Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ist die Kirche jetzt wegen §278a dran?"

Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

19. 3. 2010 - 16:50

Ist die Kirche jetzt wegen §278a dran?

Viele Straftaten plus arbeitsteilige Hierarchie plus erheblicher Einfluss auf die Politik = Kriminelle Organsiation?

Die eigenartige Anwendung des so genannten Mafiaparagrafen war in den vergangenen Monaten auf FM4 ja immer wieder ein Thema.

Ach ja: Im Neon hab ich gelesen, dass auch Beyoncé den §278a nicht so cool findet.

Noch bis Anfang April wird einer Gruppe von Tierschützern am Landesgericht in Wiener Neustadt der Prozess gemacht. Weil einigen von ihnen Sachbeschädigung und Nötigung vorgeworfen wird, soll nun die gesamte Partie wegen der Bildung einer Kriminellen Organisation hinter Gitter.

Sowohl politisch Aktive als auch Rechtsexperten halten die Anwendung des so genannten Mafiaparagrafen im Strafrecht in diesem Fall für bedenklich. Würde man §278a auch in Zukunft so auslegen, wäre bald jedes (nicht partei-)politische Engagement als kriminelle Organisation mit Strafe bedroht. So sehen es zumindest einige Aktivistinnen von Euromayday, die ich vor einiger Zeit zu diesem Thema interviewt habe: "Bei den Hausdurchsuchungen wurden Transparente und Flugblätter gefunden. So etwas haben wir auch daheim. Das Verfängliche an dem Paragrafen ist, dass er auch ganz unverfängliche Leute treffen kann."

Wie daneben ist also der Paragraf 278a? Könnte da, beispielsweise auch die katholische Kirche mit den aktuellen Missbrauchsfällen als Kriminelle Organisation vor Gericht kommen?

Ich hab dazu mit Professorin Petra Velten gesprochen, Institutsvorstand für Strafrecht an der Johannes Kepler Uni in Linz.

Die hat zuerst einmal lachen müssen. Weil sie nämlich zugeben musste, über diese objektiv wohl recht abstruse Idee selbst schon einmal nachgedacht zu haben: "Das dürfte daran scheitern, dass es keine Ausrichtung der Gesamtorganisation darauf gibt. Wenn man mit den gleichen Maßstäben messen würde, die die Justiz im Bereich der Tierschützer anwendet, die ich persönlich aber für eine falsche Auslegung halte, dann könnte man darüber diskutieren."

Ich hab mir aus dem Gesetz den umstrittenen Paragrafen 278a rausgesucht. Link!

Der § 278a

Radio FM4

auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet?

Juristendeutsch ist immer schwierig zu verstehen, aber konkret gehts da um vier Punkte. Und wir stellen uns zu jedem dieser Punkte einmal die katholische Kirche vor:

  • Erstens gehts da um eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung, mit Hierarchie, Arbeitsteilung und gemeinsamer Infrastruktur.
  • Zweitens darum, ob die Organisation auf eine wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen ausgelegt ist (wenn auch nicht ausschließlich)
  • Drittens um das Anstreben von Einfluss auf die Politik (bzw Wirtschaft bzw um Bereicherung in großem Umfang).
  • Und viertens darum, dass sich die Organisation auf besondere Art und Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versucht.

Zumindest ist das so, wie wir Hobbyjuristen uns das so überlegen. Problematisch wirds bei der Argumentation, ob die Gesamtorganisation nun auf die Begehung von Straftaten ausgelegt ist (wenn auch nicht ausschließlich): Im Tierschutzprozess wird damit argumentiert, dass zwar nicht die Gesamtorganisation, aber doch einzelne Mitglieder dieser Organisation die Begehung von Straftaten (wie etwa Nötigung) zum Ziel hatten.

Die Strafrechtsexpertin Petra Velten vergleicht: "Bei den Tierschützern sagt man auch, da gibt es eine militante Kleingruppe, die ist darauf ausgerichtet. Das reicht für die Gesamtorganisation. Da könnte man einen Unterschied zur Kirche sehen: Das ist keine In-Group die auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist, weil die untereinander keine Verbindungen hat. Da handelt es sich um einzelne Leute."

Allein daran, dass selbst die katholische Kirche scheinbar nur haarscharf am Gesetzestext der Kriminellen Organisation vorbeischrammt, lässt sich der (zu) weite Spielraum, der 278a der Justiz überlasst, ablesen. Das Gesetz gibt hier keine eindeutigen Anhaltspunkte, sondern überlässt (fürs österreichische Strafrecht ungewöhnlich) vieles dem Ermessen des Richters.

Eine andere Kritik betrifft die sehr vage Formulierung der Straftaten in Ziffer 1. Für schwerwiegende Straftaten, wie Mord, Körperverletzungen, erpresserische Entführung, Luftpiraterie und dergleichen gibt es ohnehin die Paragrafen 278b und 278c.

Was tun?

Schon seit längerem gibt es die Forderung, in Ziffer 2 ein einziges Wort auszutauschen. Würde es da nicht alternativ um die Bereicherung der Organisation ODER den Versuch, Einfluss auf die Politik auszuüben gehen, wären politisch aktive Gruppen, die sich nicht bereichern wollen, schon aus dem Schneider. Ginge es kumulativ um Einfluss UND um Bereicherung der Gruppe wäre der Paragraf dann tatsächlich auf mafiöse Strukturen beschränkt.

In der Realität dient 278a momentan als Ermittlungsparagraf. Da das Gesetz mit der Kriminellen Organisation im Vergleich zum restlichen Strafrecht schon sehr weit im Vorfeld einer Tat angesiedelt ist, reicht schon ein vager Verdacht, dass eine Gruppe in Zukunft wahrscheinlich Straftaten begehen möchte.

Sprich: die Polizei kann bereits ohne Vorliegen einer handfesten Straftat Ermittlungen, Überwachung oder Hausdurchsuchungen durchführen oder Untersuchungshaft verhängen.

Oft genug wird eine Anklage nach 278a schnell wieder fallen gelassen, weil Ermittlungen eine Anklage wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Nötigung ermöglichen.

Für Strafrechtlerin Velten ist die Möglichkeit für prozessuale Zwangsmaßnahmen im Strafrecht falsch aufgehoben: Man kann nicht andere Leute einer Strafe unterwerfen, damit die Polizei ein Ermittlungsinstrumentarium hat. Ich bin auch, was die Ausdehnung der Ermittlungsinstrumentarien betrifft, sehr skeptisch, wir müssen uns einfach damit abfinden, dass wir die totale Sicherheit nicht bekommen, denn man erkauft komplette Sicherheit immer mit Totalüberwachung."

Kurzum: Der Paragraf 278a dürfte bei der Kirche genauso wenig ziehen wie bei den Tierschützern. Bloß halt, dass die noch bis Anfang April in Wiener Neustadt vor Gericht stehen.