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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

16. 1. 2011 - 14:30

Sad Ballad Man

Das dritte Studioalbum "To Disappear Doesn't Mean To Run Away" von Bernhard Eder glitzert und schimmert vor berührender Melancholie.

Aus Einsamkeit beginnt er wieder -
als wäre es das letzte Mal,
dass er Atem holte,
und daher atmet er jetzt
zum ersten Mal,
befreit vom Bann
des Singulars.

(Paul Auster - "Vom Verschwinden")

Mit den Songs von Bernhard Eder verhält es sich für mich ähnlich wie mit den Büchern von Paul Auster. Man weiß bei beiden genau, was man bekommt. Während bei dem amerikanischen Autor die Suche nach dem Vater, die große Stadt New York und das Spannungsfeld zwischen Zufall und Schicksal als zentrale Themen auftauchen, sind es im Fall des oberösterreichischen Singer/Songwriters fragile Lieder mit einer ganz eigenen Stimmung, die einer fundamentalen Sehnsucht und oft auch einem Gefühl der Einsamkeit entsprechen. Sie scheint aus dem tiefen Inneren des jungen Musikers zu kommen. Es ist jene Stimmung, die den kreativen Prozess vorantreibt, aus der sich Texte, Melodien und Akkordfolgen speisen. Wie der literarische Altmeister sein schriftstellerisches Handwerk in den vielen Jahren präzisiert und geschliffen hat, so ist auch Bernhard Eder mit seinem dritten Album "To Disappear Doen't Mean To Run Away" ein weiterer, großer Entwicklungsschritt gelungen.

Portraitfoto Bernhard Eder

Julia Grandegger

Zuhause beim Sad Ballad Man

Eigentlich ist er nicht der ewig traurige, zerknirschte Musiker, der mit schwarzen Augenringen und verzweifeltem Gesichtsausdruck mit sich und seinem Leben hadert. Auch wenn das die Fremdwahrnehmung ist, die bei Konzerten oder dem Durchhören seiner Lieder im Kopf des Einen oder Anderen entsteht. Zwar bekennt sich Bernhard Eder auch heute noch zum ballad man, die vermeintliche Schwere mancher Songs trägt er jedoch nicht immerwährend mit sich herum. Die zeitweilige Übersiedlung nach Berlin dürfte da einiges verändert haben, schließlich ist Bernhard Eder mit Erfahrungen, Freundschaften und musikalischer Inspiration wieder nach Wien zurückgekehrt. Eine gewisse Ruhe ist spürbar. Hat der Oberösterreicher bei unserem letzten Gespräch zu seiner EP "Unexpected" noch davon gesprochen, nicht weit vom Nomaden entfernt zu sein, so zieht es ihn jetzt nicht mehr ganz so zwanghaft in die Welt hinaus. Im Gegenteil, denn für sein neues Album ist er zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt.

Bernhard Eder Albumcover "To Disappear Doesn't Mean To Run Away"

Bernhard Eder/Julia Grandegger

Bernhard Eders neues Album "To Disappear Doesn't Mean To Run Away", erscheint am 21. Jänner 2011 auf seinem Label Tron Records.

In einem kleinen Dorf auf dem Bauernhof seiner Eltern hat sich Bernhard in seinem Jugendzimmer einquartiert. Im Großen und Ganzen ist es noch immer so wie damals, als er es verlassen hat, um der öden Idylle den Rücken zu kehren und in die große Hauptstadt zu ziehen. Nur die Poster an der Wand haben sich verändert. Statt der Abbilder der "üblichen" Jugendhelden zieren jetzt Bernhards eigene Konzertplakate das Zimmer. Davor stehen seine Instrumente und eine kleine "Produktionsstation", mit der erste Entwürfe und Skizzen von Songs aufgezeichnet werden. Zwei Wochen lang hat sich der Singer/Songwriter dort allein einquartiert, während dicke Schneeflocken vor den Fenstern lautlos vorbeigesegelt sind. Genau diese Atmosphäre hört man den intimen und zarten Songs des Albums an. Schon der Vorbote "Sad Ballad Man" machte mit seinem wundervollen Streicherarrangement klar, dass Bernhard Eder hier seiner künstlerischen Essenz, seiner musikalischen Identität sehr nahe gekommen ist. Das gewohnte Gitarren-Picking fügt sich dabei so natürlich in den Klang der anderen Saiteninstrumente, dass die schwermütigen Melodien und Akkorde federleicht in den von Sternen übersäten Nachthimmel aufsteigen.

Außerdem handelt "Sad Ballad Man" davon, sich von seinen Eltern zu emanzipieren und somit auch ihre sehnlichsten Vorstellungen und Wünsche nicht zu erfüllen, sondern seinen eigenen Weg zu gehen. Überhaupt scheint die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit, mit seinen Wurzeln und seinen Träumen die Quelle für viele Songs zu sein. Nicht zuletzt deshalb sind eine gewisse Dringlichkeit und Ehrlichkeit in Bernhard Eders Musik zu spüren, die auch das neue Album durchfluten.

Portrait Bernhard Eder

Julia Grandegger

Fremde Klangwelten im Nebel

Auffällig ist die Fülle an Instrumenten, die uns auf dieser Platte wie ein bunter, akustischer Strauß angeboten werden. Bei manchen Songs stechen sie heraus, wie bei dem Country-Feeling von "Until The End", das vor allem durch die schmachtende Pedal Steel Guitar des befreundeten Musiker Oliver Samland erzeugt wird, oder die fast schon fröhlich dahin hüpfenden Ukulele-Klänge von "In A Foreign Land", eines der Highlights der Platte. Erzählt es doch diesmal nicht von autobiographischen Erlebnissen oder der inneren Seelenlandschaft, sondern begibt sich in die Perspektive eines engen Freundes, der sein Leben in einem fernen, fremden Land mitsamt seiner Familie neu beginnt.

Bernhard Eder uns seine Band

Julia Grandegger

Aber auch Bernhard Eders getreue MitmusikerInnen Vera Eder, die für die ausgesprochen kunstvollen Streicherklänge verantwortlich zeichnet, Simon Bauer am Bass und Garish-Schlagzeuger Markus Perner klingen wie eine Einheit, die schon vor langer Zeit zusammengeschmolzen ist. Das spiegelt sich auch in dem stark von Improvisation beeinflussten "Six Eight #1". Der silberne Sound der E-Gitarre in Kombination mit reduziertem Kontrabass, schleifenden Violinmelodien, dezentem Gekratze an jeglichen Saiten gibt den Blick in eine ganz neue Klangwelt frei, in die sich Bernhard Eder fortan hoffentlich noch oft begeben wird.

Aber auch die anderen Songs von "To Disappear Doesn't Mean To Run Away" liefern schöne, stimmige Bilder von über das Land ziehendem Nebel, der von einem persönlichen Rückblick mit sanften Gitarren, Kontrabass und Pedal Steel Guitar begleitet wird, oder dem in die Händen gestützten Kopf, durch den sich neben entfernt klingenden Gitarren-Picking sich zu knisterndem Vinyl-Sound auch eine mehrstimmig gepfiffene Linie schleicht. Bilder, die einen so schnell nicht mehr los lassen und deutlich machen, dass Bernhard Eders musikalische Reise auf einem guten Pfad verläuft und noch lange nicht beendet ist.

Daher beginnt er von neuem,
und mit jedem Atemzug
spürt er, es hat nie eine andere Zeit
gegeben - als könne er sich in der Zeit,
die er lebt, in jedem Ding finden

(Paul Auster - "Vom Verschwinden")