Erstellt am: 17. 5. 2010 - 09:11 Uhr
"Wie bei Forrest Gump"
Was machen eigentlich Fußballer, wenn die Karriere vorbei ist? Das Kreuzband kaputt, die Knorpel lädiert, die Knochen gebrochen. Irgendwann ist es vorbei mit dem Spielen, der eine wird dann vielleicht Trainer, der andere arbeitet im Hintergrund bei einem Verein weiter, der dritte weiß vielleicht gar nicht, was er nach seiner Zeit als Aktiver tun soll. Davon ist beim ehemaligen Spieler beim FC St. Pauli Benjamin Adrion aber keine Spur. Er hat das Projekt "Viva con Agua de St. Pauli" ins Leben gerufen. Ein Entwicklungsprojekt der etwas anderen Art, das auch die noch aktiven Spieler des FC St. Pauli tatkräftig unterstützen.
Ein Projekt aus dem Herzen von St. Pauli.
viva con agua
Von Hamburg bis Kambodscha
viva con agua de st. pauli
2005 befindet sich der FC St. Pauli auf Trainingslager in Havanna. Bei diesem längeren Aufenthalt bekommt die Mannschaft auch die Schattenseiten der so schön wirkenden Insel zu Gesicht. Vor allem die Wasserknapheit bereitet der Bevölkerung auf Kuba große Probleme. Extreme Dürre ist in heißen Monaten keine Seltenheit, aus vielen Wasserleitungen fließt dann oft wochenlang kein Tropfen mehr. Viele Kubaner müssen sich ihr Wasser an Sammelstellen in Kanister abfüllen, wenn der Grundwasserspiegel ins Bodenlose abfällt und die Stauseen leer sind.
fc st pauli
Benjamin Adrion hat die Idee zu einem Spendenaufruf. Er möchte nach dem Trainingslager Geld sammeln, um Brunnenbauten auf Kuba zu unterstützen. Zu dieser Zeit spielt der FC St. Pauli in der Dritten Liga und hat eine Kubakampagne am Laufen. Als Mechandiseartikel gibt es Che-Gevara-Pullis und Fidel-Castro-Mützen, die Kubafahne wird in St.-Pauli-Farben getaucht. "Kampf der Drittklassigkeit - Viva St. Pauli!" nennt sich der Spaß, und ein passender Titel fürs Projekt ist schnell gefunden: "Viva con Agua - Leben mit Wasser". Doch wie das Projekt umsetzen? Schnell ist klar, ohne professionelle Hilfe funktioniert's nicht:
"Am Anfang war es eine Schnapsidee, als wir gestartet haben. Also suchten wir nach einem Partner, mit dem wir gemeinsam die Spenden für einen guten Zweck einsetzen können. Die Welthungerhilfe fand die Idee spannend. Wir waren selber überrascht, dass die Idee mit so einer Kraft gestartet ist und dass wir bisher Wasserprojekte in 14 Ländern realisieren konnten", erzählt Benjamin.
viva con agua de st. pauli
Sämtliche Spenden werden an die Welthungerhilfe weitergegeben. Schon für das erste Projekt auf Kuba konnten insgesamt 50.000 Euro gesammelt werden. Damit konnten in mehr als 150 Schulen und Kindergärten Zugänge zu sauberem Trinkwasser geschaffen werden. Nachdem Benjamin Adrion aufgrund von Sportverletzungen seine Fußballkarriere an den Nagel hängen musste, entschied er sich dazu, weitere Viva-con-Agua-Projekte anzugehen und sucht Verbündete:
"Man lässt so ein neugeborenes Baby ja nicht alleine rumliegen und so konnte ich auch für mich einen neuen Weg nach der Fußballkarriere einschlagen."
Mittlerweile ist aus der einmaligen Aktion eine große Initiative mit vielen Unterstützern geworden. Bis heute konnten fast 1 Million an Spenden lukriert werden. Brunnen in Äthiopien, Ruanda und Kambodscha konnten gebaut werden.
viva con agua
"Das Gute in St. Pauli ist das Netzwerk an Menschen, die hier zusammenleben und dicht mit dem FC St. Pauli verbunden sind. Künstler, Musiker, Fans, Freunde, auch von außerhalb, sind beim Projekt mit dabei."
Natürlich auch die anderen Spieler des FC St. Pauli: Egal ob als Models bei Modenschauen oder beim Benefiz-Weihnachtsingen mit Zipfelmütze. Auch getragene Fußballschuhe werden schon einmal für den guten Zweck versteigert: Denn das, was Viva con Agua auszeichnet, sind die verrückten Ideen, um an Geld zu kommen.
Wasser Marsch!
So sind zum Beispiel 2008 unter dem Motto "Wasser Marsch!" acht Menschen in Forrest-Gump-Manier einmal quer durch Deutschland gelaufen, um auf das Projekt aufmerksam zu machen und Geld zu sammeln. Vor sich her haben sie ein kongolesisches Holzfahrrad, ein Tshukudu, geschoben. Ziel des 39 Tage dauernden Pilgerlaufs:
Geld für Brunnen im Kongo zu sammeln.
viva con agua de st. pauli
Beim Hamburger Millerntorstadion ging's los, wo die Truppe lautstark umjubelt von St.-Pauli-Fans verabschiedet wurde. Ziel war das Eröffnungspiel der Europameisterschaft in Basel. Und am Weg gab es bei den Zwischenstationen Konzerte und Benefizfußballspiele. Bands wie Fettes Brot, Sportfreunde Stiller, Gentleman und Wir sind Helden haben das Projekt bisher schon supportet und sind bei Viva-con-Agua-Events wie den Hamburger Wassertagen umsonst aufgetreten.
viva con agua
viva con agua
Jeder kann helfen!
Viva con Agua sieht sich als offenes Netzwerk, bei dem jeder und jede dabei sein kann. Jede Kleinigkeit zählt. So gibt es selbstorganisierte Gruppen, die Pfandbecher im großen Stil auf Festivals sammeln und das gewonnene Geld dem Verein spenden. Mittlerweile kooperieren über 40 deutsche Festivals mit Viva con Agua unter dem Motto "Gib uns deinen Pfand zurück", zum Beispiel das South Side und das Hurricane Festival. Einfach seinen leeren Pfandbecher in die große Sammeltonnen schmeißen und fertig. Außerdem kann jeder, der Lust hat, ein eigenes Event zu Gunsten von Viva con Agua veranstalten - mit den nötigen Kontakten zu Bands, wie den Sportfreunden Stiller und einem großen Netzwerk als Support, das Viva con Agua zur Verfügung stellt.
Und seit kurzem kann man auch Viva-con-Agua-Wasserflaschen kaufen. Der Gewinn geht nicht an igendeinen Konzern, sondern 94% aller Einnahmen werden an die Welthungerhilfe weitergegeben.
Viva con Agua zeigt, dass auch aus kleinen Schnapsideen tolle Projekte entstehen können. Und das ganz ohne große Gelder und fettes Marketingbudget, wie Benajmin Adrion stolz erzählt:
"Dass Viva con Agua so groß geworden ist, verdanken wir vor allem den Leuten im Umfeld des FC St. Pauli. Dieser Impuls, diese Dynamik ging aus dem Stadion, aus dem Fanumfeld los. Das ist das besondere und unvergleichliche an diesem Projekt. Die Energie, die die Fans da hinein gebracht haben."