Erstellt am: 6. 11. 2010 - 08:53 Uhr
10 Jahre ATTAC Österreich
"Attac ist Finanzminister" - Der Pinguin über den Siegeszug einer Idee
Als sich vor genau 10 Jahren, am 6.November 2000, ATTAC Österreich gegründet hat war von der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit noch keine Rede.
Bereits damals haben die Gründer von ATTAC eine Regulierung der Finanzmärkte, und eine sogenannte Tobin-Tax, also eine Steuer für Finanztransaktionen, gefordert - vor allem für Devisen-Spekulationen.
Daher auch der Name, ATTAC ist die Abkürzung für die französische Übersetzung von „Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Nutzen der Bürger“
Heute, zehn Jahre später, sind die Forderungen aktueller denn je. Vor allem die verheerende Krise der Finanzmärkte, die später auch zum Einbruch der Realwirtschaft geführt hat, schreit - so viele Experten - nach einer Regulierung dieser Märkte und des Bankensektors.
Ein Rückenwind den ATTAC deutlich zu spüren bekommt, diagnostiziert der ATTAC-Sprecher Christian Felber:
„Das was vor 10 Jahren noch eine Minderheitsmeinung war, die auch von vielen belächelt wurde, ist jetzt mehr oder weniger common sense. Das heißt aber noch nicht, dass die Regierungen auch die notwendigen Konsequenzen ziehen würden und unsere Forderungen umsetzen. Kapitalismuskritik ist mehrheitsfähig geworden, es wünschen sich 90% der Menschen eine neue Wirtschaftsordnung, und das ist eigentlich bereits das Sterbeglöckchen für den Kapitalismus.“
ATTAC
Bilanz des Wirtschaftsforschers
Robert Zikmund hat mit Dr. Markus Marterbauer vom Wirtschaftsforschungsinstitut über zehn Jahre ATTAC Österreich gesprochen.
Robert Zikmund: Wie beurteilt das Wirtschaftsforschungsinstitut die Bilanz von zehn Jahren ATTAC Österreich?
Dr. Markus Marterbauer: Ich möchte so sagen, dass ATTAC recht hatte. Das belegt die Finanzkrise der letzten Jahre. Die Kritik war ja: Finanzmärkte, die unreguliert sind, führen dazu, dass der gesellschaftliche Wohlstand gefährdet ist - das ist jetzt durch die Krise belegt.
Es ist jenen Institutionen, die die Interessen der Finanzmärkte vertreten, also Banken und anderen, durch das Auftreten von ATTAC schwerer gelungen, mit ihren Argumenten durchzukommen, jedenfalls hat es eine Gegenposition gegeben. Als konkreten Erfolg würde ich verbuchen, dass die Frage der Finanztransaktionssteuer, also die Tobin-Tax die ja ganz am Anfang der ATTAC-Gründung stand, heute auf internationaler Ebene (G20, IWF, Weltbank) intensiv diskutiert wird. Ob es umgesetzt wird, ist noch offen, aber das ist vielleicht, wenn man sich an vor 10 Jahren erinnert, der größte Erfolg von ATTAC.
Was die Bankenregulierung, Basel II und dergleichen betrifft, also Dinge die ATTAC fordert und kritisiert: Da hat man nicht zwingend den Eindruck als hätte man seitens der Gesetzgebung viel gelernt, glauben Sie, dass ATTAC in Zukunft mehr Einfluss ausüben kann?
Man darf hier die Dimensionen nicht verwechseln, ATTAC ist eine NGO die versucht mittels Argumenten Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen, während Politik von Regierungsorganisationen auf internationaler Ebene gemacht wird, da ist in den Machtverhältnissen ein großer Unterschied. Ich glaube aber, dass die Bedeutung zunehmen wird und dieser Glaube resultiert aus der Erfahrung heraus, dass die Krise die von den Finanzmärkten ausgelöst wurde nicht zu einer ausreichenden Regulierung der Finanzmärkte führen wird, wir werden also in den nächsten zehn Jahren, oder wann auch immer, wieder derartige Krisen erleben. Immer mehr wird die Vorstellung, dass unregulierte Finanzmärkte den weltweiten Wohlstand erhöhen unter Druck kommen und in Frage gestellt werden.
Wie schätzen Sie den Einfluss von ATTAC sowohl auf die Forschung als auch auf die Lehre, im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich, ein?
Ich glaube, dass das jetzt schon wieder Richtung Wissenschaft zurückspielt, weil sehr viele jüngere Wissenschaftler die sich mit Makroökonomie, mit internationaler Konjunktur und mit Finanzmärkten beschäftigen offener sind als das noch vor 20 Jahren der Fall war, gegenüber Vorschlägen dieser Art.
Viele behaupten, dass das System weiter crashen wird. Glauben Sie, muss sich die Krise weiter verschlimmern, damit diese Ideen übernommen werden? Wie lautet Ihre Prognose und wie kann sich ATTAC hier am sinnvollsten einbringen?
Nötig sollte es nicht sein,denn die Finanzkrise hat weltweit viel Schaden angerichtet. Alleine in der EU hat síe dazu geführt, dass 7 Millionen Menschen mehr arbeitslos sind, also gewaltige soziale und wirtschaftliche Verluste ausgelöst. Aber ich habe den Eindruck, dass die Schlussforderungen der Politik nur partiell auf die Forderungen von ATTAC eingehen. Ich glaube die Aufgabe von ATTAC wäre, mit der Wissenschaft weiterhin engen Kontakt zu pflegen und sich ein bisschen stärker als in den letzten paar Jahren in der Theorie erden, anstatt auf politische Aktivitäten zu setzen. Das halte ich für sehr notwendig. Zum anderen wissen wir, wie Politik funktioniert: Es geht sehr stark darum diese zu demokratisieren und mehr Leute einzubinden, und da geht es sicher darum den recht erfolgreichen Weg fortzusetzen.