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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

30. 4. 2010 - 18:30

Requiem for Detroit

Vom Lärm der Fließbänder über Motown und Rock City zum Hitek Soul, der Maschinenmusik der Techno Pioniere.

"Requiem for Detroit" ist auch der Titel einer abendfüllendev Doku von Julien Temple über die Miserie der ehemaligen amerikanischen Wirtschaftsmetropole.

Die Autometropole Detroit wurde in den letzten fünfzig Jahren zum Sinnbild für das Scheitern eines Wirtschaftssystems, zum Synonym für innerstädtischen Verfall und segregative rassistische Stadtplanung. Plakativ könnte man sagen: Dort wo der amerikanische Traum begann, an den Fließbändern der Ford Fabriken, die die Stadt einst reich und groß gemacht haben, dort endet er auch, in den verfallenen Lagerhallen und leeren Siedlungen von Detroit.

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Ein paar statistische Fakten reichen, um das Ausmaß des Desasters zu erahnen: Die Stadt ist für zwei Millionen Menschen konzipiert, heute leben nur mehr Achthundertausend dort. Detroit hat eine Analphabetismus-Quote von 47%. 2009 schlossen in Detroit 29 Schulen. Pro Nacht werden 70 leer stehende Häuser und Fabriken niedergebrannt.

scott Hocking, Ziggurat

J-Dilla
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Andererseits brachte diese Stadt aber auch die spannendsten, revolutionärsten und utopischsten Musiken des letzten Jahrhunderts hervor: The MC5, Iggy and the Stooges, Detroit Techno mit Vertretern wie Jeff Mills, Juan Atkins, Derick May, Underground Resistance, Hip Hop MCs wie Eminem oder Beat-Genies wie Dilla - alle stammen sie aus dieser kaputten Industrieruine einer Stadt und haben durch ihre Arbeit den Struggle kommentiert und nach außen getragen und auch ein neues Bild von Detroit geschaffen.

Wegen der damals boomenden Auto- und später auch der Waffen-Industrie kamen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hunderttausende Afroamerikaner aus den armen Südstaaten nach Detroit. Mehrheitlich arbeiteten sie in den Fabriken, schnell bildete sich aber auch eine höchst aktive Musikszene mit vielen kleinen Indielabels und Clubs. Berry Gordy und seine Firma "Motown", die innerhalb weniger Jahre nach Plan tatsächlich zu "Hitsville USA" wurde, sind bis heute die bekanntesten Namen, wenn es um Soulmusik aus der Metropole am Lake Erie geht.

Trotz des Erfolgs von Motwon war Detroit aber nach wie vor eine segregierte Stadt, ein Freeway-System trennte weiße von schwarzen Wohngegenden. Electrifying Mojo, ein Radio-DJ begehrte Ende der 70er Jahre mit seinen Mixen gegen diese rassistische Trennung auf und sollte so auch zum Geburtshelfer von Detroit Techno werden.

The Electrifying Mojo begann, eben aus dem Vietnam Krieg zurückgekehrt, ein neues Konzept von Funk über den Äther zu schicken. Er setzte sich über die Apartheitskonzepte der Radiostationen hinweg, weiße Musik für ein weißes Publikum, schwarze Musik für ein schwarzes Publikum zu spielen. Electrifying Mojo brachte in seinen Mixen James Brown mit Pink Floyd zusammen, The Clash mit Aretha Franklin und er war auch der erste, der der "Motor City" Detroit, deren Fließbänder schön langsam begannen still zu stehen, den Maschinen-Funk von Kraftwerk vorspielte.

Juan Atkins, Derrick May, Kevin Saunderson und Jeff Mills, der bald als The Wizard in Mojos Show auflegen begann, saßen damals als Teenager vor den Radiogeräten. Der Sound, den sie später schufen, ging als Techno um die Welt.