Erstellt am: 4. 9. 2010 - 10:21 Uhr
Two Days A Week +1
It was perfect, a dream came true
Just like a song by Blink 182
(The Teenagers - Homecoming)
Real
Das Two Days A Week +1 Festival hat durchaus einige Gemeinsamkeiten mit einem Hansi Hinterseer Konzert. Da meine ich jetzt gar nicht nur die Schlagersongtexte von Co-Headliner Simple Plan, sondern eigentlich alles.
Festival ist dort, wo deine Träume wahr werden. Festival heißt, die Realität zu vergessen. Festival setzt sämtliche Rahmenbedingungen außer Kraft und schafft neue. Pop ist dort, wo die Seifenblasen fliegen, ohne dass du dafür zwangsläufig den sprichwörtlichen Bubblegum-Pop-Sound brauchst.
Ich war tatsächlich am Blink 182 Konzert.
Was ich so alles gesehen habe
Wer kein Tagada kennt, muss den Link anklicken bitte.
Ich habe Blink-Schlagzeuger Travis gesehen, wie er bei Carousel auf einem Tagada gespielt hat, auf dem seine Drums montiert sind. Er selbst war mit einem Gurt befestigt, und das Tagada hat sich sogar komplett umdrehen drehen können. Travis war mit den Füßen oben und mit der HiHat-Hand ganz unten. Er ist auch ziemlich tätowiert.
Ich habe gesehen, wie bei der letzten Zugabe aus zwei Riesenkanonen neben der Bühne hunderttausende Papierschnitzel in die Luft geflogen sind. Und wenn du dann gegen das Licht der Bühnenscheinwerfer geblinzelt hast, dann haben die Papierschnitzel ausgesehen, als würden Goldbarren auf dich runterschweben.
Foto: (FMS) Robert Kohlhuber
(FMS) Robert Kohlhuber
Ich habe Menschen gesehen, die lebende Schweine über einen Zaun geworfen haben.
Ich habe Menschen gesehen, die jede Zeit zwischen den Acts dafür verwenden, ein wirklich sehr sehr tiefes Erdloch auszuheben.
Ich habe einen jungen Mann gesehen, der die Jeans bis zu den Füßen heruntergelassen hat, und der auf seinen Körper vier Penisse aufgemalt hat.
Ich habe gesehen, wie Spider-Man das Publikum geteilt hat, und für ein großes Loch im Zuschauerraum gesorgt hat.
Ich habe Hunderte Menschen gesehen, die während des Konzerts von 3 Feet Smaller alle im Kreis rund um den Zuschauerraum gelaufen sind.
Das hat alles keinen Zweck. Deswegen ist es auch so notwendig. Es ist der Festivaleffekt.
Foto: (FMS) David Bitzan
(FMS) David Bitzan
Foto: (FMS) Robert Kohlhuber
(FMS) Robert Kohlhuber
Was möglicherweise jeder ähnlich wahrgenommen hat
Auf den Festivaleffekt bauen Blink 182 ziemlich ausgiebig. U2 haben beispielsweise nur knapp drei Stunden Zeit, die Fans in ein eigenes entrücktes Universum zu ufoportieren. Blink haben den Vorteil, dass die Fans bereits seit anderthalb Tagen nur zweckfreien Unsinn im Kopf haben. Außerdem ist das Publikum bereits bestens aufgewärmt. Sinnvoll zusammengestellte Festivaltage sind mittlerweile ja beinahe eine Seltenheit. Die Abfolge 3 Feet Smaller - All Time Low - Simple Plan - Blink 182 ist in sich überraschend schlüssig.
Da passiert den Headlinern auch kein Waterloo wie 2000, als nach den Deftones alle schon zurück auf den Zeltplatz sind, und sie als letzte Band eine eher spärlich besuchte Show gespielt haben. In den zehn Jahren hat sich einiges verändert. Die Band hat es nicht mehr übertrieben notwendig, die crazy guys raushängen zu lassen.
Verglichen mit den äußerst kontaktfreudigen Simple Plan, der Wuchtelschleuder Alex "Hi, we are All Time Low. We play songs and offend your parents" Gaskarth und der Band mit dem 50-prozentigen Wortanteil, 3 Feet Smaller, sind Blink 182 erstaunlich schmähstad auf der Stage.
Vielleicht sind es die Strapazen einer Europatour, die mit dem Wiesen-Konzert zu Ende geht. Vielleicht sind sie auch bereits gelangweilt von der ewig gleichen Setlist, die sie bei jedem Tourstop spielen. Vielleicht haben sie es auch einfach nicht nötig, weil die Show für sich spricht.
Foto: (FMS) Robert Kohlhuber
(FMS) Robert Kohlhuber
Was die Menschen so erzählen
Ein junger Mann, der sich einen Schnauzbart aufgemalt hat, und eine Schiebermütze trägt, erzählt mir, er wäre über einen Zaun geklettert und deswegen gratis aufs Gelände gekommen.
Eine möglicherweise betrunkene Frau erzählt, dass ihr ein Hund zugelaufen wäre. Ich sehe ihn allerdings nicht. Ihre Begleiterinnen schwören, er wäre eben noch da gewesen.
Eine junge Frau erzählt, sie hätte All Time Low und Blink 182 backstage getroffen. Sie hätten sich alle an den Händen gefasst und hätten im Kreis getanzt.
Ein sehr junger Mann sagt, er wäre bei Blink 182 auf der Bühne gewesen und hätte einen Stagedive-Rückwärtssalto ins Publikum gemacht.
Ein anderer Mann berichtet, dass ihm nachts, als er allein in seinem Zelt saß, das Bier ausgegangen wäre. Dann hätte eine engelsgleiche Frau den Zeltzipp geöffnet, wäre nackt vor ihm gestanden und hätte kühle Getränke dabei gehabt.
Ein über und über tätowierter Mann spricht erbost von einem Bekannten namens Horst, der ihm einen so genannten Bauchklatscher verpasst hätte. Sowas täte höllisch weh.
einöder
einöder
Fragen, die egal sind
Haben Blink 182 überhaupt gespielt? Sind die Fotos gefälscht?
Habe ich die Dinge gesehen, die ich gesehen habe? Haben die Menschen auch tatsächlich erlebt, wovon sie berichten? Sind sie im echten Leben auch so ausgelassen, entspannt und tun sie unvorhersehbare Dinge? Oder sind es vielleicht genau diejenigen, die dir im Bus, am Telefon, am Postamt, als Sachbearbeiter oder auf der Uni das Leben schwer machen? Wenn ja, wovor fliehen sie dann? Vor dir? Machen sie dir das Leben vielleicht nur deswegen schwer, weil du sie in ihre Rolle als Sitznachbar, Telefonistin, Postbedienstete oder Sachbearbeiter drängst? Solltest du im Bus oder am Postamt auch eine FM4-Sprechblase mithaben, auf die du bescheuerte Sprüche schreibst, um den anderen zu signalisieren, dass du eh chillig bist?
- Festivals auf FM4
- Summer's Gone: Review zum Placebo-Konzert von Christian Stiegler
- Two Days A Week
Bist du chillig?
Welche Träume könntest du dir erfüllen, wenn alle Menschen chillig wären?
Und wovor würden die Menschen fliehen, wenn das ganze Leben ein Festival wäre?