, ob Kriterien wie Wohnraum und Einkommenshöhe erfüllt werden, aber arbeitslose Phasen zwischendurch waren nicht unbedingt ein Problem. Perchinig kritisiert, dass im neuen Entwurf Behörden wie das AMS Änderungen bei den Einkommensverhältnissen an die Fremdenpolizei melden müssten. "Und wenn jemand nach drei Monaten nicht wieder ausreichend verdient, verliert er seine Aufenthaltserlaubnis. Das heißt ich habe hier eine totale Verunsicherung, bis ich den Status des Daueraufenthaltes erreicht habe. Und der ist immer schwieriger zu kriegen." Wer ein unbefristetes Visum möchte, muss Maturaniveau in Deutsch nachweisen. Das schafft nicht einmal jeder fünfte österreichische Hauptschulabgänger.

  • Schubhaft

Vom wem die Behörde annimmt, er oder sie könnte untertauchen, der kommt in Schubhaft. Und zwar nun verlängert von bisher maximal zehn Monaten auf bis zu eineinhalb Jahre. 16-Jährige werden dabei Erwachsenen gleichgestellt und können nun leichter inhaftiert werden. Auch für noch jüngere Jugendliche und Kinder wird das Einsperren ausgedehnt. Eltern, so heißt es im Gesetzesvorschlag von Maria Fekter, "dürfen" ihre Kinder ins Gefängnis mitnehmen. Wenn sie dies nicht tun, sind sie ein Fall für die Jugendwohlfahrt.

  • Rechtsberatung

EU-Gesetze zwingen Österreich nun, AsylwerberInnen kostenlose Rechtsberatung zu gewährleisten. Auf den ersten Blick eine Verbesserung. Allerdings, das Innenministerium kann - wie es im derzeitigen eigenen Gesetzesentwurf vorgesehen ist - die RechtsberaterInnen auswählen und die Beratung solle in den Amtsräumen und objektiv sein. Christoph Riedl fordert eine unabhängige Rechtsberatung: "Es ist auch im Strafverfahren nicht so, dass sich der Staatsanwalt den Anwalt des Angeklagten aussuchen kann." Auch die objektive Beratung empört Riedl, denn so könnten die Rechtsberater dann nicht einmal parteilich für die Rechte ihrer KlientInnen, sowie ein Anwalt, eintreten.

Ein Widerspruch in sich

Insgesamt ist das aktuelle Fremdenrechtspaket ein Widerspruch in sich: Einerseits verlangt es immer schnellere und intensivere Anpassung, andererseits wird die Perspektive auf eine langfristige Niederlassung in Österreich zusehends schlechter. Der Migrationsexperte Perchinig über das ausgesandte Signal an die Einwanderer: "Ihr könnt zwar hier sein, aber ihr gehört nicht dazu. Der Effekt ist eine stärkere Orientierung am Herkunftsland. Das hatten wir in der Gastarbeiterphase auch. Sichtbar war das dann daran, dass die Leute ihr Geld in Häuser im Herkunftsland investiert haben. Wenn ich die Botschaft habe: Du kriegst diese Rechte ohnehin nicht, dann kann ich nicht gleichzeitig mehr Integration verlangen. Das widerspricht sich komplett."