Erstellt am: 15. 8. 2010 - 11:04 Uhr
Sommerhoch statt Sommerloch
Wenn man eine Reise tut, so bringt das meist recht viel für die persönliche Weiterentwicklung sowie die Erweiterung des eigenen Horizonts. Dazu muss man nicht unbedingt den Ort wechseln, sondern kann auch auf eine innere Seelenentdeckungsreise oder musikalische Suche gehen, wie es die Gäste unserer dieswöchentlichen Soundparksendung gemacht haben.
Was sie dazu gebracht hat? Warscheinlich jener Drang, der vielen Künstlern innewohnt: Sich verändern zu wollen, der Wunsch, mehr über sich und sein Leben herauszufinden und vielleicht am Ende ein Stück schlauer, gereifter und zufriedener in den Alltag zurückkehren zu können.
Was man dazu braucht? Zeit, Geduld und Mut, sich unangenehmen Fragen und ungewohnten Situationen zu stellen, die angenehme Zimmertemperatur hinter sich zu lassen und sich eisiger Kälte und brütender Hitze auszusetzen, sei es nun auf zwischenmenschlicher, musikalischer oder auch selbstreflektierender Ebene.
Insofern haben alle Gäste dieser FM4 Soundpark Nacht eine lange Reise hinter sich, von der sie Euch erzählen wollen.
Einmal Across The Delta und zurück
Schon der Titel 'Passports & Souvenirs' nimmt das thematische Konzept der zweiten Across The Delta Platte vorweg.
Across The Delta Cover
Im Titelsong, der zugleich das Album eröffnet, finden wir uns auf einem Flughafen in Asien wieder, wie man aus der Lautsprecheransage schließen kann. Zu melancholischen Klavierakkorden erhebt sich die sichere und erhabene Stimme von Johannes Reisinger, der sich mit schönen Gesangmelodien über jegliche Grenzen hinwegzusetzen versucht. Doch dieses, mit kleinem elektronischen Flickwerk untermalte Stück ist nur der zaghafte Vorbote. Zwar schleicht sich der zweite Song 'Everlasting Sound' zu Beginn noch vorsichtig in die Gehörgänge, doch nach wenigen Sekunden setzten das treibende Schlagzeug und die schweren Gitarren ein, die in ihrer ausgefuchsten, vertrakten Rhythmik sofort faszinieren.
Across The Delta
Der Sound und die Poduktion von 'Passports & Souvenirs'
hält internationalen Vergleichen durchaus stand, wobei besonders die detailverliebten, teils komplexen und verschachtelten Songstrukturen auffallen. Erinnerungen an die legendären Neunzigerjahre-Helden Sunny Day Real Estate werden wach, auch wenn der Emo-Aspekt bei den Österreichern völlig fehlt. Dafür geht das Quartett dann doch zu sehr in Richtung poppiger Collage-Sound. Doch auch der steht Across The Delta gut zu Gesicht, wobei mir das längst verflossene, deutsche Klangäquivalent Vivid in den Sinn kommt. Aber egal, Namen sind ja bekanntlich nur Schall und Rauch.
Das zweite Across The Delta Album besticht durch Stilsicherheit und einen durchgängig ausgewogenen Sound, der stellenweise recht glatt ausfällt. Die attestierte Akribie, die einige fälschlicher Weise mit "Verkopftheit" gleichsetzten, ist den vier Jungs nicht abzusprechen. Und doch hat es die Band in den drei Jahren der Produktion geschafft, durch schöne Melodieführung und Ohrwurmqualität auch das Bauchgefühl anzusprechen. Neben dem Highlight 'Machines Working In A Starry Night' besticht die fetzige Single 'Unit Exploded' durch ein sehr liebevoll gestaltetes Video.
Across The Delta führen uns also durch den langen und teils schwierigen Entstehungsprozess von 'Passports & Souvenirs', erzählen von ihren privaten Ausflügen und haben auch die eine oder andere musikalische Postkarte mitgebracht.
Vom Elektropop zum Lo-Fi-Folk
Spring & The Land
Wenn gut Ding Weile braucht, dann sind Marino Acapulco und Jacques Bush wohl die Meister dieses Fachs. Denn sieben Jahre für ein Album sind wirklich eine lange Zeit.
Schon 2002 hat das Duo unter dem schicken Namen Dogboy in der steiermärkischen Szene auf sich aufmerksam gemacht. Doch auch der später gesicherte MySpace Name "realdogboy" half nichts gegen den übergroßen Namensvetter aus den Vereinigten Staaten, der die gesamten Tantiemen für Musik unter diesem Pseudonym einsackte. Also, was tun? Marino und Jacques lassen sich einen neuen Projektnamen einfallen. Und nicht nur das.
Mit einem erzwungenen Neustart streift man sich auch gleich ein abgeändertes Soundgewand über. Sind die Songs des Duos bis dato im Elektropopfach abgelegt worden, so wandelte sich der Stil weg von den künstlich erzeugten Klängen hin zum organischen Sound. Passend zum neuen Bandsynonym Spring & The Land schlüpft man in die verdreckten Lederstiefel, zieht den von der Sonne ausgebleichten Cowboyhut tief ins Gesicht und scheppert mit Schlagzeug, Akustik- und Slide-Gitarre in feinster Giant Sand Manier drauf los. Das erste Lebenszeichen erscheint letztes Jahr in Form einer EP.
Spring & The Land
Die Zauberwörter für den Eintritt in die Welt 'Outside My Window' heißen Psychedelic-Folk, Indie-Country und Lo-Fi-Pop. Das alles servieren uns Spring & The Land natürlich nicht ohne einem verschmitzten Lächeln. Zum Beispiel wenn die beiden Musiker über synthetische Streicher, schrammelnde Gitarren und klirrendem Schlagzeug halb schreiend fragen: 'Who will applaud'? Nur um kurz darauf in der aberwitzigen Hommage 'Dylanesque' eine Säge zum Singen zu bringen (dieser schräge Sound könnte natürlich auch ein Keyboard oder ein kleines Feedback sein, ich bevorzuge allerdings in Gedanken die Holzfällervariante)
Marino und Jacques nehmen die kleine Reise von Graz nach Wien auf sich, um von ihrer großen, langen Verwandlung zu erzählen. Denn die Entwicklung von der Schlafzimmerproduktion zur Band-Studioaufnahme bringt auch häusliche Veränderungen mit sich. Aber das soll uns das Duo lieber selbst erzählen.
Zurück in die Elektrovergangenheit
Nicht ganz Back To The Future, aber deutlich weiter zurück als der Weg aller anderen Gäste dieser Soundparksendung führt uns das klangliche Universum von Robert Glashüttners musikalischer Sozialisation.
Robert Glashüttner
Irgendwie ist es mir bisher noch nicht in den Sinn gekommen, dass der IT-Experte, Games-Profi und Elektronik-Spezialist einen Mix für meine "Back To My 90ies" Serie beisteuern könnte. Das hat nichts mit seiner Kompetenz auf diesem Gebiet zu tun, als vielmehr mit seinem jugendlichen Aussehen. So tauchte nie der Gedanke auf, dass Robert eigentlich auch in den neunziger Jahre in die österreichische Musikszene abgetaucht sein könnte.
Das spannende daran ist, dass Herr Glashüttner im Gegensatz zu vielen meiner Freunde und Bekannten sich nicht die Nächte in Lokalen, auf wilden Schüler- oder Studentenparties und Undergroundkonzerten um die Ohren geschlagen hat, sondern lieber zuhause seinem Gaming-Drang nachgekommen ist. Und das, obwohl man zu dieser Zeit noch nicht via world wide web sich eine zweite, virtuelle Identität aufbauen konnte. Aber genau dieses Interesse für Computer und Spiele brachte Robert auf den Chip-Sound und die harschen Beats, die er bis heute so liebt. Deshalb serviert uns Robert Glashüttner seinen wundervoll krachenden, witzig quitschenden, elegant groovenden und schweißtreibend dancigen Mix der österreichischen Musik seiner Jugend.
Robert Glashüttner "Back To My 90ies Mix":
artist | song | |
---|---|---|
RevoxRevue | That's Entertaintment | |
Urbs & Chaos vs Headhunter | Closer To God | |
Loop Doctors | Keepin' Da Funk Alive | |
Die Mäuse | Hätte, Hätte, Hätte | |
Ilsa Gold | up | |
Wipeout | Biomechanical Loveboat | |
epy | Not confirming | |
bask | Getta Fonky | |
Aphrodelics | Wild Motherfucker Dub (By Richard Dorfmeister) | |
Bannlust | Super Canon 3000 (Ale Diver mix) sabotage |
Von Wien nach Alaska
Bevor die Morgendämmerung die angenehme Nachtatmosphäre langsam aufzulösen beginnt, widmen wir uns einem der Top 5 FM4 Award Finalisten des Amadeus, dem Preis für österreichische Musik. Neben The Incredible Staggers (die schon von Mari Lang in ihrer Sendung mit eine langen Live-Konzert gewürdigt wurden), den zum fünften Mal nominierten Garish, den Drum'n'Bass Produzenten Camo & Krooked, sowie dem Nino Aus Wien, sind diesmal auch Kommando Elefant dabei.
Kommando Elefant
Die beiden musikalischen Charmeure Alf Peherstorfer und Bernhard Luis Pasching waren schon einmal mit einer ausführlichen Listening Session hier zu Gast, die wir anlässlich der Finalnominierung wiederholen. Aber so einfach kommen uns die Elefantenführer nicht davon. Denn davor müssen sie uns ein paar knifflige Fragen zum Amadeus beantworten und ihr Können mit akustischer Gitarre im Studio unter Beweis stellen.
Desweiteren streifen wir durch den FM4 Soundpark, um die neuesten Soundpflanzen und Klanggewächse zu begutachten. Auf dem nächtlichen Spaziergang lauschen wir der Glöckchenstimme der Beat Of Wings, lassen uns von dem reichhaltigen Musikuniversum von Cardiochaos verzaubern und nicken zu den neuesten Grooves von N-Jin.
Convertible
Fast hätte ich noch ein absolut Highlight vergessen: In dieser Ausgabe wird ganz exklusiv ein Mix des neuen, vierten Convertible Albums zu hören sein. Der Tausendsassa Hans Platzgumer lotet darauf mit seiner Band die Tiefen des Songwriting aus, wobei diesmal die obskursten Saiteninstrumente zum Einsatz kommen. Die Platte trägt den geheimnissvollen Namen 'ALH84001' und wird kommenden Oktober auf Konkord erscheinen.
Die FM4 Soundparknachtreise beginnt am Sonntag 15. August um 1:00 Uhr nachts und endet am Montag 16. August um 6:00 Uhr früh. So come along...
PS: Alle, die aufgrund eines Schlafanfalls die Abreise verpassen, die können ab Montagmittag die vollständige Reiseroute hier eine Woche lang akustisch nachgehen.