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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

7. 11. 2010 - 11:23

Orchestrale Ärgernisse

Get Well Soon schenken uns ein Konzert. Aufgenommen mit fünfzehn Musikern im Konzerthaus Dortmund.

Anfang dieses Jahres hat uns der etwas schüchterne und liebenswerte Musikus Konstantin Gropper ein schönes Geschenk gemacht, nämlich das zweite Album "Vexations", das er mit seiner Band Get Well Soon eingespielt hat.

Get Well Soon

Mit dem Stoizismus im Hinterkopf, der die inhaltliche Klammer des konzeptuellen Meisterwerks bildet, blickt der oberschwäbische Melancholiker durch die Augen von Werner Herzog, Elisabeth Kübler-Ross oder Seneca auf unsere Welt. Ihn faszinieren dabei die verschiedenen Lebenskonzepte dieser Persönlichkeiten, mit den Ärgernissen des Lebens umzugehen. Mit viel harmonischem Gespür und einem ruhigen, sicheren Händchen für ausgeklügelte Arrangements hat Konstantin Gropper die Ergebnisse seiner lebenstherapeutischen Recherche in einem großen Studio mit Streicher und Bläsersetzen in sehr organische, orchestrale und nicht selten epische Popsongs gegossen.

Somit war "Vexations"ein berührender und geglückter Start ins neue Jahr, gekrönt von der wundervollen Live-Performance von Get Well Soon am FM4 Geburtstagsfest. Trotz klirrender Kälte und schwer zu stimmenden Instrumenten versprühte die Band jene Wärme und Melancholie, die den Songs innewohnen, was nicht zuletzt an dem perfekten Zusammenspiel des Quintetts lag. Beeindruckend vor allem, wie es Get Well Soon geschafft haben, die Opulenz der Produktion mit scheinbar freudiger Leichtigkeit auf die Bühne zu transponieren.

Konstantin Gropper von Get Well Soon

Florian Wieser

Le Grand Ensemble

Jetzt, wo wir uns schon auf das Ende des Jahres zubewegen, hat Konstantin Gropper nochmals ein Geschenk für uns. Diesmal jedoch lässt er wirklich alle Menschen daran teil haben, die sich dem world wide web bedienen können. Gemeinsam mit "Le Grand Ensemble" haben Get Well Soon dieses Jahr einige Shows gespielt und die großartige Akustik im Konzerthaus Dortmund gleich auf Band festgehalten. Umgeben von Ahornparkett und gerundeten Gipselementen, die sich wie Wellenbewegungen an den Wänden abzeichnen, vertiefte sich die insgesamt fünfzehnköpfige Bigband in die schwermütigen, melancholischen Erzählungen über den Tod, das Leben und die Hoffnung, mit allen Unwegsamkeiten fertig zu werden.

Das Ergebnis ist eine Live-EP mit sechs Nummern, die gratis auf der Bandwebsite inklusive Cover zum Donwload angeboten wird. Eröffnet wird diese wundervoll breite und energetische Aufnahme mit dem quasi Titelstück des Albums, "Seneca's Silence". Und sobald die opernhafte Stimme in der ersten Bridge auftaucht, ist es wieder da, das brennende Sehnsuchtsgefühl in der Magengrube. Auch der herzzerreißende Bläsersatz am Beginn von "5 Steps / 7 Swords", der Pergolesis Stabat Mata intoniert, zieht einem sofort die Gänsehaut auf. Beim sechsminütigen Glanzstück "A Voice At The Louvre" scheint die Band mit Ensemble fast die Studioaufnahme zu übertreffen. Aber auch das etwas zerklüftete und eigenwillige "A Burial At Sea" erhält durch diese Live-Version noch ein Stück mehr Mystik, wenn sich die zugespielten Samples mit dem Chor und den Streichern zu einer geheimnisvollen Geisterhymne vermischen.

Get Well Soon EP Live At The Konzerthaus Dortmund

Get Well Soon

"Was U2 können...

können wir schon lange", haben sich Get Well Soon gedacht und mit ihrer zusätzlichen Prämisse, auf jeden neuen, technischen Schnick-Schnack-Zug sofort aufzuspringen - egal wie "sinnvoll" er auch sein mag - wurde jenes Konzert in Dortmund auch gleich mit mehreren Kameras gefilmt, um es uns dann so plastisch wie möglich ins Haus zu liefern. Das einzige was man dazu braucht, ist eine 3D Brille und ein Zugangscode, die Konstantin Gropper bei jedem Live-Konzert für seine Besucher bereit hält. Gott sei Dank verschlägt es Get Well Soon auf ihrer Herbsttour auch nach Österreich. Am Dienstag 23. November kann man sich nicht nur besagte Brille und Zugangscode in der Wiener Arena abholen, sondern Konstantin Gropper und seine Band leibhaftig hören und sehen, wie sie in ihre philosophische Popwelt eintauchen. Im Vorprogramm werden übrigens die großartigen Menomena aus Portland/Oregon zu bewundern sein.

Und um das Warten auf diesen mit Sicherheit denkwürdigen Get Well Soon Abend zu verkürzen, einfach die Gratis-Live-EP downloaden und sich den kalten Schauer der Vorfreude den Rücken herunter jagen lassen.