Erstellt am: 19. 1. 2011 - 14:21 Uhr
Ness Talk, More Rock
"Here's how you know you've made it in the music business: You've stayed strong for three decades on your own terms, on your own time, by your own rules, and over that time your influence has only grown. Each of your albums has been stronger than your last. You've been brought onstage by Bruce Springsteen, because he wanted to play one of your songs. You've seen high times and low ones, good days and tragic days, but every night you give 100%, and every morning you wake up still swinging." (socialdistortion.com)
![© Danny Clinch Social Distortion](../../v2static/storyimages/site/fm4/2011013/Social Distortion_ Danny Clinch-02_body.jpg)
Danny Clinch
Mike Ness und seine Social Distortion sind zurück. Und zwar mit einem Album, dass den einen oder anderen Punk-Rocker wohl etwas verstören wird. "Hard Times and Nursery Rhymes" ist vielseitig und wagt Ausflüge in bisher eher unbekannte Terrains. Erstmals produziert von Mike Ness persönlich, erscheint es auf den ersten Blick ruhiger und überlegter. Auch ist Platz für den einen oder anderen Gospel-Background, wie beim Opener "California" zu hören.
Aber keine Angst. Social Distortion bewahren ihre Outlaw-Ausstrahlung auch 2011 und liefern mit "Hard Times and Nursery Rhymes" ein vielseitiges und lebendiges Album ab. Und es beinhaltet wieder einige Hit-Garanten, die locker mit Kult-Songs wie "Story of my life" mithalten können.
Another State of mind
Social Distortion wurden 1979 vom damals 17-jährigen Mike Ness in Fullerton, Orange County/Kalifornien gegründet. Früh auf sich alleine gestellt, suchte Mike familiäre Zuflucht in der Punk-Szene der 80iger. Als emotionales und kreatives Ventil entdeckte er das Songwriting und machte das für ihn typisch-expressive Erscheinungsbild zu seinem Markenzeichen. Musikalisch war er neben Punk und Hardcore auch stark vom Rock ’n’ Roll, Rockabilly, Blues und Country beeinflusst, was letztendlich zum typischen Social Distortion Sound führte. Ihr Debüt-Album "Mommys little Monsters", das sie auf ihrem eigenen Label 13th Floor Records herausbrachten, wurde gerade durch die Verschmelzung dieser Einflüsse zum Kult.
Mich persönlich hat die Dokumentation ihrer gemeinsamen 82er US-Tour mit Youth Brigade und Minor Threat der Band näher gebracht. "Another State of Mind", so der Titel dieser außergewöhnlichen Dokumentation, ist schon aufgrund der musikalischen Protagonisten ein Muss für jeden Punk-Rocker. Der Film ist mittlerweile wohl auch als Zeitdokument des amerikanischen Hardcore zu betrachten.
Der frühe Rauswurf von zu Hause und die Tristesse der damit verbundenen Lebenssituation blieben für den begabten Ness wohl nicht ohne Konsequenzen. In den Jahren 82-85 flüchtete er sich in die Drogenabhängigkeit, was schließlich zu einigen Krankenhaus-und Gefängnisaufenthalten führte. Auch das ursprüngliche Line-Up zerbrach 1983. Ein Umstand, den Social Distortion eigentlich durch die gesamte Bandgeschichte verfolgen sollte. Die "Former Members"-Liste liest sich wie ein Who is Who der amerikanischen Punk-Szene. Einzige Konstante bis ins Hier und Jetzt: Mike Ness.
1985 heißt es aber erst mal Pause für Social Distortion. Nach erfolgreicher Drogen-Entzugskur findet man sich 1986 wieder zusammen um am zweiten Album "Prison Bound" zu arbeiten, das schließlich 1988 veröffentlicht wird und im Gegensatz zum punkigen Erstling deutlichen Country-Einschlag besitzt. Danach folgen sehr erfolgreiche und produktive Jahre für Ness und Co. Die Alben "Social Distortion" (1990), "Somewhere Between Heaven and Hell" (1992) und "White Light, White Heat, White Trash" (1996) werden via Epic Records veröffentlicht und bescheren Social Distortion ersten Mainstream-Erfolg.
Mich begeistert vor allem "White Light, White Heat, White Trash", was durchaus mit der Rückkehr zu ihren Punk-Rock Wurzeln zu tun hat. Nach diesem fulminanten Album begibt sich die Band erneut in den Hiatus, verlässt Epic Records und Ness widmet sich von nun an seiner Solotätigkeit. Das Album soll auch das letzte mit dem Langzeit-Gitarristen und einzig verbliebenem Gründungsmitglied Dennis Danell sein. Danell stirbt im Februar 2000 an einem Schlaganfall, er wird nur 38 Jahre alt. Ein Umstand den Mike Ness nicht so leicht wegsteckt.
Zwischenzeitlich gibt es sogar Gerüchte, Social Distortion hätten sich aufgelöst. Entgegen aller Spekulationen wird Danell aber vom ehemaligen US-Bombs und Youth Brigade Gitarristen Jonny "2 Bags" Wickersham ersetzt und man begibt sich ins Studio um am sechsten Album "Sex, Love and Rock 'n' Roll" zu arbeiten. Selbiges wird schließlich erst 2004 auf Time Bomb Recordings veröffentlicht, acht lange Jahre nach "White Light, White Heat, White Trash". Das Album vereint wieder alle Stärken von Social Distortion. Hymnische Songs im typischen Social-D Gewand machen nicht nur Lust auf lange Autofahrten im Custom-Car sondern sorgen auch für gefüllte Konzerthallen. Social Distortion schaffen mit "Sex, Love and Rock 'n' Roll" ein fulminantes Comeback und begeistern generations- wie genreübergreifend dies- und jenseits des Atlantiks Publikum und Kritiker.
![© Danny Clinch Social Distortion](../../v2static/storyimages/site/fm4/2011013/DC-04_body.jpg)
Danny Clinch
Hard Times and Nursery Rhymes
Das neue Album, übrigens das erste für Epitaph Records, verlässt - wie eingangs erwähnt - wieder etwas die punkige Spur seiner beiden Vorgänger. Ness vereint die countrylastige Seite seines musikalischen Schaffens abermals mit dem eher rüden Sound von Social Distortion. Der Band steht der relaxte Sound jedoch gut zu Gesicht. Ness beweist auch 2011, dass er seine Stärken bewahrt hat. Nämlich, die Gabe Songs zu schreiben, die sich in Hirnwindungen festsetzen und den Hörer nicht mehr loslassen. Vor allem die erste Single-Auskoppelung "Machine Gun Blues" verfolgt mich seit Tagen beim Einkaufen und unterstreicht alle vorher genannten Stärken auf eindrucksvolle Weise.
Beim eher country-lastigen "Bakersfield" glaubt man sich wirklich "on that big ol' California king sized bed" zu befinden und bei "Can't take it with you" oder "Still alive" ist in der so rüden Punk-Rock Welt wieder alles in Ordnung. Auch das gelungene Hank Williams Sr. Cover "Alone and Forsaken" unterstreicht die abermalige Hinwendung zum Country.
"Hard Times and Nursery Rhymes" ist sicherlich als erstes Rock 'n' Roll Highlight im noch jungen 2011 zu betrachten. Puristen werden durch die relaxte Art des Albums bei den ersten Durchläufen aber ihre Probleme haben. Ihnen sei geraten: Dran bleiben und auf Repeat drücken.
Still Alive
And the times have changed
i'll be here to the bitter end
And I'm here to make my stand
With a guitar in my hand
Zum Abschluss gibt Ness mit diesen letzten vier Zeilen des Albums Hoffnung auf mehr. Social Distortion ist 2011 lebendiger denn je und "the story of his life" scheint noch lange nicht zu Ende zu sein. Live wird die Band das neue Album in Österreich übrigens beim diesjährigen Novarock Festival präsentieren. Konstant und stark scheint dafür nun auch das aktuelle Line-up zu sein. Jonny "2 Bags" Wickersham ist noch immer dabei, auch Brent Harding bedient seit 2004 den Bass. Eingetrommelt hat wie so oft "Mr.Studio Drummer himself" Josh Freese. Mittlerweile wurde aber bereits David Hidalgo, der uns allen als Drummer des "Bronx" Ablegers "The Drips" oder "Suicidal Tendencies" bekannt ist, als festes Mitglied bestätigt.
Mehr zu dem erst gestern erschienenen neuen Album "Hard Times and Nursery Rhymes" gibt's heute, Mittwoch, ab 22 Uhr in der Basement Show im House of Pain.