Erstellt am: 7. 1. 2011 - 16:03 Uhr
Drei Männer im Schnee
"Emil und die Detektive", "Pünktchen und Anton", "Das doppelte Lottchen" oder "Das fliegende Klassenzimmer". Erich Kästner gilt als einer der bekanntesten und wichtigsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Kästner hat aber nicht nur für Kinder geschrieben, sondern auch Geschichten und Gedichte für Erwachsene. In diesen war Kästner zu kritisch für das Deutsche Regime - seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten verbrannt.
In einer Zeitungsredaktion im Sommer 1927 musste Kästner Tausende von Einsendungen zu einem Preisausschreiben prüfen und sortieren. Aus Briefen weiß man, dass ihn diese Tätigkeit sehr frustriert hat, weil die Gewinner des Preisausschreibens nicht immer den Erwartungen derer entsprachen, die die Preise gestiftet haben.
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atrium verlag
Das dürfte der Ursprung gewesen sein für die Erzählung "Inferno im Hotel", die Kästner am 9. August 1927, im Berliner Tageblatt veröffentlicht hat: Ein kleiner Metallarbeiter, der zwei Wochen Luxushotel in den Tiroler Bergen gewinnt und von Hotelgästen und vielmehr von den Angestellten nur schikaniert wird. Diese Geschichte, die im Folgenden noch in mehreren Zeitungen erschienen ist, später um einiges verharmloster, dürfte auch die Ausgangsidee gewesen sein für den Roman "Drei Männer im Schnee". Nachdem Kästner in Deutschland Publikationsverbot hatte, erschien das Buch in der Schweiz. Dort ist im Atrium Verlag 2010 "Drei Männer im Schnee" und erstmals die Erzählung "Inferno im Hotel" in Buchform erschienen.
Der Schnee fällt in:
Berlin und in dem Wintersportort Bruckbeuren.
Darum geht's:
Der Multimillionär Tobler möchte erleben, wie er von anderen behandelt wird, wenn die nicht wissen, wie superreich er ist. Er nutzt die Chance, als er bei einem Preisausschreiben den zweiten Platz gewinnt: Zehn Tage in einem Grandhotel in den Bergen. Dorthin will er als "armer Schlucker" reisen, während sein Diener Johann zeitgleich als reicher Mann im Luxushotel logieren soll. Die Tochter des Millionärs hält nicht viel von den Kindereien ihres Vaters und informiert heimlich den Hoteldirektor darüber, dass ein verkleideter Millionär bei ihnen absteigen wird. Das Hotelpersonal verwechselt allerdings den echten Millionär Tobler mit dem Arbeitslosen Dr. Hagedorn. Der studierte Reklamefachmann Hagedorn wiederum hat den ersten Platz bei dem Preisausschreiben gewonnen.
Es beginnt eine großartige Verwechslungskomödie, in der Erich Kästner zeitkritisch den beginnenden Wintersporttourismus skizziert und dabei prächtig die Überheblichkeit von reichen Gästen und die Anbiederung des Hotelpersonals vorführt. Außerdem gibt es grandiose Dialoge - etwa von Frauen, die unbedingt dem vermeintlichen Millionär näherkommen wollen: "Mein Wesen wird jeweils von dem Manne bestimmt, mit dem ich zusammenlebe. Das ist bei vielen Frauen so. Wir passen uns an."
Worauf der nur antwortet: "Überdies soll es Männer geben, denen das Anpassungsbedürfnis der Frau auf die Nerven geht."
Schnee von gestern oder Neuschnee?
Schnee aus den 30er Jahren, der in vielen Wintersportregionen allerdings auch heute noch fällt.
Der erste Satz mit Schnee:
"Die Villa selber, die toten Tennisplätze, der erfrorene Teich, die wohltemperierten Treibhäuser, die unterm Schnee schlafenden Gärten und Wiesen bleiben unsichtbar." (Seite 16)
Schnee steht als Metapher für:
Schnee ist eigentlich keine Metapher, aber er bietet sich wunderbar an, um einige Leute und deren verengten Denkweisen aufs Glatteis zu führen ...
Weiße Pracht oder Weiße Gefahr?
Weiße Pracht - die drei Männer vergnügen sich im Schnee, bauen den Schneemann Kasimir und genießen bei Spaziergängen die verschneite Landschaft. An einer Stelle bemerken sie einen zugefrorenen Wasserfall: "Im Baedecker vergleicht man diesen Wasserfall mit einem Kronleuchter", bemerkte Hagedorn. Schulze setzte sich auf eine eisgekühlte Baumwurzel und sagte: "Ein Glück, dass die Natur nicht lesen kann."
Ewiges Eis oder Tauwetter?
Eindeutig Tauwetter. Schneemann Kasimir taut weg, einige Menschen auf.
Neuschnee - Bücher wärmstens zu empfehlen. Alle auf einen Blick.
Ist wärmstens zu empfehlen für:
Leute, die sich für den Wintersporttourismus in den 30er Jahren interessieren, gespickt mit kritischen Bemerkungen und witzigen Passagen. Das Buch endet mit der düsteren Erzählung "Inferno im Hotel", die all jenen ans Herz gelegt sei, die gute sozialkritische Texte über Armut lesen wollen.
Und das lernen wir daraus:
Selbst in den 30er Jahren wurden reiche Gäste schon bevorzugt behandelt und schindeten in der Gebirgssonne Bräune. Die Schilehrer hießen damals schon gerne Toni und "sind im Hauptberuf Bauernsöhne oder Drechlser oder Besitzer von schummrigen Läden, in denen Postkarten, Zigaretten und seltsame Reiseandenken verkauft werden."