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Pinguin

Hinweise zur geistigen Selbstverteidigung in Wirtschaftsfragen. Hauptwohnsitz: Zeitschrift Malmoe

6. 10. 2010 - 17:03

Attac ist Finanzminister

Vom seltsamen Siegeszug einer Idee.

Neulich beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel: Finanzminister Pröll legt ein österreichisches Regierungspapier vor, das sich für eine "Finanztransaktionssteuer" ausspricht, eine Art Umsatzsteuer auf Geschäfte im Finanzsektor. Jeder An- und Verkauf von Aktien, Schuldverschreibungen oder Derivaten soll demnach in Zukunft einer Steuer unterliegen. Der Steuersatz soll niedrig sein: Beim Kauf von Aktien im Wert von 1000 Euro, sollen 10-50 Cent Steuern anfallen. Angesichts der großen Summen, die täglich rund um den Globus gehandelt werden, könnten jedoch insgesamt beachtliche rund 150 Milliarden Euro an Steuereinnahmen weltweit zusammenkommen, so der Plan.

Asien, Empörung, Idee

Die Transaktionssteuer war lange Zeit die Kernforderung von Attac. Als sich 1997 das Schwärmen über die wirtschaftliche Dynamik der asiatischen "Tigerstaaten" über Nacht in eine Anklage über korruptionsanfällige potemkinsche Dörfer wandelte und das Kapital, das zuvor massenhaft zugeflossen war, panikartig abzog, löste dieser Stimmungsumschwung eine Weltfinanzkrise aus.

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Die öffentliche Empörung über diese Vorkommnisse führte zur Wiederentdeckung eines Vorschlags des Ökonomen James Tobin, der eine Steuer auf alle Finanztransaktionen vorgeschlagen hatte. Damit sollte Handel auf Finanzmärkten teurer gemacht werden, in der Hoffnung, damit Spekulation unrentabler zu machen und folglich einzudämmen. Um diesen doch recht technischen Vorschlag gruppierte sich überraschend eine breite Bewegung, die die Steuer in ihren Namen aufnahm - "Attac" ist auf Französisch die Abkürzung für "Aktion für eine Transaktionssteuer zum Wohle der BürgerInnen".

Der Vorschlag fand nicht nur Unterstützung: Von Marktliberalen wurde er als wirtschaftlich schädlich kritisiert, von Linken als zu anpasslerisch, und von regierungspragmatischer Seite hieß es, er sei wegen der Ausweichmöglichkeiten nur bei globaler Einführung sinnvoll, folglich unrealistisch.

Welt, Empörung, Vorschlag

Etwas mehr als zehn Jahre und eine Großkrise später hat es die Steuer-Idee in den Rang einer österreichischen Regierungsposition geschafft. Und die steht damit nicht allein, schließlich wird auf Initiative von Staaten wie Deutschland und Frankreich in internationalen Gremien wie EU, IWF und G20 darüber diskutiert.

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Warum ist die Ösi-Regierung so eine prominente Vorkämpferin für die Transaktionssteuer? Hat Attac die Ministerbüros unterwandert? Drei Gründe geben Anlass für eine nüchternere Einschätzung:

1. Seit der jüngsten Krise ist Banken-Bashing beim Wahlpublikum beliebt, somit hofft die Regierung mit einem internationalen Steuervorschlag, der den Finanzsektor trifft, auf Punkte. Kommende Einsparungen im Sozialbereich – um die Defizite zu kompensieren, die die Bankenrettung hinterlassen hat - hofft man dadurch zu legitimieren, dass man auch symbolische Belastungen für den Finanzsektor in Angriff nimmt.

2. Obwohl auf den ersten Blick überraschend, sind auch heimische Banken gegenüber einer Transaktionssteuer aufgeschlossen: Denn eine Umsatzsteuer auf Aktien und andere Finanzpapiere kann einfach auf die Kundschaft überwälzt werden. Und anders als bei Finanzhäusern in London und anderen großen Finanzplätzen zählt der Handel mit Aktien und Derivaten nicht zu den Haupteinkunftsquellen heimischer Banken; sie machen ihr Geschäft zu einem Großteil mit klassischen Krediten. Folglich könnten sich die Banken in Österreich durchaus mit so einer Steuer anfreunden, am liebsten wenn sich dadurch andere Belastungen wie etwa die in Ausarbeitung befindliche Bankensteuer vermeiden lassen. Diese vom Bundeskanzler nach US-Vorbild angedachte Bankensteuer, die als direkte Besteuerung des Gewinns ausgestaltet werden könnte, wäre für die Banken unangenehmer.

3. Österreich steht im EU-Kontext wegen seines Widerstandes gegen eine Aufhebung des Bankgeheimnisses unter immer stärkerem Druck. Wie das Bankgeheimnis trotz jüngster Entschärfungen nach wie vor den heimischen Banken Gelder verschafft, die dem Fiskus in anderen Staaten entzogen werden, wird zuletzt in der Sonntags-Presse vom 26.9. unter dem Titel „Das Dorf der Millionäre“ anschaulich illustriert: Die Tiroler Exklave Jungholz (technisch in Deutschland, rechtlich in Österreich) hat die höchsten Bankeinlagen Österreichs. Hier liegen bei drei Banken 4 Mrd EUR auf Nummernkonten. Laut OeNB beträgt das gesamte in Österreich veranlagte Kapital aus dem Ausland (inkl. Einlagen ausländischer Banken) 185 Mrd EUR.

Mit dem internationalen Vorstoß für eine Finanztransaktionssteuer kann der Finanzminister also Aktivität in Sachen Finanzbesteuerung signalisieren, die der heimischen Wirtschaft nicht wehtut, und gleichzeitig von der Sonderprivilegierung des heimischen Finanzsektors (Bankgeheimnis) ablenken bzw. Verhandlungsmasse aufbauen, um Druck gegen die eigene Position lahmzulegen.

Das scheint das ganze (Bank)geheimnis hinter der rasanten Karriere der Finanztransaktionssteuer im Alpenland zu sein.