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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

29. 9. 2010 - 19:23

Bin da, wer noch?

Location Based Services helfen uns Orte, Sachen und Leute zu finden. Wenn wir das wollen.

"Das Medium ist die Botschaft." - Marshall McLuhans beinahe fünfzig Jahre alte These, dass ein Medium seine BenutzerInnen prägt, kann nirgends so schön nachvollzogen werden wie beim Handy. Mobiltelefone haben unser Leben so sehr verändert, dass wir uns eine Welt ohne Handys nicht mehr vorstellen können. Sie übernehmen immer mehr Funktionen unseres sozialen Handelns. Mit Location Based Services (LBS), standortbezogenen Diensten, werden noch mehr Tätigkeiten an das Mobiltelefon ausgelagert.

Am Anfang war das Wort

Bereits das Telefon hat die Kommunikation unabhängig davon gemacht, dass sich zwei Menschen an einem Ort treffen müssen. Mit dem Handy haben wir schließlich die Möglichkeit, diese Art der Kommunikation immer in unserer Hosentasche mitzunehmen, unabhängig vom Standort des Gerätes: man ist überall erreichbar. Die Befreiung von der lokalen Gebundenheit hat aber auch eine Befreiung von der Zeit mit sich gebracht: wir sind nicht nur überall, sondern auch jederzeit erreichbar. Doch keine Freiheit ohne Zwänge. Soziale Erwartungshaltungen bringen uns dazu, dass wir nicht nur überall erreichbar sein können, sondern auch müssen. Das Handy abzuschalten und zum Beispiel für den Arbeitgeber nicht erreichbar zu sein, wird immer schwerer.

Die Entwicklung von Mobiltelefonen ist bald über den primären Nutzen - das Telefonieren - hinausgegangen. Unsere Telefone sind zu unseren Uhren, Terminkalendern, Archiven, Kameras und Entertainmentgeräten geworden.

Standortdaten können über verschiedene Wege ermittelt werden, über GPS, GSM, Bluetooth, RFID etc. Auch dein Mobilfunkbetreiber weiß, wo du dich befindest.

Wenn uns Mobiltelefone vom Ort befreit haben, verorten uns Location Based Services wieder. Sie kommen meist als Applications auf unsere Smartphones und sagen uns, wo wir uns gerade aufhalten und was um uns herum geschieht. Sie beziehen sich auf das Nahe. LBS werden unser Verhalten und unser Wahrnehmen der Umwelt verändern, falls sie das nicht schon längst getan haben.

Auf dem Display sehen wir den Weg zum nächsten Lokal, zum nächsten Kino oder zur nächsten Autobahnabfahrt. Das Handy spuckt dutzende Empfehlungen aus.
Die Entwicklung geht aber weiter: Nicht nur anonyme Dienste sollen uns in der Umwelt verorten und uns Hinweise geben. Empfehlungen sind wirksamer, wenn sie von Freunden kommen.

Wer ist in der Nähe?

Location Based Social Networks sprießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Hier sind über 60 Dienste aufgelistet.

Auch Social Networks haben LBS entdeckt. Facebook und Google haben mit places und latitude eigene Dienste entwickelt. Mobile GPS-basierte Dienste werden als nächste Evolutionsstufe sozialer Netzwerke gehandelt. Sie sollen uns erleichtern, dass wir auch in der realen Welt unsere digitalen FreundInnen treffen können. Dafür müssen diese nicht nur wissen, was wir gerade machen, sondern auch, wo wir uns gerade aufhalten.

Doch wollen wir wirklich, dass alle unsere Facebook-Kontakte wissen, wo wir gerade sind? Wollen wir uns freiwillig überwachen lassen?

eine gelbe Krone auf hellblauem Hintergrund

foursquare.com

foursquares supermayor badge

Dass eine gewisse Scheu besteht, seinen Standort zu veröffentlichen, haben auch die LBS Startups erkannt. foursquare etwa verleiht virtuelle Belohnungen, sogenannte Badges, für die Bekanntgabe unserer Aufenthaltsorte. Das Veröffentlichen des Aufenthaltsortes wird somit zum Spiel - und die Angst vorm Datenschutzmissbrauch marginalisiert. Was sich wenig motivierend anhören mag, hat in den USA schon Wettkampfcharakter mit Suchtpotential angenommen.

Dass persönliche Daten aber so freizügig weitergegeben werden, kann problematisch sein. Die Mitteilungsbereitschaft vieler UserInnen ist erschreckend naiv. Die Websites icanstalku und pleaserobme wollen auf die Gefahren dieser Mitteilungsbereitschaft aufmerksam machen.

LBS strukturieren unsere Umwelt neu. Sie helfen uns Orte, Sachen und Personen zu finden, allerdings geben wir mit Location Based Social Networks auch wieder ein Stück mehr von unserer Privatsphäre preis. Wir sind nicht nur überall und jederzeit erreichbar, sondern alle wissen nun auch, wo wir uns befinden.