Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Schlaflos durchs kleine bisschen Leben"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

18. 4. 2010 - 09:05

Schlaflos durchs kleine bisschen Leben

Eine FM4 Soundparknacht mit Lichtenberg, Kommando Elefant, Bernhard Eder und Releases von Lindo Records.

Erst kürzlich hat mir mein Freund M. eine Link zugeschickt, der vom "Sanduhrsyndrom" und "Technostress" berichtet. Wer ist von Euch nicht schon Haare raufend vor dem elektronischen "Kübel" gesessen und hat sie verflucht, die "Schüssel", die heute wieder mal superlangsam ist, während sich die kleine Sanduhr am Bildschirm zu allem Ärger unaufhörlich dreht oder ein animierter Kreis in psychedelischen Regenbogenfarben um die eigene Achse rotiert. Yoga, Meditation und Ruhepausen sollen angeblich helfen, den durch den blöden Kasten entstandenen inneren Ort wieder abzubauen. Ich hätte eine andere Alternative zu bieten.

Radio hören!

Zum Beispiel Sonntagnacht, wenn man das Projekt noch vor der Montagsdeadline unbedingt fertigstellen muss, man mal wieder viel zu spät begonnen hat für die Schularbeit oder Prüfung zu lernen, schnell noch die ausufernde Seminararbeit korrekturlesen muss oder sich nach Schlaflosem im Bett herumwälzen zum zeitvertreibenden Surfen im Internet vor den flackernden Bildschirm gesetzt hat. Es zahlt sich auf alle Fälle aus, denn so bunt gespickt, so launig und abwechslungsreich, so absurd und interessant waren fünf Stunden mit ausschließlich österreichischer Musik schon lange nicht mehr.

Komm Wir Hauen Granaten in den Äther

Alf Peherstorfer und Bernhard Luis Pasching sind entspannt und voller freudiger Erwartung zugleich. Schon letzten Sommer waren sie im August in meiner Sendung zu Gast, um neue Songs ihres gewitzten Musikprojekts Kommando Elefant zu präsentieren. Ich hab noch genau im Ohr wie Alf meinte: "Die neuen Sachen werden richtig fett!"

Dass er nicht den eigenen und Luis´ Bauchumfang meinte, war mir damals schon klar. Und spätestens mit der ersten Single "Alaska" der neuen Platte bestätigte sich seine leise und doch recht selbstbewusst geäußerte Vorahnung.

Zwar ist immer noch der Charme des in den eigenen vier Wänden aufgenommenen und produzierten Debüts zu spüren, allerdings haben die Produzenten Alexander Nefzger und Florian Pilz diesmal die rohen Popsongs zu kleinen Diamanten geschliffen. Es kracht etwas wärmer, es quietscht etwas frequenzbreitbandiger, es rockt stadionmäßiger, es swingt geschmeidiger, es schrammelt Kottan-mäßiger.

Luis und Alf von Kommando Elefant

Ingo Pertramer

Inhaltlich scheint auf den ersten Blick ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben. Während auf "Kaputt, Aber Glücklich" (Asinella Records) mit dem Eröffnungssong "Wittgenstein" die Elefanten sich über warmes Bier und die Pärchenepidemie beschweren, startet Alf in "Favoriten", dem Opener des neuen Werks "Kommt Wir Hauen Granaten Rein. Das Kleine Bisschen Leben." (LasVegas Records), einen groß angelegten Liebesbeweis, erhofft sich ewige Zweisamkeit und hält mit dem Partner an der Seite der auch noch so wankenden Welt stand. Das mag jetzt ein wenig paradox klingen, könnte der Albumtitel doch als terroristische Aufforderung im Alltag missinterpretiert werden. Doch eigentlich geht es dem Duo, das mittlerweile sowohl im Studio als auch live zu einem Musikerkollektiv angewachsen ist, um das Aufsprengen verkrusteter Strukturen, sei es auf politischer oder auch musikwirtschaftlicher Ebene.

Man kann das neue Kommando Elefant Album aber auch auf einen einfachen Reim verdichten: "Liebe und Krieg. Am Ende Musik." Vor einem schunkelnden Schlagerhintergrund dichtet es sich leicht, wobei diesmal auch der Rockbär mehr denn je steppen darf. Warum David Hasselhoff doch nicht als Gastsänger bei "Party Party" mitsingt, ob es in Alaska Pinguine und Iglus gibt und was Kommando Elefant mit der Steve Miller Band gemeinsam haben, das klären wir in einer ausführlichen Listening Session mit Alf und Luis.

Schlafen ist langweilig

Ein guter Aufschneider ist Herr Reisecker eigentlich nicht. Trotzdem eröffnet der aus Oberösterreich stammende Musiker und Produzent seinen neuen Geniestreich mit dem Titel "Schön Aufschneiden".

Franz Reisecker alias Lichtenberg

Georg Eckmayr

Unter dem Namen Lichtenberg hat Franz Reisecker schon vor drei Jahren sein zehntes Jubiläum mit gleich zwei Alben gefeiert. Nach rockistischen Bandausflügen und großem Erfolg mit Trio Exklusiv schlängelt sich sein Solopfad durch poppige Elektrodickicht. Und noch immer empfindet es Franz Reisecker, als sitze er zwischen den Stühlen. So ist auch "Schlaflos" ein Album zwischen Pop und Elektronik, zwischen Deutsch und Englisch, zwischen Trauer und Euphorie, zwischen Liebe und Weltschmerz. Der "urbane Lichtenberg-Pop" umkreist 2010 jedoch nicht nur das eigene Gefühlsuniversum, sondern wandelt mit der an Velvet Underground erinnernden Klangballade "Der Stom fällt aus" am Abgrund zum ökonomischen und ökologischen Weltuntergang, nur um am Höhepunkt des menschlichen Versagens den Walzer zu tanzen.

Albumcover "Schlaflos" von Lichtenberg

Georg Eckmayr

Aber auch die Liebe wird großgeschrieben, auch wenn sie nicht immer einen autobiographischen Ursprung hat. Vielmehr sinniert hier der von manischen Momenten der Schlaflosigkeit geprägte Lichtenberg über Beobachtungen, erzählte Geschichten oder auch nur über einzelne Textzeilen, wie "Ich wusste nichts von deinen Ufern" von Nina Hagen. Darum herum bastelte Franz Reisecker den Song "Überschwemmung", ein knarzendes, polterndes Beatmonster, das sich windet und immer wieder nach Luft schnappt, bevor es wieder in das digitale Soundmeer abtaucht. Und wenn am Ende der Titelsong "Schlaflos" elf Minuten lang den perfekten Soundtrack für die durchwachte Nacht liefert, dann wird klar, dass die Arbeiten zu Reiseckers Stummfilmvertonungen (wie für den Klassiker "Panzerkreuzer Potemkin") immer mehr in seinen ohnehin sehr offenen Klangkosmos einfließen.

Das alles kann man freilich nur bewältigen, wenn man auch des Nächtens seinen kreativen Ideen freien Lauf lässt und von längeren Wachphasen angetrieben sich vor den Laptop setzt, und Soundforschung mit dem musikalischen Erfahrungsschatz von knapp zwanzig Jahren im Hinterkopf betreibt. Nicht umsonst trägt das neue Album den Titel "Schlaflos". Franz Reisecker berichtet uns über seine musikalische Nachwandlerei und hört sich mit uns gemeinsam durch sein neues Werk.

Unerwartet kommt oft

Bernhard Eder

Katrin Heller

Als letzten Gast begrüßen wir in den frühen Morgenstunden Sänger und Songschreiber Bernhard Eder. Der Gründer der ehemaligen Rockformation wa:rum hat sich nach dem Projekt Be One ganz auf den Solopfad begeben. Zuerst in Wiener Altbauwohnungen, später dann in Berlin hat Bernhard Eder mit seiner charismatischen und sehr zerbrechlichen Stimme melancholische Songs in der Tradition von Elliott Smith oder José Gonzales geschrieben. Allerdings immer mit dem ganz eigenen Timbre und Zugang. Die letzten vier Jahre waren derart fruchtbar, dass mit "The Living Room Sessions" und "Tales From The East Side" jetzt auch noch die EP "The Unexpected" erscheint. Und auch hier scheint der Titel programmatisch für seinen Inhalt zu stehen.

Gleich der Titelsong "The Unexpected" birgt mit seinem eher beschwingten Kontrabassriff, dem federleicht gespielten Beserlschlagzeug, gefühlvollen Streichern und dem euphorischem Trompetenfinale einige Überraschungen in sich. Unverkennbar auch hier die gewohnt intime Atmosphäre trotzt starker Stimmpräsenz. Die zweite Eigenkomposition "Flowers Broken, Colours Gone" kommt hingegen allein mit akustischer Gitarre und dezentem Bass aus, wobei hier vor allem die mehrstimmigen Passagen verzaubern.

Bernhard Eder Albumcover "The Unexpected"

Bernhard Eder

Die restlichen drei Stücke sind allesamt Coverversionen, wie dem recht naheliegenden "I Follow My Heart" von Velojet, gesungen im Duett mit Freund Ian Fisher. Ein richtiges Glanzstücke in Sachen Neuinterpretation ist jedoch die Wiederaufnahme Bernhards Jugendsünde, der Titel "Blurry", wobei die Dekonstruktion und reduzierte Umsetzung das Original unglaublich hörbar machen. Ebenfalls sehr elegant löst Bernhard die "Ver-Singer/Songwriterung" des australischen Rockdonners, wobei er sich die markante Anfangsmelodie bis zum Schluss aufhebt. Soviel sei verraten.
All diese herrlichen Stücke hören wir uns mit Bernhard Eder gemeinsam im Studio an.

Country vs. Electrorave

The Wichita

The Wichita

Die restliche Musik pendelt diesmal ganz stark zwischen neuen, digitalen Beats, die frisch im FM4 Soundpark gepflückt wurden und Lagerfeuer knisternden Countryklängen. Denn in einem exklusiven Mix stellen wir euch die beiden neuen Release von dem Wiener Label Lindo Records vor. Nach der schönen Platte der Salzburger The More Or The Less, liegt der Fokus nun wieder auf der Heimatstadt. Das Quartett Laura & The Comrats präsentiert mit "Creating Memories" ihr Debüt, das mit seinen locker und flockig arrangierten Songs eindeutig durch die Indie-Folksphäre schwebt. Der zweite Release stammt von Jürgen Plank, vielen vom Ersten Wiener Heimorgelorchester bekannt, der unter dem Namen The Wichita mit Sängerin Heike Mangold gewitzte und schräge Akustiksongs liefert.

Das alles und vieles mehr aus dem FM4 Soundpark könnt ihr in der Nacht von Sonntag, 18. April 01:00 Uhr bis Montag, 19. April, 06:00 Früh hören!

Und alle, die keine Nachteulen sind, können ab Montagmittag hier die Sendung vollständig nachhören.