Erstellt am: 27. 6. 2010 - 14:57 Uhr
Tage der deutschsprachigen Literatur
Das war es also, das große Preislesen. Die ganzen harten Fakten und Details sind hier nachzulesen, ich kann mich also auf das fast noch interessantere Drumherum der Zeremonie konzentrieren.
martin fritz
Der erste Preis wurde gestern schon vergeben, beim Rahmenprogrammpunkt Wettschwimmen im Wörthersee, nebenan ist der wunderschöne, von Vorjahressieger Jo Lendle gestaltete Pokal zu sehen, über den sich Katharina Wilts von Klett Cotta freuen durfte (über die zweiten und dritten SiegerInnen und deren Respektsabstand zu den erfolgreicheren StartInnen schweigen wir uns mal höflich aus). Schon vor Beginn der offiziellen Preisvergabe verkündete das Internet, dass der inoffizielle Preis der automatischen Literaturkritik der Riesenmaschine an Dorothee Elmiger (die im Übrigen in Fernsehen viel kleiner aussieht als in echt, während es bei Hubert Winkels genau umgekehrt ist) verliehen wurde, die dann auch in die Stichwahl um den doch etwas höher dotierten offiziellen Hauptpreis kam, um schlussendlich den Kelag-Preis zugesprochen zu bekommen.
Aber zurück zum Tratsch, Nebensächlichem und Abseitigen: Für großes Erstaunen auf Twitter und in den diversen Live-Chats (die sowohl via Internet als auch auf dem guten alten analogen Weg abgehalten wurden) sorgte, dass Verena Rossbacher nicht in die engere Auswahl kam, von der Jury-Vorsitzender Burkhart Spinnen ja große Stücke hielt (und wahrscheinlich noch immer hält). Großartig fand ich dann diese Kästchen, auf denen die JurorInnen ihre Stimme abgaben (in etwa wie die bei der Publikumsfrage der Millionenshow), um dann (zumindest die BrillenträgerInnen) fachmännisch die Brille abzunehmen und fachmännisch dreinzublicken.
martin fritz
Nach einem komplizierten Regelwerk, das wohl völlig unmöglich zu durchschauen aber sicher weise und gerecht ist, wurden dann Punkte zusammengezählt, Jury-Stimmen begründet und Stichwahlen abgehalten, wo sie nötig waren. Man darf sich das ein bisschen vorstellen wie eine Mischung aus Pferdewetten (oder noch besser: Hundewetten!), Wettkönig-Ermittlung und Diskussion, in welche Kneipe weiterzuziehen ist (und die höchste Schule ist es, mittels Mustererkennung jede Entscheidung exakt vorhersehen zu können, was erstaunlich viele in unserem Wettbüro, äh Pressecafé natürlich, erstaunlich exakt schafften).
martin fritz
Klagenfurt-Nachlese
Das Bachmannpreisträger Peter Wawerzinek, Katja Lange-Müller, Norbert Niemann und Peter Glaser werden gemeinsam versuchen eine Antwort darauf zu finden, was diesen Bewerb ausmacht und aus ihren Texten lesen.
Moderation: Hubert Winkels (Jurymitglied Tage der deutschsprachigen Literatur)
RadioKulturhaus, 28. Juni, 19.30 Uhr
alle Texte zum Nachlesen
Ich gönne Peter Wawerzinek (der von mir noch einen Anerkennungspreis fürs Hemden-Auswahl-Gesamtwerk bekommt – dieser Kragen!) seinen Hauptpreis von Herzen, nur noch lieber hätte ich persönlich Aleks Scholz ganz oben gesehen – aber Ernst Willner-Preis geht ja auch in Ordnung (ebenso wie der 3-SAT-Preis an Judith Zander). Dass Wawerzinek sich beim via Internetabstimmung ermittelten Publikumspreis durchsetzte und nicht mein Favorit Aleks Scholz, kann man sich schön denken, indem man daran denkt, dass so allen KritikerInnen der Wind aus den Argumentationssegeln genommen wurde, die behaupten, im Internet sei bei Bachmann soundso alles Schiebung und in der Kralle der BloggerInnen, die a priori den aus ihren Reihen stammenden Scholz wählen würden.
martin fritz
Viel diskutiert wurde auch, ob Burkhart Spinnen amtsmüde oder nur milde wirkte. Während seiner Abschlussrede machten Spekulationen die Runde, ob er nun seinen Rücktritt ankündigen wurde (wovon dann nicht die Rede war), während wieder andere sich darüber austauschten, dass der Hintergrund des Studios aus Fimo in Rolltechnik hergestellt wurde. Wie jedes Jahr wurde von vielen langjährigen BesucherInnen befunden, dass heuer das Niveau der Texte ein ganz besonders miserables war, eine Meinung, die anscheinend zu Klagenfurt gehört, wie das Schwimmen im Wörthersee. Ich würde eher resümieren: Jetzt kommen dann wieder die weniger interessanten 360 Tage im Jahr.