Erstellt am: 7. 4. 2010 - 14:40 Uhr
Walled in but breaking out
Die Wiener Galerie Inoperable zeigt von 8.4. bis 1.5. 2010 mit Walled In Arbeiten junger israelischer KünstlerInnen und bietet damit einen Überblick über die aufstrebende Tel Aviver Street-Art-Szene.
Zugegeben, die Namen sprühen nicht gerade vor großem Wiedererkennungswert. Vielmehr sind es die Lackdosen, die sprühen. Die bei der am Mittwoch in Wien startenden Ausstellung "Walled In" Mitwirkenden tun dies in der sekulärsten und für viele Menschen auch modernsten Stadt Israels, in Tel Aviv. Auch dort ist Street Art als Kunstform in den letzten Jahren stetig gewachsen. In Tel Aviv sehen die Artists sich allerdings als von der restlichen Welt abgeschnitten. Street-Art ist ein junges Phänomen für ihre Stadt, eine spannende Kunstart, die rasant im Wachsen begriffen ist.
Mehr als Graffiti
Wer sich mit den Biografien der Mitwirkenden ame 72, Broken Fingaz, DoverD, Foma <3, Klone Yourself, Know Hope und zero cents befasst, wird nur wenige Angaben über Personendetails finden. Street Art will zwar gesehen und ernst genommen werden, die KünstlerInnen wollen jedoch aus nachvollziehbaren Gründen ungern als juristische Personen erkannt werden. Die wahre Herausforderung besteht darin, Paste-Ups (vorgefertigte Designs auf Papier, die mit Leim an die Wand geklebt werden), Stencils (vorgefertigte Schablonen zwischen Spraydose und beliebiger Hauswand) und Zeichnungen unterscheidbar zu machen; einen Stil zu kreieren, der im Idealfall eindeutig dem Pseudonym zugeordnet werden kann.
So ist es nicht verwunderlich, dass viele Street Artists erst Serien erarbeiten und diese dann an die Wände publizieren. DoverD fing so mit der Gas Mask Series an, Tel Aviv in Spraylack zu tauchen. DoverD gibt sich zögerlich, einen eigenen Stil zu beschreiben, sondern lässt Ideen und Materialentscheidungen für sich sprechen. Es wird nicht nur gesprayt, auch Acryl, Graphit- und Kohlestifte kommen zum Einsatz.
Inoperable
Auch die spannendste Spielart von Street-Art, Installationen, sind bei DoverD Stilmittel. So hat sie eine Polizeiabsperrung entwendet (nur für ganz kurz, honest, Officer!), mit hellrosa Farbe lackiert, pinke Blumen angebracht und dann (sag ich doch, Officer) wieder in die Straße gestellt. So werden mitunter bedrohlich wirkende Gebrauchsgegenstände mit geringem Aufwand und einer gehörigen Portion Gewieftheit zum gesellschaftlichen Statement im öffentlichen Raum.
Street Art als gesellschaftspolitisches Statement
Es ist diese Mischung aus Statement und Witz, die Street Art ihre Besonderheit gibt. Street Artists befassen sich gewiss auch mit politischen und gesellschaftlichen Themen - man denke nur an die pazifistischen Stencils vom bekanntesten Protagonisten Banksy, der auch schon in Israel Wände bemalt hat. Im von Israel besetzten Westjordanland besprayte er die von Israel 2003 errichtete Sperrmauer zwischen palästinensischen und jüdischen Gebieten in Ramallah, an der ein Mädchen mit Heliumluftballons empor- und hinwegzuschweben "droht".
Angesichts des Ausstellungstitels steht zu erwarten, dass ""Walled In"" auf die politische Situation im Nahen Osten Bezug nehmen wird. Die Kuratoren sprechen bei der Wahl des Titels von einem "ironischen" Wortspiel. Die KünstlerInnen unterstreichen diesen Wunsch, den Passanten ein Lächeln im grauen City-Alltag zu entlocken.
Die Meisten in dieser zusammengewürfelten Gruppe sind um die 25 Jahre alt, bis auf ame72, der eigentlich Brite ist, und mit Jahrgang 1972 wohl zu den ältesten und erfolgreichsten Künstlern gehört. Er malte vom Himmel fallende Frösche auf von palästinenischen Raketen bombardierte Häuser in Ashkelon. In Betlehem malte er ein Lego-Männchen ohne den lächelnden Mund, und fügte die Frage "Where is the missing Peace?" hinzu. Auf die Frage, ob seine Kunst auch politisch sei, reagiert er zwar nicht ausweichend, aber durchaus zögerlich. Er möchte lieber, wie er sagt, "auf Missstände und Absurditäten zeigen", als dezidiert politische Seiten einzunehmen. Die pazifistische Haltung schlägt einem förmlich ins Gesicht.
Inoperable
Inwieweit die Ausstellung "Walled In" politisch sein wird, darauf kann gespannt gewartet werden. Unweigerlich wird jede/r Israeli damit konfrontiert Stellung zu beziehen, sobald der Heimatort zur Sprache kommt. Mit diesem Stigma spielt "Walled In" und erzeugt so eine gewisse Spannung. Aber die darf nicht zur Erwartungshaltung werden. Was in jedem Fall erwartet werden kann, ist ein Sample der sehr jungen Street-Art-Szene in Tel Aviv. Sie bricht aus.