Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Stadt, Wald, Studio"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

10. 10. 2010 - 00:01

Stadt, Wald, Studio

Eine FM4 Soundparknacht mit Francis International Airport, Mundoloco, Tina Mali und der Studio 2 Session mit Lehnen und Lonely Drifter Karen.

Manchmal regt sich sogar bei mir Groll, wenn ich Rezensionen von Alben durchlese.

die steinernen fußbälle vorm stadion

blumenau

Nicht, dass ich aufgrund geschriebener Worte so leicht aus der Haut fahre, aber der Stein des Anstoßes war diesmal eine Besprechung des neuen Francis Insternational Airport Albums auf einem deutschen Blog. Nicht nur, dass der Titel mit der Objektivität eines Gerichtes, vor dem alle Platten gleich behandelt werden, spielt, sondern auch die Grabenkämpfe zwischen Österreich und Deutschland erhalten hier erneut Munition. Okay, die Fußballanalogie, dass es hiesige Spieler immer mehr in die deutsche Bundesliga zieht wie österreichische Musiker auf den deutschen Markt, ist ein unterhaltsamer Ausgangspunkt. Aber dann nur Naked Lunch, B. Fleischmann, Francis International Airport und Soap&Skin zu nennen, ist ebenso "dürftig", wie von "dürftigem" AUT-Output zu sprechen. Mag sein, dass Ja, Panik wegen ihres Erfolgs beim Nachbarn schon als Berliner Band angesehen werden, so gibt es trotzdem genug österreichische Acts, die sowohl seit längerem als auch kürzerem den deutschen Musikmarkt bereichern (werden).

Meine Absicht ist es hier freilich nicht, den musikalischen Konkurrenzgraben weiter auszuheben, sondern vielmehr zuzuschütten, schließlich spielt es im Zeitalter der Social Networks sowieso eine immer geringere Rolle, woher man kommt und wohin man geht. Denn überall finden sich nicht nur virtuell Gleichgesinnte, was auch diese FM4 Soundpark Ausgabe beweist.

Wir treffen uns im Wald

Es ist groß und episch, zugleich aber auch intim und reduziert. Es ist voller Melancholie und zugleich voller lebensfreudiger Aufbruchstimmung. Es verbreitet eine verträumte und gleichzeitig unheimliche Stimmung. Es trägt die Handschrift von utopischen Städten wie von magischen Wäldern. Es ist das zweite Werk und zugleich das Debüt von Francis International Airport.

Francis International Airport

"In The Woods", unser Album der Woche, klingt erdig, rau und hölzern, aber auch luftig, geschmeidig und warm. Es macht die Songwriting-Qualitäten der Band transparent und bietet zugleich einen komplexen und detailverliebten Klanguntergrund. Zu eindringlichen, emotionsgeladenen Songs wandern wir auf der Oberfläche der Sonne, legen in ferner Zukunft Pipelines zu unseren Geliebten und werden schließlich von Monstern der Vergangenheit durch den Wald gejagt. Das alles lässt vermuten, dass "In The Woods" einen der höchsten Gipfel in der österreichischen Musiklandschaft dieses Jahr schon erklommen hat.

Francis International Airport

Niko Ostermann

In dieser Soundparknacht werden Sänger Markus und Bassist David gemeinsam mit Keyboarder Georg sich durch ihr Werk hören. Interessant dabei ist, wie nahe ihnen die eigene Aufnahme noch ist. Schließlich ist das Album in gerade einmal einem halben Jahr entstanden, was für den Prozess vom Songwriting bis zum gemasterten Endprodukt eine wirklich enorme Produktionsgeschwindigkeit bedeutet. Vielleicht hört auch ihr die knisternde Spannung aus dem Interview heraus die entsteht, wenn man sein "ganz frisches baby" zum ersten Mal im Radio präsentiert.

Techno für den Augenblick

Berlin ist wohl nach wie vor die Satdt, in die es Musiker und Künstler aller Länder zieht. So auch Bassist Manuel alias "Manifesto" und Pianist/Keyboarder Philipp alias "Roy Danger". Beide studierten ihre Instrumente an Universitäten ihrer Heimatstadt und Wien, bis sie aufgrund eines Stipendiums in die deutsche Hauptstadt übersiedelten, in der sie ihren späteren Schalgzeuger Andre kennenlernen sollten, der vor zwei Jahren zu "Alfred Alarm" wurde und in das Projekt Mundoloco einstieg.

mundoloco live

Mundoloco

Manuel und Philipp, in den späten Neunzigern vom Vienna Sound und dem Downtempo-Hype inspiriert, versuchten, schon von Beginn an Grenzen zu überwinden, um Genres zusammenzubringen. Jazz und Elektronik galten damals als "Ausgangsschnittpunkt", der sich mit der Zeit immer mehr in Drum'n'Bass Gefilde verlagerte. Mit dem Wechsel nach Berlin kam dann auch bald der Wechsel zu Techno, das Liebeäugeln mit den harten, schnellen Beats. Das brachte fast zwangsweise eine Veränderung am Schlagwerk mit sich, denn die Herausforderungen an den rhythmusgebenden Part bei der Mundoloco Elektronikband sind ganz schön heftig. Aber mit dem studierten Andre hat man einen Gleichgesinnten gefunden, der auch vor der haarsträubender Verkabelung seines heiligen Schlagzeugsets nicht zurückschreckt. Denn bei Mundoloco wird alles live gespielt und ein vielschichtiger Sound allein mit Sampler, Keyboard, Bass und eben jenem Drumset wiedergegeben, das mit Pads versehen neben seinem organischen Klang auch ein Signal liefert, mit dem verschiedenste Samples angesteuert werden können.

mundoloco frontcover

Philipp Brunsteiner

Der generelle Ansatz, nur Musik für den Augenblick zu machen, die man sich weder downloaden noch kaufen kann, hat im "alles steht mir sofort zur Verfügung"-Zeitalter natürlich einen gehörigen Charme. Wenn du Mundoloco hören willst, musst du zu einem Konzert kommen und erhältst damit gleichzeitig auch die Garantie, etwas ganz einzigartiges zu erleben, das du später nie mehr genau so hören und sehen wirst. Für Musiker, die gerne das eigene Album zuhause im Plattenschrank stehen haben, nicht nur undenkbar sondern wahrscheinlich auch eine Qual. Mit ihrem ausschließlichen Live-Konzept hat das Österreich/Deutschland Trio jetzt jedoch gebrochen. Denn mit "AAAlive" bringen Mundoloco nun Musik für die digitalen Player auf den Markt. Doch auch hier sind die drei Technoheads ihrem Session-Gedanken treu geblieben. Alle Tracks sind in einer dreistündigen Session entstanden, ohne zusätzlichem Schnick-Schnack. Im Musikerjargon heißt das ohne Overdubs, also ohne nachträglich eingespielte Sounds und Riffs. Insofern ist "AAAlive" ein musikalischer Schnappschuss, eine Momentaufnahme, die trotz ihres Improvisationscharakters im Vorfeld einiges an Arbeit erfordert hat.

Mundoloco Bandfoto

Mick Morley

Die neue Mundoloco Band mit Andre (links sitzend), Philipp (links stehend), manuel (rechts sitzend) und Andy (rechts stehend), dem neuen Sänger.

Andre, Manuel und Philipp werden uns aus Berlin zugeschalten nicht nur von ihren bisherigen Erlebnissen in der Musikgroßstadt berichten, sondern auch durch ihr knackiges, spannendes, tranciges und danciges Sounduniversum führen, zu dem übrigens in einer Popvariante in nächster Zeit auch gesungen wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wildfluss London

Ebenfalls über die Grenzen - diesmal im nationalen Sinne - ist Sängerin Axel Wolph

Axel Wolph

Axel Wolphs Album "Feeltank" ist auf monkey music erschienen.

Wir lassen nämlich die großartige Studio 2 Session mit Lonely Drifter Karen und Lehnen nochmal Revue passieren, mixen uns durch das spaceige Psychedelic-Electro-Ambient-Album "Kosmonauts" von Sula Bassana und skippen uns durch das österreichische Album mit dem wahrscheinlich längsten Titel "Suddenly There Was Peace And All That Terrible Noise Was Gone With The Wind, My Hands Lying Still On Top Of My FEELTANK", geschrieben von dem oberösterreichischen Sänger und Musiker Axel Wolph.

Die FM4 Soundparkausgabe startet diesen Sonntag 10.10. um 01:00 Uhr nachts und endet am Montag 27.09. um 06:00 Uhr früh!

Alle Anti-Nachteulen, die sich die Sendung lieber bei morgendlichem Kaffee oder abendlichem Tee anhören wollen, können ab Montag Mittag alle fünf Stunden eine Woche lang hier nachhören.

Fahrplan durch die Sendung: