Erstellt am: 14. 9. 2010 - 15:59 Uhr
Einladung an die Waghalsigen
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Eine "Einladung an die Waghalsigen" sprach Dorothee Elmiger im Sommer beim Wettlesen um den Bachmannpreis aus und war die große Überraschung in Klagenfurt.
"Sehr originell und clever gemachte Prosa, spielerisch und kunstfertig, vif, gewitzt und sehr gut gemacht", zeigte sich die Jury begeistert und letztendlich gab es den zweiten Preis für die 24jährige – und den Preis der Lesemaschine.
© Sam Tyson
Dorothee Elmiger sieht das gelassen und mit einer gewissen Ambivalenz. Natürlich hat sie sich über die Preise gefreut und natürlich ist ihr klar, dass ohne diese Aufmerksamkeit der Text auch nicht so viele LeserInnen gefunden hätte, aber sie fragt sich: "Ist es gut für den Text oder für mich? Manchmal hab ich das Gefühl, dass es gut wäre für Texte, wenn es um sie herum ruhig und still wäre und nicht so ein Lärm. Da weiß ich jetzt nicht, wie viel es dem Text gebracht hat."
Dorothee Elmiger ist keine Schreierin. Ihre Stärke ist in den leisen Tönen, den Zwischentönen. Im späten Herbst litt ich an Atemnot. Ich setzte mich in die dunkle Ecke der Küche und versuchte vernünftig zu sein. Vielleicht hatte ich zu lange der Zukunft hinterhergedacht.
Dort der laute Trash, hier Dorothee Elmiger. Während ich schreib, dachte ich: Es ist offensichtlich vermessen zu schreiben, ich bin viel zu jung. Gleichzeitig: Später ist zu spät, es ist jetzt, immer Jetzt, und Unbedingt.
Dorothee Elmiger wurde 1985 in Wetzikon (Schweiz) geboren und wuchs in Appenzell auf. Sie studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und verbrachte ein Semester am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Seit 2009 studiert sie Politikwissenschaft in Berlin.
Jetzt und unbedingt
Willkommen in der Post-Apokalypse, in einem einstigen Bergbaugebiet. Es gab ein großes Feuer in den Stollen unter einer Stadt, noch immer raucht es hier und dort, nur mehr wenige Menschen leben in diesem kargen nirgendwo. Unter ihnen die Schwestern, Fritzi und Margarete Stein, die Töchter des Polizeikommandanten. Gemeinsam sind sie auf der Suche nach dem Fluss "Buenaventura". Ein weißer Fleck in der Landschaft, von dem sie sich eine hoffnungsvolle Zukunft erwarten. Die eine sucht und sammelt bei Erkundungsgängen in der Natur, die andere in den wenigen Büchern, die in ihrer Wohnung sind.
Zwar suchen sie nach dem Fluss, vielmehr aber nach ihrer eigenen Herkunft, nach der Geschichte ihrer Umgebung und nach der Jugend als solcher.
Die sieht Dorothee Elmiter keineswegs altersabhängig: "sondern mit dem Aufbegehren oder mit dem Wunsch, sich noch nicht zufrieden zu geben." Der könne zwar vielleicht mit dem Alter verschwinden, hoffentlich aber nicht, fügt sie schnell hinzu. "Und ich glaube, man auch im sehr hohen Alter noch sehr jugendlich sein."
Die Jugend ist ein zentraler Begriff in der "Einladung an die Waghalsigen"
"Was ist die Jugend, wann hört sie auf? Wer ist die Jugend, wer könnte die sein, was soll sie tun?" sind die zentralen Fragen, über die Dorothee Elmiger nachgedacht habe.
Knapp und präzise zeichnet Dorothee Elmiger poetische Bilder von der Jugend, und schreibt Sätze, die man immer wieder unterstreichen möchte:
Die Jugend war krank geworden, aber sie hatte sich die Krankheit nicht selbst zuzuschreiben.
dumont verlag
"Einladung an die Waghalsigen" ist kein Roman. Auch Dorothee Elmiger spricht lieber von einer Sammlung. Eine Sammlung aus Zitaten, Fragmenten und Textstücken – und viel Weißraum. Mitunter steht auf einer Seite nur ein Satz.
Der Winter bleibt eine Leerzeile auf dem Bogen Papier, den ich in die Schreibmaschine spannte.
Der Weißraum dieses Buches spiegelt die karge apokalyptische Landschaft wieder, und lässt den Lesenden Raum, die Geschichte selbst fertig zu denken.
"Das wäre meine Wunschvorstellung. Ein Text ist erst dann wirklich ein Text, wenn er von jemandem gelesen wird und so dann die zweite Hälfte noch dazu kommt.Also ich als Senderin und die Person, die das liest, als Empfängerin. Und dann finde ich das ganz gut, wenn das auch so eine Herausforderung ist", so Elminger
Wer hats erfunden? Das Schweizer Fernsehen freut sich über den neuen Shooting-Star in der Literatur
Dorothee Elmiger meint im Interview, sie definiere sich nicht als Schweizerin, mit dem Begriff der Nation könne sie wenig anfangen. "Ich selber würde nicht Schweizer Schriftstellerin sagen."