Erstellt am: 4. 1. 2011 - 10:44 Uhr
Vom Bad Boy zum braven Bürger
Hans Weingratz
"Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen" ist der vierte Roman von Hallgrimur Helgason, der auf deutsch erschienen ist. Der isländische Autor ist außerdem auch bildender Künstler, was sich in seiner bildhaften Ausdrucksweise bemerkbar macht.
Darum geht's:
Der Auftragskiller Tomislav Bokšić hat einen Auftrag vermasselt. Also eigentlich hat er den Auftrag korrekt ausgeführt, nur, dass sein Opfer ein undercover FBI-Agent war. Deswegen muss er jetzt aus New York in die Verbannung flüchten. Auf der Flughafentoilette bringt er einen Mann um und übernimmt sowohl dessen Flugticket als auch seine Identität. Es stellt sich heraus, dass der Flug nach Island geht und dass der Mann ein amerikanischer Showprediger war. Der Killer gibt sich als Priester aus und kommt damit eine Zeit lang durch. Schließlich fliegt seine Lüge aber auf und er muss erneut fliehen. Des ständigen Davonlaufens müde, versucht er Selbstmord zu begehen. Nachdem das missglückt, begibt er sich in die Hände seiner fanatisch gläubigen Gastgeber und wird geläutert zum anständigen Isländer.
Schnee von gestern oder Neuschnee:
Neuschnee - Bücher wärmstens zu empfehlen: Alle Artikel auf einen Blick
Neuschnee auf gefrorenem Eis - die Handlung spielt im Jetzt, aber in Erinnerungsszenen an den Kroatienkrieg und an seine Zeit als Auftragskiller nimmt uns der Protagonist immer wieder mit in die Vergangenheit. Dabei lernen wir seine Geschichte und seine Beweggründe kennen.
Schnee fällt in:
Kroatien, wo Tomislav Soldat war, New York, wo Tomislav Killer für die Mafia war und Island, wo Tomislav erst nur priesterlich tut um dann wirklich priesterlich zu werden - wozu das Land, das uns als Insel der Seligen präsentiert wird, einen wesentlichen Teil beiträgt. In Island ist alles gut, es gibt keine Verbrechen, keine Waffen und keinen Krieg. Der Ex-Killer und -Soldat erleidet einen Kulturschock.
Klett-Cotta/Tropen Verlag
"Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen" ist in einer Übersetzung von Kristof Magnusson im Tropen Verlag erschienen.
Der 1. Satz mit Schnee:
lässt lange auf sich warten. Lange ist es einfach nur kalt, doch dann, endlich, auf Seite 171, ist er da:
"Irgendwann fing es an zu schneien. Die Flocken waren dick und schwer, als ob sie schon jetzt voller Dreck wären."
Ewiges Eis oder Tauwetter?
Tauwetter - aus dem xenophoben, sexistischen Auftragskiller wird ein freundlicher, weniger sexistischer Kirchengeher, der mit seiner Freundin auf Konzerte geht, und sonntags bei den Schwiegereltern isst. So richtig warm wird der Leser allerdings mit keiner der Figuren. Man beobachtet sie eher mit einer hochgezogenen Augenbraue.
So liest sich das:
"Als ich wieder ins Badezimmer gehe, bin ich unangenehm überrascht von dem Spiegelbild meines Gesichts. Für einen Sekundenbruchteil denke ich, es ist Father Friendly. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Mr. Friendly ist so hartnäckig wie ein gedopter Deckhengst. Er gibt einfach nicht auf. Immer wieder ruft er aus seinem Grab nach mir wie ein nörgelnder Rentner, der sich übers einen Sarg beschwert."
Helgason liebt Metaphern. Alles ist wie irgendetwas anderes. Die Sonne ist wie ein Lampion, er studierte den Satz wie ein Archäologe, das Land saugt ihn auf wie ein Vulkan im Rückwärtsgang.
Und das lernen wir daraus?
Die idyllische Ruhe und Kälte Islands können aus einem Auftragskiller einen Normalo machen. Vielleicht liegt es auch an der geringen Bevölkerungsdichte. Oder daran, dass jede Familie zwei Geländewägen besitzt (die Handlung spielt vor der Krise). Oder daran, dass die isländische Namen für Tomislav alle wie Zungenbrecher klingen. Woran es auch liegen mag - der Typ, den wir schlussendlich vor uns haben, ist so brav und normal, das wir und den kaltblütigen Auftragskiller-Macho eigentlich wieder zurückwünschen.
Ist wärmstens zu empfehlen für:
Leser, für die Humor schwarz sein darf, aber nicht subtil zu sein braucht, und die weder an Sexismus noch an Stereotypen Anstoß nehmen.