Erstellt am: 6. 5. 2010 - 15:09 Uhr
Something For The Weekend
Was abseits der Open Air Stadtfeste so geht, steht einerseits hier, andererseits auf termine.orf.at/fm4.
Für dieses Wochenende stehen zwei Dinge auf dem Programm, die einerseits sehr ähnlich und dann wieder grundverschieden sind.
Sowohl in Graz als auch in Wien feiern sich Musikszenen mit Augenmerk auf Indie- und Gitarrenlastiges.
Das Popfest findet dieses Jahr zum ersten Mal statt. Der Lendwirbel zum mittlerweile dritten Mal. Beide Partys dauern ein paar Tage, sind gratis, open air und legen großen Wert aufs Representen einer lokalen Kreativszene.
Do, Fr, Sa, So / Popfest / Karlsplatz / Wien
und
Noch bis Sonntag / Lendwirbel / Lend / Graz
Lendwirbel / popfest
Zugegeben: so richtig vergleichen kannst du die zwei Feste nicht. Das Popfest hat zum Zeitpunkt der Drucklegung (oder wie man da im Internet sagt) noch nicht einmal begonnen. Trotzdem sagen die Programmatik, die Organisation und so einiges aus.
Das wars dann aber auch schon wieder mit der Gemeinsamkeit.
Der Lendwirbel, das ist die coolste Blockparty Österreichs. Rund um Lendplatz und Mariahilfer Straße gibts in Graz fantastische Geschäfte, Lokale und Menschen. Die einen sagen Hipsterauflauf dazu, die anderen ein wenig tongue in cheek Creative Industries. In den Ruinen eines ehemaligen Arbeiterbezirks, dem die Identität durch Wegfall von (naja...) Arbeit, die von so genannten ArbeiterInnen gemacht wird, abhanden gekommen ist, haben sich zuerst Rotlichtlokale, dann Wettbüros und MigrantInnen niedergelassen. (Un-)Gegenden, die du sicher kennst, wenn du auch nur ein einziges Mal in einer ein wenig größeren Stadt warst.
Mit dem Unterschied, dass die Cevapcici-Buden und Zuhältercafés nicht irgendwo an der Peripherie sondern in Fußmarschweite der großen Kulturattraktionen sind, die rund um 2003 aus dem Boden gestampft worden sind. Und dass sie (kausal oder nicht, bin ich mir nicht sicher) sympathische Bars, eine DIY-Szene (formally known as Kunsthandwerk) und allerlei kreative Hansdampfs als Nachbarn haben.
Genau dieser Block feiert sich einmal im Jahr selbst. Soll heißen: Die Verkaufsgeschäfte platzieren ihr Zeug auf der Straße, die Bars stellen Bänke raus wie bei einem Feuerwehrfest. Die Cevapcici-Bude kommt mit dem Grillen nicht nach und all die Künstler und Kreativen lassen sich von Schnitzeljagden über Installationen bis zu Filmscreenings allerlei Klamauk einfallen.
Und alle kommen: Der upperclass etepetete Wirtschaftsstudent, der sein Bier ausnahmsweise am Lendplatz trinkt. Die bosnische Familie mit den Kleinkindern schaut interessiert. Kids lassen sich schminken. Und deine Eltern finden das ganze auch irgendwie herzig.
So viel zu Vergangenheit und Gegenwart im Lend. Zur Zukunft siehe hier.
Bühnen gibts dieses Jahr keine, weil das sonst wie ein Festivalspektakel ausschauen würde.
Ein Block, der allein schon aus geografischen Gegebenheiten eine super heterogene Szene darstellt, feiert sich also selbst mit einer Art riesengroßem Tag der offenen Tür.
Alexander Karelly (lupispuma.com)
karlsplatz.org
In Wien ist das irgendwie anders.
Klar, da gibts Interessensgruppen, die sich Dinge wie den Gürtel Nightwalk einfallen lassen. Da gibts Musik- und Kreativlabels, die immer mal wieder gemeinsame Sachen machen. Aber das ist immer entweder sehr durchschaubarer Marketing-Gag, zu dem du trotzdem hingehst. Oder halt unterhalb einer Szenen-Wahrnehmungsschwelle.
Lendwirbel beziehungsweise Neubauwirbel beziehungsweise Praterwirbel gibts in Wien trotzdem keinen. Sei es, weil Wien einfach zu groß ist für solchen Nachbarschaftsunfug und sich die so genannte Szene über 23 Bezirke aufteilt. Sei es, weil durch die Größe der Stadt jede Nische ohnehin ihr Publikum hat und dadurch bequem im halbsichtbaren Untergrund operieren kann, ohne von szeneunkundigem Volksfestpublikum belästigt zu werden.
Das Popfest hat sich nun zur Aufgabe gemacht, all die Acts und Künstler auf die große Bühne zu stellen. Sie rauszuholen aus der Szenehängematte. Herrn und Frau Wiener mit dem zu konfrontieren, was in den Probekellern, In-Lokalen und Clubbühnen bislang ohne sie funktioniert hat. Sprich: Wien seine eigene Musik näherzubringen.
In den Foren und auf den Barhockern des Indie-Universums machen sich schon die Mauler breit. A Life A Song A Cigarette haben wir schon 100 Mal gesehen! Wie öd: schon wieder dieselben Acts! Ans Indie-Universum richtet sich das Popfest aber auch nur in zweiter Instanz. Diejenigen, die ohnehin immer auf den Konzerten sind, die ohnehin die gleichten Twitter-Nachrichten verfolgen - sprich die Szenenmenschen an sich, sind hier nicht das Publikum sondern Teil der Show.
Die Show - das ist ein Tag der offenen Tür für all diejenigen, die zwar mit den selben U-Bahnen fahren, die selbe Stadt bewohnen und einen ähnlichen Erfahrungsschatz mit der Stadt teilen, die sich aber niemals in die Flucs, die Bunkereien oder Chelseas verirren.
Das Popfest hat das einzig Richtige gemacht, und gemeinsam mit Schlüsselfiguren aus dem Konzertumfeld eine Werkschau auf die Beine gestellt.
Allfällige andere Terminhinweise bitte hier ins Forum oder via Mail an update.fm4@orf.at
Schlüsselfiguren wie Siluh-Bernhard, Seayou-Ili, Fettkakao-Andi oder Problembär-Stefan. Menschen, bei denen im Seitenblicke-Interview zwar als Insert Labelbetreiber stehen würde, die aber in Wahrheit viel mehr sind. Leute, die sich kaum ein Konzert der Stadt entgehen lassen, deren Handykontaktnummern für ein fünfbändiges Who-is-Who der Wiener Indie-Szene ausreichen würden, und die um halb drei auf der Tanzfläche total abgehen, weil sie Enthusiasmus und Liebe für die Musik mitbringen.
Vielleicht kommen Herr und Frau Wiener aber auch gar nicht. Vielleicht sind tatsächlich wieder dieselben Menschen unter sich, bloß halt mehr auf einmal. Aber selbst dann hätte das Popfest einen Zweck erfüllt:
Alles zum Popfest auf FM4:
http://fm4.orf.at/popfest
Nämlich dass ein Knotenpunkt mitten in der Stadt für ein langes Wochenende den vielfältigen Popszenen gehört. Dass sie ein Wochenende lang in der Auslage stehen. Dass all die Musik, die sie lieben, wie selbstverständlich zum kulturellen Aushängeschild einer Stadt wird, genau wie das Theater in der Josefstadt, die Würschtel am Donauinselfest und das Johann-Strauß-Denkmal. Dass die Stadt Wien mit dem Popfest ihre Definition von Pop unterstützt. Und nicht den Popbegriff, den uns Fernsehshows und Gaga-Radio verordnen.