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Sarah Seekircher

(Sub-)Urbia und Überall. Reportagen, Hörspiele und andere Hauptsächlichkeiten.

14. 9. 2010 - 17:13

Kontoinformationen

Wie aus dem "Transferkonto" alias "Neidkonto" die "Transparenzdatenbank" wurde - und was diese ominöse Datenbank bringt. Ein "Was bisher geschah..."

Es war im Oktober 2009, als Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll eine Art "Rede an die Nation" hielt und mit einem Detail Verwirrung stiftete: Er schlug ein "Transferkonto" für jede Österreicherin und jeden Österreicher vor. Also ein Konto, das alle Transferleistungen an jeden Einzelnen auflistet - wie zum Beispiel die Familienbeihilfe oder Sozialhilfe.

Von dieser Idee hielt die SPÖ wenig. Wenn schon Konto, dann eines, das auch zeigt, wieviel die Klientel der ÖVP vom Staat bekommt: Sozialminister Rudolf Hundstorfer verlangte in einer ORF-Pressestunde, auch die Zuschüsse an die Wirtschaft und steuerrechtliche Förderungen müssten auf den Tisch gelegt werden. Und in einer Nationalratsdebatte taufte Bundeskanzler Faymann das Transferkonto "Neidkonto", mit dem die ÖVP Sozialabbau argumentieren wolle.

Werner Faymann und Josef Pröll

APA/HERBERT NEUBAUER

Dann griff die ÖVP in die Trickkiste: Sie wollte dem SPÖ-Projekt Mindestsicherung nur zustimmen, wenn die SPÖ im Gegenzug das Transferkonto unterstützt. Im März 2010 einigten sich SPÖ und ÖVP: Es werde die Mindestsicherung geben – und ein Konto: Das hieß ab diesem Moment allerdings nicht mehr "Transferkonto" oder "Neidkonto", sondern „Transparenzdatenbank“. Zurzeit ist der Gesetzesentwurf für die Transparenzdatenbank in Begutachtung; ab kommendem Jänner soll mit der Umsetzung begonnen werden.

Online-Konto

Eigentlich hat diese Transparenzdatenbank ihren Namen gar nicht verdient. Es handelt sich nämlich nicht um eine Datenbank im herkömmlichen Sinn, sondern um ein Abfragetool, das sich hauptsächlich Daten aus schon bestehenden Datenbanken holt: zum Beispiel aus den großen Datenbanken von Sozialversicherung und AMS oder Steuerdaten aus dem Finanzministerium.

Jedenfalls wird jede Österreicherin und jeder Österreicher genauso wie jedes Unternehmen bald ein eigenes Transparenzkonto besitzen, das man online einsehen kann – ähnlich wie beim Internet-Banking. In diesem Konto sind alle Zuschüsse des Staates aufgelistet, die der oder die Einzelne bekommt, nämlich: Sozialversicherungsleistungen (wie Arbeitslosen- oder Krankengeld), Steuerersparnisse (wieviel sich zum Beispiel Stiftungen an Steuern sparen, weil sie steuerbegünstigt sind), Förderungen (zum Beispiel Wohnbauförderung), Transferzahlungen (wie die alte Sozialhilfe oder die neue Mindestsicherung) und Sachleistungen (zum Beispiel, was ich als Studentin oder Student den Staat durchschnittlich koste).

Das persönliche Transparenzdatenbank-Profil kann übrigens nur die betreffende Person einsehen und sonst niemand.

Geldtasche mit Münzen

APA/Robert Jaeger

Zu schön

Schön, dass sich jetzt jeder einen genauen Überblick über all die Zuschüsse machen kann, die man von Vater Staat bekommt. Schön, dass man mithilfe des Transparenzkontos auch bald weiß, welche Sozialleistungen oder Förderungen man beantragen könnte. Da ist vieles nämlich nicht ausgeschöpft. Studien des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung zeigen zum Beispiel, dass 60 Prozent der Berechtigten die Sozialhilfe nicht beantragt haben. Da spielen zwar auch Gründe wie die Angst vor Stigmatisierung mit, trotzdem haben vermutlich nur wenige einen vollständigen Überblick über alle Förderungen und Zuschüsse.

Das ist aber nicht der primäre Grund, warum es bald die Transparenzdatenbank gibt. Welchen Nutzen sie hat, darüber bekommt man bei den Regierungspartnern unterschiedliche Auskünfte."Der wirkliche Erkenntnisgewinn ist die Verteilungswirkung von Sozialtransfers, weil wir das bisher nicht statistisch erfassen", meint der Pressesprecher des ÖVP-Finanzministers, Harald Waiglein. Anderer Meinung ist der Kabinettschef des SPÖ-geführten Sozialministeriums, Jochen Preiss: "Uns ist es immer darum gegangen, diese großen Fördervolumina in der Wirtschaft von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr zu erfassen, weil das hat's bisher noch gar nicht gegeben."

Die Regierung will mit der Transparenzdatenbank Doppelgleisigkeiten und Überförderungen aufdecken. Und zwar, indem sie anonymisierte Auswertungen vornimmt. Interessant wird sein, was für Auswertungen die Politik in Auftrag gibt und was sie mit diesen Auswertungen macht. Wir leben immerhin in Zeiten, in denen angeblich gespart werden muss. Dass Kürzungen die Folge sein werden, leugnen die Regierungsparteien auch gar nicht. "Na was macht ein Arzt, nachdem er ein Röntgenbild hat? Er zieht die richtigen Schlüsse - und so haben wir's auch vor", sagte Bundeskanzler Faymann Ende Juni beim Ministerrat, und Vize-Kanzler Pröll pflichtete ihm bei: "Wenn wir die Konsequenzen sehen, wird doch keiner in Österreich eine Minute verstreichen lassen, um Missstände, die aufgedeckt wurden, sofort zu beseitigen."

Sparen

Wo genau gespart werden soll, da haben Sozialministerium und Finanzministerium unterschiedliche Pläne. Das Finanzministerium hat den Verdacht, dass es zu viele Transferleistungen gibt. Waiglein verweist auf eine Studie von Franz Prettenthaler von der Joanneum Research, die übrigens Ideengeber für das ursprüngliche "Transferkonto" war - und aus der man wisse, "dass man durch Transferleistungen und Förderungen mehr verdienen kann, als wenn man arbeitet".

Das Sozialministerium würde eher bei den Wirtschaftsförderungen sparen. "Bei den Sozialleistungen fehlt mir die Fantasie, wo wir eine Überförderung hätten", sagt Preiss; eher vermutet er Einsparungsmöglichkeiten bei den Wirtschaftsförderungen, wobei "im Wirtschaftsbereich ist es so intransparent, dass ich bis jetzt auch noch keine Fantasie habe".