Erstellt am: 10. 11. 2010 - 17:03 Uhr
Dumm ist Geil ist Geil für Abzocker.
Der nebenstehende Text ist die Ausgangs-Basis für die Bonustrack-Sendung am 10.November, in der FM4-Mitternachtseinlage am Mittwoch.
Thema diesmal: das Herbeireden von der Geilheit des Dummseins. Und wer davon profitiert.
Hier die Kurzversion für Dummies:
Dumm ist geil, sagt die Werbung, sagt auch die Politik. Ich bin wie du, ist die Botschaft, die da dahintersteckt. Wenn du doof bist, kein Problem, ich bin es auch! Also bin ich dein Repräsentant. Dass hinter den Schein-Doofen die Ausnützer, Bauernfänger und Abzocker lauern - eh klar. Alter Verkäufer-Trick: sich doofstellen, mit dem Kunden gemein machen und ihn dann aufs Kreuz legen.
Dumm ist nämlich nur für die Schlauen wirklich geil, für die, die die Doofen flachlegen und ficken.
Dumm ist geil.
Sagt die Werbung.
Und die sagt nie etwas von dem sie nicht abgesichert weiß, dass Mehrheiten oder bestimmte Märkte das bestätigen und spiegeln werden.
Dumm ist geil.
Sagen die politischen Populisten, augenzwinkernd.
Und die sagen auch nie etwas, von dem sie sich keinen Machtgewinn versprechen.
Über "Dumm ist geil" rümpfen nur die Unlockeren die Nase, die Minderheit, eine womöglich intellektuelle - also das direkte Feindbild der Werbung, der Populisten, und ihrer Transporteure, der auf die Unterschicht hindesignten Verhöhnungs-Medien, also das Feindbild derer, die sich im öffentlichen Selbstverständnis als die Lockeren gerieren.
Locker, das heißt geil - und das heißt auch dumm (jetzt nicht in jeder Hinsicht, aber darauf kommen wir später noch...). Aber zumindest bedeutet das, dass "dumm" okay ist, mehr als okay, anstrebenswert und geil eben, und locker!
Weil: wenn alle Geilen und Lockeren dumm sind, dann ist das wichtigste Ziel das einer (ebenso geilen, lockeren und dummen) Vertretung, die verhindert, dass sich dieser Zustand endet, dass womöglich das Unlockere, Nachdenkerische wieder ans Ruder kommt. Die von früher, die alles bestimmt haben und so unlockere Sachen gemacht haben.
Dumme Mandatare, Geile Mandatare!
Deshalb ist eine gesellschaftliche und politische Vertretung, die deutlich signalisiert, dass sie sich selber als auch nichts Besseres fühlt und letztlich genauso dumm und geil und deshalb urtauge ist, ein Geschenk des Himmels.
Gibt's nicht, sagt ihr?
Hallo?!?
Berlusconi?
Sarah Palin und die Tea Party?
Die mitteleuropäischen Rechtspopulisten?
Der eine ist, ganz offen vor sich hergetragen, geil; und auch so dumm die Normen immer wieder so drastisch zu überschreiten, aber darin eben so geil und locker, dass es kracht und für Mehrheiten reicht. Hauptsache nicht schwul, was!
Die andere ist dumm und stolz drauf, geil nur soweit es die religiös-fundamentalistische Bigotterie zulässt (aber die hat ja auch mit ledigen minderjährigen Müttern kein Problem). Dumm ist geil, weil die (scheinbar) naive Nachfragen ob das denn alles so Sinn machen würde im neuen dumm-geil-Gottesstaat, dann auch gleich einmal die Unwissenheit über die Verfassung entschuldigt. Die man mit diesem Trick dann ankratzt und in Frage stellt.
Die dritten packen das alles zusammen, kochen es noch mit säuerlicher Xenophobie auf und signalisieren dem "kleinen Mann auf der Straße" dass sie durchaus unter seinem Niveau liegen. Und den mittels "Das wird man wohl doch noch sagen dürfen"-Trickstertum als "normal" und "in der Mitte der Gesellschaft" verorteten Schmäh Unwahrheiten zu platzieren, den kennt man hierzulande schon länger.
Politische Vertretung auf NGO-Niveau
Politische Vertretung hat nämlich im 21. Jahrhundert nichts mehr mit der Mandats-Abtretung an die Klugen und Schlauen, die Experten und Auskenner zu tun.
Die Herrschaft der Besten? Ich bitte dich...
Politische Vertretung anno 2010 heißt seine Stimme jemandem anzuvertrauen, den man letztlich für doofer als sich selber hält - das vermittelt nämlich eine (trügerische) Kontroll-Sicherheit. Die Herrschaft des Stammtischs.
Zudem ist diese neue Vertretungs-Mentalität ein Spiegel des kleingeistigen Verdrängungs-Wettbewerbs. Wer gut ist, sich wo auskennt, der wird als Gefahr wahrgenommen. Der treudoofe Kerli hingegen, der auf demselben Level daherkommt, nicht. Der ist Kumpel, den man noch dazu in der Disco antrifft.
Die zunehmende Machtlosigkeit der Regierungen und Volksvertreter, die sich letztlich auch nur noch als mahnende NGOs mit geringem Einfluss-Potential darstellen, hat das Wahlvolk dazu getrieben sie nicht mehr als Weisenrat, als moralische Autorität oder als lenkungserfahrene Strategen wahrzunehmen (und in der Folge mit direkter Macht auzustatten), sondern ihre (im neuen Selbstverstandnis komplett wertlose) Stimme eben an jene zu geben, die am bodennächsten agieren, deren Sprüche noch irgendwie nachvollziehbar sind, die auch greifbar sind und die sich genauso dumm anstellen wie man selber, beim Bierbestellen und beim Geschimpfe über die Anderen.
Akkordiert ist nämlich auch, dass das Dumm-Gelaber nichts bedeutet, nur Spaß ist, irgendwie. Und weil politisch Verantwortliche anno 2010 auch kaum in die Gefahr kommen realpolitisch etwas umzusetzen, ist es schlicht und einfach wurscht, wer da als populistischer Volkstribun Unfug treibt.
Glaubt man halt.
Die Verachtung der Strategen
Das ist die Milchmädchenrechnung, die die "Ich bin dumm und geil"-Reinfaller anstellen. Und natürlich greift sie, wie alle diese Rechnungen zu kurz.
Denn natürlich stecken hinter Berlusconi, der Tea Party oder den Rechtspopulisten ökonomisch potente Lobbies, Mafia-Klüngel, der gute alte militärisch-industrielle Komplex oder politisch extreme Nationalisten.
Und natürlich sind die Spin Doktoren und Strategen hinter den Aushängeschildern nicht einmal ansatzweise doof und dumm. Oder geil: den Glauben daran überlassen sie der hedonistischen Unterschicht. Die sind in echt so elitär wie Kari Schwarzenberg, Veit Sorger und Peter Huemer (um jetzt irgendwelche drei politisch weit auseinanderliegende Intellektuelle/Bildungsbürger herzunehmen) zusammen; und wie alle Strategen im Populismus-Biz verachten sie das, was sie öffentlich vertreten, zutiefst. Eh so wie alle anderen (die Boulevard-Medien-Macher, die Event-Produzenten, die Instandehalter und Funktionierer) das ja auch tun; nämlich um die Widerwärtigkeit ihre Produkts Bescheid zu wissen.
Da geht es um Kalkül, ausschließlich.
Um Gewinn-Maximierung am Markt der gesellschaftspolitischen Befindlichkeit, auf dessen Basis sich Geschäfte machen lassen.
Sie gehen davon aus, dass mit einfachen Mitteln und simplen Botschaften ohne echte Substanz dahinter derselbe Erfolg zu erzielen ist, wie nach (im klassischen Sinn) politischer Arbeit (die von Analyse, Recherche über Willensbildung bis hin zur Gesetzwerdung und gesellschaftlichen Veränderung).
Protest als reine Zerstörung
Weil dieses System nicht mehr funktioniert, ist Dumm=Geil=Stimmvieh in eine Art Spaß-Guerilla geworden, die ihren "Protest" (ist geil!) zur Destruktion nützt.
Dieser Artikel ist die Ausgangs-Basis der Bonustrack-Sendung vom 10. November.
Phone-In Möglichkeit unter 0800- 226 996; von außerhalb Österreichs unter 43-1-503 63 18. Lines offen ab Mitternacht, wie immer erst nach der Kurzversion für Dummies.
Die Musik dazu passt heute nur über sieben Assoziations-Ecken, sie funktioniert eigentlich fast gegenläufig: This Must Be The Place von den Talking Heads, aber das in den grandiosen Cover-Versionen von Arcade Fire und Kyp Malone of TV on the Radio-Fame und natürlich MGMT.
"Der Staat kann irgendwann seinen im Zuge von Wahlversprechen selbst auferlegten Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Im System des Parteienstaates und einer individualistischen Gesellschaft ist eine grundlegende Sozialreform nicht möglich. Es gibt auch keinen verantwortungsbewußten Politiker, der eine solche vorschlagen und durchsetzen würde.
Im Parlamentarismus gibt es keine verantwortliche Instanz. Die Zersplitterung in Parteien macht die Bildung eines gemeinsamen Willens unmöglich. Jede Partei versucht für sich die meisten Stimmen, jede Gewerkschaft und Interessensgruppe das meiste Geld herauszuschlagen. Es gibt kein gemeinsames Ziel, das einzig Vereinende sind die Gier und der Egoismus, die dem Zusammenbruch als Katalysator dienen. Keiner gibt nach, da er weiß, daß dies der andere zu seinem Vorteil ausnützen würde."
Nein, ihr wollt gar nicht wirklich so genau wissen, wo ich dieses Zitat gefunden habe.
Die individualistische Gesellschaft, von der die Neonazi-Freunde da parlieren, spielt widerstandslos bis begeistert die Rolle des nützlichen Idioten. Und die politischen "Dumm = Geil!"-Signalgeber applaudieren: richtig so! Weiter so!
Denn die spaßige Zerstörungs-Arbeit, die Werber, Polit-Populisten und die vielen Dumm=Geil-Ernstnehmer machen, leistet ihren Endzielen wunderbaren Vorschub.