Erstellt am: 30. 9. 2010 - 10:12 Uhr

Lehnen Drifter Karen

Die heimischen Bands Lehnen und Lonely Drifter Karen haben gestern Abend eine FM4 Soundpark Studio2 Session zum Besten gegeben, die das Publikum verzaubert hat.

"This is one of the nicest radio studios I've ever been in", hört man die begeisterte Feist am Beginn jeder FM4 Soundpark Studio2 Session ins Mikro hauchen. Und auch diesesmal wurde dieser Satz wieder bestätigt: die Ambient-Rocker Lehnen und die Folk-Pop-Band Lonely Drifter Karen haben die 17.Ausgabe der Studio2 Session zu einem unvergesslichen Abend werden lassen.

Christian Stipkovits

Direkt aus den USA

Gerade waren Lehnen noch auf einer ausgedehnten Tour durch die USA und Kanada unterwegs. Zwanzig Konzerte haben sie gespielt und rund 12.000 Kilometer durch ganz Nordamerika zurückgelegt, in einem Tourbus, der nach einiger Zeit nicht mehr ganz so gut gerochen hat, wie Gitarrist Martin im FM4-Interview eingesteht.

Dennoch scheint es, als würden die vier Herren von Lehnen noch einige Zeit von ihrer Amerika-Tour erzählen können. Zum Beispiel die Geschichte von den zwei Texanern, die nach dem Lehnen-Auftritt sechs Stunden Fahrt auf sich genommen haben, um sie am nächsten Tag gleich noch einmal live sehen zu können. "Das Feedback war enorm", sind sich alle einig und deshalb soll es so schnell wie möglich noch eine Tour in den Vereinigten Staaten geben.

Christian Stipkovits

Christian Stipkovits

Obwohl Lehnen erst vorgestern aus dem Flugzeug gestiegen sind, war vom befürchteten Jetlag im Studio2 absolut nichts zu spüren. Die dreiwöchige Tour hatte natürlich auch den Effekt, dass jeden Tag zusammen gespielt und geprobt wurde, und das hat man gestern sehr wohl gemerkt. Perfekt sind Joel, Martin, Matthew und Stefan aufeinander eingestimmt, ohne Worte oder Gesten, nur durch zuhören wissen sie genau, was zu tun ist und für ein paar Augenblicke ergibt das alles eine so schöne Einheit, dass man fast glauben möchte es stehe nur ein einziges musikalisches Überwesen auf der Bühne.

Make Believe

"Ich wäre fast aufgesprungen und hätte mitgetanzt", so eine Zuseherin nach dem Auftritt von Lehnen. Und tatsächlich: es ist schwer, bei den mitreißenden Beats ruhig sitzen zu bleiben, obwohl das im Studio2 eigentlich so Sitte ist. Als dann Sänger Joel seine Ärmel aufkrempelt und der Schlafwandler von Sigur Rós in Form eines Tattoos zu Tage kommt, sehe ich das als Bestätigung meiner während des Konzerts immer wiederkehrenden Überlegungen, durch welche Musiker Lehnen wohl beeinflusst werden. Dennoch ist es ein ganz anderer, eigener Sound den Lehnen - auch durch die prägnante und großartige Stimme von Sänger Joel - da erzeugen. Vergleiche zu finden fällt nicht leicht und das kann man den vier Jungs nur als großen Plus-Punkt anrechnen.

Christian Stipkovits

Lehnen haben außerdem auch noch für eine Premiere im Studio2 gesorgt: sie haben Visuals mitgebracht, die auf die altehrwürdigen holzvertäfelten Studiowände projeziert wurden.U-Bahnen rasen über die Leinwand, genauso wie Aufzüge, rückwärtsfahrende Roll-Treppen oder ein reißender Wasserschwall - alles Bilder, auf denen man die Zeit entgleiten sieht. Im Studio2 allerdings schien sie während dem Konzert von Lehnen jedoch still zu stehen, zumindest für die Dauer eines jeden Songs. Fantastisch war das.

Oh, the night had just begun

Nach der Umbaupause betreten Lonely Drifter Karen das Studio2. Auch sie hatten einen, wenn auch nicht so weiten, dennoch sehr komplizierten Anreiseweg. Immerhin wohnen zwei Mitglieder der Band in Brüssel und der dritte im Bunde in Barcelona. "Einen normalen Proben-Alltag, wie bei anderen Bands, gibt es bei uns nicht.", erklärt mir Tanja Frinta, die Lonely Drifter Karen schon vor sieben Jahren als Solo-Projekt gestartet hat und nun schon seit einiger Zeit zusammen mit Marc Melià Sobrevias und Giorgio Fausto Menossi ein Dreiergespann bildet.

Christian Stipkovits

Christian Stipkovits

Ready To Fall

Im Falle der Studio2 Session sind Lonely Drifter Karen einfach schon einen Tag früher angereist und haben so einen ganzen Tag zum Proben gewonnen. Doch Proben bedeutet bei den drei Musikern, die alle nicht nur aus den unterschiedlichsten geografischen, sondern auch musikalischen Richtungen kommen, nicht nur das Durchspielen der schon vorhandenen Songs, nein, da wird noch herumgefeilt und sich in drei Sprachen (oder waren es vier?) beratschlagt, ob jener Akkord auch wirklich passt und ob dieses Riff nicht erst einen halben Takt später einsetzen sollte, damit beim Live-Auftritt dann auch wirklich alles perfekt sitzt. Eine Freude, den drei Profis dabei zusehen zu dürfen.

Christian Stipkovits

Lonely Drifter Karen erzählen Geschichten in ihren Songs. Und wie bei der lieben Oma, die am Bettrand sitzt und den Enkerln Märchen vorliest, ist es auch hier ein rundum gutes Gefühl, dass man beim gestrigen Auftritt verspüren konnte. Von vollkommen neuen Liedern, über alte Hits bis hin zu einem unglaublich gut gelungenen Cover von Kraftwerks "Das Model" war wohl alles dabei was man sich wünschen konnte. So eine charmante Band wie Lonely Drifter Karen gibt es wohl kein zweites Mal, richtig gemütlich war es, so nah an ihnen dran sein zu dürfen im Rahmen der Studio2 Session.

Christian Stipkovits

Christian Stipkovits

A Rooftop Somewhere

"all I want is a rooftop somewhere / far away from the cold night air", singt Tanja Frinta im letzten Song der gestrigen Session. Wohlig warm ist einem ums Herz geworden beim Konzert von Lonely Drifter Karen. Die kalte Nachtluft hat das dahinträumende Publikum beim Verlassen des Studio2s dann leider doch eher unsanft in die Realität zurückgeholt.

Doch die Erinnerungen an diese wunderschöne Session bleiben.

Christian Stipkovits