Erstellt am: 6. 2. 2011 - 13:25 Uhr
Song Zum Sonntag: Gang Of Four
Es gibt, sagt der Denker, "kein richtiges Leben im Falschen", es lässt sich "privat nicht mehr richtig leben".
rollingstone.de
Angesichts der Ausbeutung ist kein unschuldiger Konsum möglich, angesichts der dauernd präsenten Gewalt ist kein normales Familienleben möglich, angesichts der Ungerechtigkeit ist keine Freiheit möglich, angesichts der Bedrohung ist keine Unbeschwertheit möglich. Angesichts des Monströsen ist kein richtiges Maß denkbar. Angesichts der Schuld ist keine Unschuld möglich. Darin sind wir gefangen, ohne eigenes Verschulden gefangen, wie zu Unrecht Verurteilte. Wir können nichts dafür. Also verhalten wir uns verlogen. Wenn eine Revolution stattfindet, bleiben wir zuhause. Wir tun so, als ob wir unschuldig wären. Und wir tanzen dauernd.
Die besten Eigenschaften des Post Punk finden sich bei Gang Of Four sämtlich. Ihre Ideen sind maßgeblich für die Epoche und ihre Epigonen. Die Musik einer Struktur und einer Strategie unterordnen. Politisches und Privates zusammen denken. Funk und Punk, Dancefloor und Message zusammenführen. Gesellschaftliches Vordenken und künstlerische Avantgarde verbinden. Politische Messages als (tanzbare) Popsongs verkleiden. Produktionsbedingungen reflektieren. Theorie zu Slogans verdichten. Sich auf Politik überhaupt beziehen.
Im Gegensatz zu den Revivalisten des Post Punk finden sich bei Gang Of Four, deren neues Album demnächst erscheint, diese Grundideen - konsequent wie eh angewandt - noch immer wieder. So auch die von Thomas Kramar beschworene Dialektik des Dancefloors: Der Anklagesong gegen die hedonistische Gesellschaft, die lieber tanzt, als sich politisch zu betätigen, ist in den bewährten, tanzbaren White Funk mit den klirrenden Gitarrenläufen gewandet.
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Über Gang Of Four macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Theorie-Bands sind im Übrigen - konsequenterweise - meist arm. Fast allen Bands jedes Jahrzehnts seit den Sixties sind obgenannte Vorhaben zumindest kommerziell stets nicht gut bekommen. Von Country Joe und Red Crayola über Pere Ubu und die Residents bis Scritti Politti, Mekons und The Fall oder Chumbawamba und Age of Change waren die ideologisch linken Bands dieser Welt nicht eben mit Geldregen gesegnet und auch wenn es dann einige "Message" Bands doch in die Charts geschafft haben, waren sie einem Radical Chic verfallen (The Clash), gaben die intellektuellen Spinner (Talking Heads) oder hatten mit einzelnen Songs Zufallstreffer (Chumbawamba, Cornershop). (Das Geld mit ihrem Sound und ihrer Direktheit machen meist andere, die "Gefühls"-Bands, allen voran U2, die mit gut gelerntem Post Punk die größte Gefühlsband Karriere von allen aufgebaut haben.)
Am Häufigsten ist der Fall, dass sich ästhetische Theorien, nachdem sie ihre Radikalität verloren haben oder von derselben entkleidet wurden, von anderen Bands als den Erfindern in der Breite durchsetzen lassen - so sehen dann Revivals aus. Wir befinden uns, wie Robert Rotifer bereits bemerkt hat, im Fall des Post Punk Revivals in einer Art Endlosschleife, sodass sich hier ein eigenes Genre kristallisiert hat, das mit Interpol oder den Strokes auch kommerziell reüssieren konnte. Die Gang of Four ist neben Joy Division und XTC wohl die hauptsächliche Inspirationsquelle dieses Genres und es ist zu hoffen, dass sich die die Tatsache, dass sie von ihren Ideen und ihrem Sound keinen Fußbreit gewichen sind, auch kommerziell endlich lohnen wird. Wahrscheinlich ist es nicht.