Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Freies Obst für freie Bürger_innen"

Michael Schmid

produziert Texte und Radiobeiträge für Connected, Homebase & Im Sumpf

30. 9. 2010 - 16:00

Freies Obst für freie Bürger_innen

Mundraub.org markiert herrenlose Früchte auf interaktiven Karten.

Wir wollten Obst ernten, in rauen Mengen. Gratis sollte es sein, das Obst, und bio. Und weil es davon auch in Wien gibt, machten wir uns auf in den Wiener Prater. Körbe hatten wir keine dabei, aber andere Geräte, die uns dabei helfen sollten: Laptop und Mobiltelefon mit Internetverbindung.

Helge Fahrnberger im Prater mit Laptop in der Hand

radio FM4

Helge Fahrnberger hat beruflich ziemlich viel mit Location Based Services zu tun. Er sollte die Plattform Mundraub.org für uns testen.

Mundraub.org

Die Tonnen von Obst, die jedes Jahr von den Bäumen fallen und verfaulen, wollten drei Berliner Freunde nicht mehr ungenutzt lassen. Sie entwickelten eine Internetplattform, wo die vergessenen Obstbäume an Landstraßen oder in verlassenen Gärten auf einer interaktiven Landkarte markiert werden, um sie anderen Menschen ins Bewusstsein zu bringen. Und in Wien sind im Prater ein paar Bäume markiert.

Über 2000 Fundstellen von freiem Obst sind bereits markiert auf der Mundraub-Karte, und täglich kommen 50 bis 100 neue dazu. Das hat mit dem unglaublichen Medienecho zu tun, den das ehrenamtliche Projekt seit Beginn des Jahres in Deutschland ausgelöst hat und noch immer auslöst. Neue Fundorte werden mit GPS-fähigen Geräten vermessen und in die Karte eingetragen. Dort werden dann Mundräuber_innen aus der Gegend auf den Fundort aufmerksam und führen das herrenlose Obst seiner kulinarischen Verwertung zu. Hinter jedem der bunten Markierungspunkten auf der digitalen Karte versteckt sich eine Fundstelle. Apfel, Kirsche, Maulbeere, Mirabelle, usw.: die Liste der zu pflückenden Obstsorten ist lang und wird mittlerweile durch Beeren, Kräuter und Nüsse ergänzt. Auch in Österreich sind bereits Fundorte kartografiert, wenn auch nicht so dicht wie im Nachbarland.

Kartenausschnitt Deutschland/Österreich auf der Mundraub Map

Mundraub.org

Die Mundraub Map

Kirschpflaumen

Unser Mundraub sollte an einem Mirabellen-Baum passieren. Blöd nur, dass wir beide nicht unbedingt vor botanischem Wissen strotzen. Wie schaut sie aus, die Kirschpflaume?

Versuch eins, den Baum zu finden, scheitert leider. Die Mundraub-Website steckt noch in den Kinderschuhen und ist noch nicht wirklich für den mobilen Einsatz auf Smartphones geeignet. Einzoomen zum Beispiel stellt eine ziemliche Herausforderung dar. Also muss der Laptop her. Helges Smartphone wird zum Wireless Hotspot umfunktioniert und so können wir uns die Gegend auf der digitalen Karte genauer anschauen.

Diebstahl?

Früher war Mundraub in Deutschland ein Straftatbestand. In den Siebzigerjahren wurde er im Rahmen einer Strafrechtsreform abgeschafft. Trotzdem bedeutet "herrenlos" aber nicht gleichzeitig "allgemein verfügbar". Und zum Diebstahl wollen die fünf ehrenamtlichen Betreiber_innen der Website auf keinen Fall aufrufen. Nur Obst, das von den Besitzern freigegeben wird, sollte markiert werden. Die Fundorte werden von den Mundräuber_innen geprüft und nötigenfalls gelöscht. Wenn es sich etwa um Streuobstwiesen handelt, oder um eingezäunte Grundstücke, die vom Luftbild aus als solche erkennbar sind.

Hinter dem Projekt Mundraub stecken aber nicht nur praktische Gründe wie einfacher Zugang zu Gratis-Nahrungsmitteln, sondern durchaus auch Idealismus. Mit Mundraub möchten die Gründer_innen den Menschen ihre Landschaft zurückgeben. Gerade in den östlichen deutschen Bundesländern sind viele alte Obstbaumsorten am Verschwinden. Wenn niemand weiß, dass es sie gibt und dass sie gut schmecken, dann werden sie das auch. Vor allem aber wollen die Mundräuber_innen Aufmerksamkeit für gemeinschaftliches Eigentum erzeugen und den Begriff der "Allmende" wieder ins öffentliche Bewusstsein rücken. Also Bereiche, die allen gehören, wo jeder etwas davon nehmen kann. Gemeinschaftliches Gut soll es werden, das herrenlose Obst.

Die Suche

Helge Fahrnberger im Grünen

radio FM4

Irgendwo zwischen Spielplatz und der langen Kastanienallee sollte er stehen, unser herrenloser Obstbaum. So ganz sicher sind wir aber nicht. Die Leute im Prater halten uns mittlerweile für Geocacher, dabei wollen wir nur Mirabellen essen.

Wie sie schmeckt, die Mirabelle, und ob wir sie überhaupt gefunden haben das gibt’s am Donnerstag, 30. September in der FM4 Homebase (19-22h) zu hören. Plus ein Interview mit den Gründer_innen von Mundraub.org.