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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

8. 7. 2010 - 17:03

Jäger und Gejagte

Anlässlich des Kinostarts von "Predators" verbeugt sich die DVD-Kolumne vor zwei der besten Actionhorrorfilme aller Zeiten.

Ich habe an dieser Stelle bereits mehrfach darauf hingewiesen, weiland Alain Resnais hat gar eine ganze Regisseurskarriere auf dieser Einsicht aufgebaut, aber ja: Film ist Erinnerung. Da kann man sich jetzt ganz schnell in philosophischen Gedankenpalästen verlieren, darüber nachdenken, inwiefern jedes Drehbuch, jedes Element der individuellen Vorstellungskraft auf Erinnerungen an bereits Erlebtes basiert, wie viel Fantastisches sich aus Wirklichkeiten ableitet. Man kann aber auch in sich gehen und verstehen, dass Film und damit auch Kino mehr ist als uns die Bestenlisten und Klassikerkanons weismachen wollen, dass da immer ein anarchisches, unberechenbares Element mitspielt: und das ist die gefühlte Erinnerung.

Als Kind und vermutlich auch noch als Jugendlicher nimmt man das Kino unmittelbar als Identität stiftend wahr, hat aber für gewöhnlich auch kein Problem mit einem wilden Ritt, einem Erlebnis, das sich aus nicht viel mehr zusammen setzt als einem coolen Monster, pumpender Musik und schwitzenden Muskelmännern, die im Dschungelgrün um ihr Leben bangen müssen. All die Zerfledderungen der Bausteine, die kritischen Analysen, das Abklopfen der zwei gesehenen Stunden auf Plausibilität und Glaubwürdigkeit, auf Intelligenz und handwerkliches Geschick, all das ist jedenfalls bei mir erst später hinzugekommen. Und irgendwie fühle ich, dass ich dem Kino nie mehr dieselbe Anmut zugestanden habe wie damals, als ich in meinem Souterrain-Zimmer Nacht für Nacht, seltener Tag für Tag aufgesogen habe, was in meinem kleinen Röhrenfernseher schimmerte. Es ist, wie es Heinrich von Kleist in seinem kurzen Text über das Marionettentheater beschreibt, der Tod der natürlichen Anmut, wenn man erst einmal ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass man von allen anderen beurteilt wird – sei es aufgrund des Aussehens oder aufgrund der Filme, die man mag, liebt und verteidigt.

Die Jagd beginnt! (Predator)

Predator, bluray

Fox

Freilich, wenn ich mir heute John McTiernans unverblümt martialischen und waffengeilen Predator ansehe, schlucke ich schon ab und an mal – gleich darauf aber überwiegt das Erinnerungsgewicht jedwede intellektuelle Zweiflerei, zum Glück!, und ich begleite den Major Dutch Schaeffer (Schwarzenegger) und seine wilde Söldner-Bande in die grüne Hölle von Val Verde (so haben im klassischen und postklassischen Hollywood all jene exotischen Orte geheißen, die keine geografische Entsprechung auf dem Erdenglobus finden, die Ausgeburten der Fantasie sind), beobachte nervös das Dickicht, wie es sich bewegt im Wind, weiß auch schon, was sich darin versteckt. Ein außerirdischer Jäger in hochtechnologischer Rüstung, ausgestattet mit einem Tarnanzug, der ihn zu einem so gut wie unsichtbaren "Blur" in der Umgebung macht, und einer Wärmebildkamera, die es den Augen der Kreatur ermöglicht, auch in unserer Welt zu sehen, ihre Beute zu jagen.

Monster

Fox

Der Anzug des "Predators" ist nicht wasserfest: eine der wenigen Schwachstellen des außerirdischen Jägers.

McTiernans erst zweite Regiearbeit - sein endgültiger Durchbruch folgt ein Jahr später mit "Stirb langsam" - ist ein ironiefreier, dennoch humordurchfluteter Bastard von einem Actionfilm. Die Charaktere sind so gusseisern wie aus einem Kriegsgroschenroman: harte, unbeugsame Krieger, gespielt von einprägsamen Soldaten der Unterhaltungskultur wie Carl Weathers, Bill Duke und dem unsterblichen Ex-Navy-Taucher Jesse Ventura, der zwischen seiner Profi-Wrestling-Karriere und seiner Wahl zum Gouverneur von Minnesota einige ausgesprochen denkwürdige Filmrollen ausgefüllt hat: in "Predator" ist sein Blain Cooper, ein Vieh von einem Mann, bewaffnet mit einer M134-Minigun, die bei Bedarf ganze Waldgebiete lichten kann, meine Lieblingsfigur.

Seine stoische, verwitterte Präsenz, seine anfängliche Gleichgültigkeit gegenüber der Hölle, in der er sich befindet, die kündigt sich schon ganz am Anfang an: wenn die Söldnermannschaft zu den Klängen von Little Richards "Long Tall Sally" in den Dschungel geflogen wird und er mit halb geöffnetem Mund, Tabak kauend, fest hält: Bunch of slack-jawed faggots around here. This stuff will make you a god damned sexual Tyrannosaurus, just like me. Später dann, nachdem das Team die gehäuteten Leichen von Green Berets von den Ästen schneidet, auf die sie jemand zum Ausbluten aufgeknüpft hat, nachdem sie ein Guerilla-Lager in einem immer noch atemlos machenden Action-Crescendo in Schutt und Asche gelegt haben, wird Blain in den Arm geschossen, was er wie folgt kommentiert: I ain’t got time to bleed!

Mann, minigun

Fox

Jesse Ventura mit seiner Minigun

If it bleeds, we can kill it, meint Major Dutch und Schwarzenegger verleiht ihm über sein Brecht’sches Nicht-Spiel, die zuckenden Muskeln und die Zigarre im Mundwinkel die Eleganz eines Elefanten. Irgendwann sehen sie die Kreatur dann, allerdings immer nur kurz vor ihrem Tod. Der dritte Akt des Films war bei Beginn der Dreharbeiten noch nicht durchfinanziert: die Oberen von Fox verlangten eine Vorführung des bisherigen Materials, was dann zum Glück zu einem erneuten Geldfluss geführt hat, der McTiernan die Schöpfung der wohl bekanntesten Teilstücke seines räudigen Kriegsfilms erlaubt hat. Schwarzenegger im Zweikampf gegen das Monstrum: der Schlamm auf seinem Körper verschafft ihm einen knappen Vorteil, weil er ihn unsichtbar macht. Feuerkaskaden entschweben in den pechschwarzen Dschungelhimmel, beleuchten die Silhouette des "Predator" mit seinen Dreadlocks, der gerade die Trophäe eines Opfers, dessen Wirbelsäule inklusive Schädel, in die Luft reckt. Über zwanzig Minuten dauert dieser essenzielle Showdown, der dafür mitverantwortlich ist, dass McTiernans Klassiker auch heute noch als ein Höhepunkt des Actionhorror-Genres gilt. Vollkommen zu Recht.

Mann, Monster

Fox

Ein Zweikampf, der Kinogeschichte geschrieben hat: Schwarzenegger Vs. Predator

Predator
Jahr: 1987
Regie: John McTiernan
Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Carl Weathers, Bill Duke, Jesse Ventura
Fassung: Unlängst ist "Predators" in der "Hunter Edition" auf blu-ray erschienen. Zusätzlich zum Film, der wie zu erwarten in großartiger Bild- und Tonqualität vorliegt, befinden sich noch drei Dokumentationen (darunter eine neu produzierte), eine Vielzahl an Mini-Features sowie Audiokommentare auf der Scheibe. Preislich ist sie für knapp unter 20 Euro zu haben und sollte für jeden, der einen blu-ray-Player besitzt, die erste Wahl sein. In Deutschland ist die DVD von "Predator" noch nicht erschienen, alte Editionen gibt's nicht, da der Film bis vor kurzem auf dem Index stand und somit der Verkauf eine strafbare Handlung darstellte. In Großbritannien ist der Film auf DVD allerdings in sehr guter Qualität für weniger als 10 Euro zu haben!

Predators

Als ich also zum ersten Mal gehört habe, dass der großartige Genre-Handwerker Robert Rodriguez, der mit seinem atmosphärisch wuchtigen Beuschelfilm From Dusk Till Dawn den abrupten Genresprüngen in "Predator" Tribut gezollt hat, tatsächlich jenen neuen "Predator"-Film produziert, von dem er bereits seit zwei Jahrzehnten träumt, da war die Freude groß. Der, hab ich mir gedacht, versteht die Dramaturgien dieser 80er-Filme wie kaum ein anderer, der wird sicherlich einen der großartigsten Genrefilme dieses Jahres abliefern. Dann allerdings, als Nimród Antal als endgültiger Regisseur bestätigt worden ist und bekannt wurde, dass Rodriguez "nur" produzieren wird, haben sich meine Hoffnungen wieder zerschlagen. Antal, nach eigenen Aussagen auch ein Fan des Orginals (aber was soll er jetzt auch anderes sagen!?) hat mich weder mit seinem Debüt Kontroll noch mit dem Thriller Vacancy überzeugen können: und ja, sein Predators lässt mich einfach kalt.

Mann, Waffe

Fox

Im Lager der Predators hat Adrien Brody Augenkontakt mit einem seiner Vorgänger.

Wiewohl darin viel Geek-Gimmicks eingebaut sind, die Hierarchie der "Predators" auf ihrem Heimatplaneten, der eigentlich ein einziges Jagdgelände darstellt, eingeführt wird, man sieht, dass es außer den "kleinen" Monstren auch noch höher gestellte "Große" gibt, ihre fein designten Wachhunde durch die Gegend hetzen, stellt sich kein Gefühl ein: keine Spannung, keine Aufregung, kein Enthusiasmus, null Endorphin. "Predators" ist voll gestellt mit Zitaten und Hommagen an das Original, von musikalischen Themen Alan Silvestris, die in den neuen Score eingearbeitet werden, hin zu ganzen Sequenzen, die leicht variiert nachgebaut worden sind. Auch die Schauspieler sind klasse: Adrien Brody ist zwar kein tauglicher Schwarzenegger-Ersatz, aber wenn der schlaksige New Yorker seinen "Ich bin ein Kriegsschwein!"-Blick aufsetzt, geht die Rechnung auf. Danny Trejo, diese Rodriguez-Kampfsau aller Klassen, sehe ich ohnehin immer wieder gern. Insofern fühle ich mich betrogen, nachdem dessen Figur eines mexikanischen Kriminellen fünfzehn Minuten nach Filmbeginn bereits beseitigt wird. WAS!?

Kampf

Fox

Da hat wohl jemand zu oft "Predators" gesehen: Royce (Brody) stellt Schaeffers (Schwarzenegger) Schlamm-Trick nach.

Dem Filmrest fehlt einiges an Spannung, vor allem aber die Lust am Exzess, die Unbedingtheit der Handlungen, die Ironiefreiheit der Dialoge des Originals: hier sucht man knackige One-Liner mit der Lupe. Nicht dass sie den Machern nicht gefallen würden, aber sie fürchten sich offenbar davor, dass ihr "Predators" lächerlich wirken könnte. So ist alles überpinselt mit einer seriösen Atmosphäre, die dieser Franchise nun wirklich nicht gut zu Gesicht steht. Diese Filme sollen Spaß machen, es soll knallen, krachen, das Blut muss spritzen, die Musik muss donnern: ich habe keine Lust, dass mir der großartige Laurence Fishburne in einem zehnminütigen vulgärphilosophischen Monolog die kriegerische Natur des Menschen erläutert. Taten, Leute, ich will Taten sehen. Ist das denn so schwer?

Asphaltdschungel (Predator 2)

bluray cover

Fox

Am Abend nach dieser bitteren Enttäuschung, vielleicht die größte Enttäuschung des Kinojahres für mich, liege ich auf meiner Wohnzimmer-Couch und entschließe mich dazu, endlich mal wieder Predator 2 zu schauen. Den vergisst man ja gerne mal, da er vom ersten Film regelrecht überschattet wird. Statt McTiernan sitzt Stephen Hopkins am Regiestuhl, der ja auch für den soliden fünften Film der "A Nightmare On Elm Street"-Reihe verantwortlich zeichnet: die Handlung wird verlegt in den Großstadtdschungel von Los Angeles, wo diverse rivalisierende Gangs Nachrichten-Reportern sensationelle Schlagzeilen und den Polizeieinheiten schlaflose Nächte bescheren.

Tatsächlich erweitert "Predator 2" die Einsichten des ersten Films, nämlich dass es gar keinen so großen Unterschied gibt zwischen dem außerirdischen Jäger und seinen menschlichen Opfern, und stellt das urbane Soziotop als Haifischbecken aus, in dem so gut wie jeder von irgendwem gejagt wird: News-Reporter jagen Schlagzeilen, Häuser werden überwacht, die Polizei konkurriert mit dem FBI. It’s a hellhouse und mittendrin kämpft ein glorioser Danny Glover als Lieutenant Harrigan um seine Ehre – und ums Überleben. Keiner der Original-Schauspieler hat es in die Fortsetzung geschafft, hinter der Kamera werkeln aber vorwiegend dieselben Talente: die Drehbuchautoren Jim und John Thomas erweitern die Mythologie ihrer Kreation, die Produzenten stellen das Spektakel sicher und Komponist Alan Silvestri variiert die dschungelatmosphärischen Themen aus dem Originalfilm, reichert sie mit härteren, städtischen Klängen an.

Mann

Fox

Danny Glover im Kampf gegen den "Predator": eine der berühmtesten Kreaturen von Design-Guru Stan Winston

Das Resultat ist ein mehr als nur solider Actionthriller mit deftigen Horroreinlagen: Höhepunkte inkludieren den Angriff des "Predator" auf einen vollbesetzten U-Bahnzug, bei dem dann unter anderem Bill Paxton als enthusiastischer Jung-Polizist sein Ende findet, und natürlich der mehr als zwanzigminütige Zweikampf zwischen der Kreatur und Harrigan, der sich zwischen mehreren Wohnhäusern und schließlich im Bauch des unterirdisch geparkten Alien-Raumschiffs abspielt. Dessen fluoreszierende Innenwände und wabenartige Struktur spiegeln das originale Konzept von Creature Designer Stan Winston wieder, der den "Predator" weniger als reptilienartiges Monster (wie in den ersten Designentwürfen empfohlen – Jean-Claude Van Damme war als Body Suit-Schauspieler vorgesehen!) sondern, nach einem Gespräch mit Visionär James Cameron, insektenartig (siehe auch die Kiefer!) angelegt hat.

Mit einem rasiermesserscharfen Frisbee erlegt der Polizist schließlich seinen Widersacher, dessen Mitjäger tragen den Leichnam fast zeremoniell in eine andere Kammer des Schiffs, stellen heraus, dass es hier nicht um eine Invasion, sondern nur um die Jagd an sich geht. Diesmal haben sie eben verloren. Ein Blick in den Trophäenschrank des Raumschiffs ließ seinerzeit Fanherzen höher schlagen: neben einer Kreatur, die den Jagdhunden aus dem aktuellen "Predators" täuschend ähnlich sieht, hängt dort auch einer von Gigers Alien-Schädeln. Somit war bestätigt, dass beide außerirdischen Monstren dasselbe diegetische Universum bewohnen, dass es irgendwann wohl unweigerlich zu einem Aufeinandertreffen der Spezies kommen müsste – und dann erschien Alien Vs. Predator.

Monster

Fox

Die Hunter's Lair aus Predator 2

Predator 2
Jahr: 1990
Regie: Stephen Hopkins
Darsteller: Danny Glover, Gary Busey, Maria Conchita Alonso, Bill Paxton
Fassung: in Deutschland ist "Predator 2" nach wie vor nur in einer gekürzten Fassung erhältlich, in Österreich findet man die Langfassung auf DVD mittlerweile für unter 10 Euro. Wer mehr investieren will, greift zur Bluray des Films, die zum Beispiel in Großbritannien erhätlich ist: die Qualität des HD-Transfers ist hervorragend (allerdings sind auch Bild und Ton der DVD sehr gut!), als Extras gibt's Audiokommentare mit Regisseur Hopkins sowie kleinere Featurettes.