Erstellt am: 31. 10. 2010 - 17:00 Uhr
Umnachtet
Constantin
Man kann es drehen und wenden wie man will. Das Filmplakat sagt im Grunde mehr als tausend Worte. Hochglanz-Ästethik meets Frauenzeitschriften-Feminismus meets Aufspringen auf den Vampirhype-Zug.
Ergo: Nope! Die Freunde-der-Blutsauger-Welt hat auf diesen Film nicht gewartet.
Eckdaten
Weil die Männer sich nicht gut zu benehmen wussten, gibt es heutzutage - also im modernen "Wir sind die Nacht"-Berlin - nur mehr Vampirfrauen. Die griffen den Menschen in punkto männliche Kollegen einst unter Arme, verstehen ansonsten unter Emanzipation aber leider auch nicht mehr als ficken, saufen, feiern ohne Konsequenzen; wie es (so oder so ähnlich) eine der Protagonistinnen im Film formuliert.
Nina Hoss spielt Louise, Anführerin einer kleinen Vampirella-Clique. Zu der gehören neben einem pumucklgleichen Loveparade-Girlie noch die den 1930ern entrissene, stoisch-depressive Charlotte. Ein typgerecht abgestimmtes Triumvirat: blond-herrisch, rothaarig-ausgeflippt, schwarzhaarig-intellektuell.
Ergänzung erfährt dieses Gespann eines Nachts durch das jugendliche Problemkind Lena. Denn Boss Louise, eine offenbar lesbische Augen-Fetischistin, hat diese für sich auserkoren.
Vampirblut macht´s wieder gut
Bis auf die Äuglein ist Lena vor ihrer Verwandlung allerdings so gar keine Augenweide. Schwarzes Haar, burschikos-verwahrlost und ausgestattet mit einer typischen Trailerpark-Mom kommt sie gerne mal mit der Polizei in Kontakt. So lernt sie auch einen jungen Beamten kennen, gespielt von Max Riemelt.
Et voilà, unser Spannungsfeld: Lena, die nicht ganz freiwillig verwandelt wurde, mag keine Menschen töten, dafür aber den Polizisten lieben. Völlig unvereinbar mit Louises Besitzansprüchen.
Constantin
Nina Hoss, die große Charakterdarstellerin aus tollen, deutschen (gerne Petzold!) Filmen, wirkt hier völlig fehl am Platz. Ihre Louise ist eine erstarrte Eigenartigkeit.
Ebenso erschließt sich nicht wirklich, warum man die Handlung unbedingt im Vampirgenre ansiedeln musste. Genauso gut hätte Hoss eine exzentrisch-wahnsinnige Pflegemutter geben können, die das neue Töchterchen zwar aufpimpt, ihr ansonsten aber null Spielraum oder alte Freunde lässt. Das hätte vielleicht ein paar Blutspritz-Szenen weniger ergeben - andererseits: auch nicht vampirische Menschen morden. Überhaupt erinnert die ganze Machart von "Wir sind die Nacht" mehr an einen zeitgemäßen, sehr actionreichen, Montage-schnellen deutschen (sic!) Krimi.
Eckzähne
Ein paar gute Ansätze sind da. Die Vorgeschichte der Vampirinnen ist über den Vorspann sehr fein gelöst. Emanzipatorisches schaut hervor, verläuft dann jedoch im "Nein, so hat die Frauenbewegung das sicher nicht gemeint"-Sand. Die Spezialeffekte sind ebenfalls passabel, ein nach einer Zigarretten-Attacke sich wiederherstellendes Auge sogar schön.
Für insgesamt 100 Minuten ist das aber ein bisschen wenig. Ein bisschen Anlehnen an der Twilight´schen Schmuseabteilung hier und der rotgefärbten True Blood Action da macht eben noch kein Genre-Movie.
Und diese ständige Techno-Party-Sause ist einfach nur ärgerlich. Wahrscheinlich finden in ganz Berlin in sieben Tagen nicht (mehr) so viele halb-legale Raves statt, wie dieser Film suggeriert. Nervende wiederkehrende Luftansichten von der Hauptstadt und dazu Szenen, die wortlos alles sagen - schlussendlich poltert aber doch noch die Dialogzeile daher, die man nicht zu hören gehofft hatte.
"Wir sind die Nacht" läuft seit 29. Oktober 2010 in den österreichischen Kinos
Gute Nacht
Die Vampirinnen zeichnen sich soweit durch keine Besonderheiten aus: Menschenblut-trinkend, Sonnenlicht-verbrutzelnd, ansonsten schnell verheilend, rasant, stark, schön, ach ja, sie essen gerne. Nicht, weil irgendein Hunger gestillt wird, sondern weil es schmeckt.
Constantin
Der Film funktioniert zudem nicht als Halloween-Klamauk der Marke: Gehen wir lachen. Denn dort, wo er die Chance auf ein Augenzwinkern hätte, auf ein Abbiegen ins Abstrus-Trashige, nimmt er sich lieber bierernst.
Max Riemelt, gerade wegen "Im Angesicht des Verbrechens" in aller Munde, sticht angenehm heraus. Ebenso wie Jennifer Ulrich, die die wortkarge Charlotte gibt. Sie spricht sicherlich die Hälfte des Films über kein Wort, dennoch ist sie die schillerndste der Blutsaugerinnen. Vielleicht auch gerade deshalb. Regisseur Denis Gansel ("Mädchen, Mädchen", "Napola", "Die Welle") hat´s wie gesagt wahrscheinlich gut gemeint.
Und das Ende natürlich gleich für Teil zwei präpariert.
PS: Unmittelbar nach dem Kinobesuch hab ich eine Folge "Vampire Diaries" nachgelegt. Hatte irgendwie mehr Biss.
PPS: For real vampire stuff search the fm4 site for "true blood" or "Anne Rice".