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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

18. 3. 2010 - 14:07

Innerkirchlicher Flächenbrand

Wolfgang Bergmanns Roman "Die kleinere Sünde" über einen Missbrauchsskandal korreliert mit aktuellen Ereignissen. Ein Interview über Loyalitätsansprüche und warum ein Kirchenaustritt für ihn nicht in Frage kommt.

Wolfgang Bergmann ist das was, man uneingeschränkt einen Medienprofi nennen kann. Neben seiner Beschäftigung als Geschäftsführer bei der Tageszeitung "Der Standard" hat er vor allem auch im Umfeld der katholischen Kirche einiges an Erfahrung im Bereich Medienarbeit sammeln dürfen: Er war Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Caritas und Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien, man kann also durchaus von einem Kirchen-Insider sprechen.

Buchcover des Romans "DIe kleinere Sünde"

Czernin Verlag

"Die kleinere Sünde" ist im CzerninVerlag erschienen

In seinem Roman "Die kleinere Sünde" wird elegant und kunstgriffig die Geschichte eines Medienarbeiters erzählt, der, ebenfalls im Umfeld der Kirche tätig und schwer gläubig, einen zwanzig Jahre alten Missbrauchsfall aus seinem Knabeninternat als Buch veröffentlicht. Fast schon in einer Art Henne-Ei Selbstspiegelung wird dieses Buch im Buch vom erfundenen Journalisten Norbert Kranzel so beschrieben: "Wenn ein Kirchen Insider und ehemaliger Schüler eines Knabenseminars einen derartigen Stoff wählt, liegt die Vermutung nahe, dass reale Geschichte verarbeitet wird, zumal die Institution gehörig Fett abbekommt". Noch nie hat sich eine Katze eleganter selbst in den Schwanz gebissen, am Ende brennt im Buch sogar die Votivkirche. Im Interview spricht Wolfgang Bergmann über Loyalitätsansprüche, die Medien-Strategie der Kirche und warum ein Kirchenaustritt für ihn nicht in Frage kommt.

Norbert Kranzl, die Hauptfigur in ihrem Buch, deckt einen Missbrauchsskanadal an sehr hoher Stelle auf; da drängen sich ein paar Fragen auf, etwa: Warum haben Sie sich für die Fiktion entschieden, wo so viele reale Fälle anliegen und wie ist die Zeitkorrelation mit den aktuellen Ereignissen?

Die Idee zu dem Buch ist vor 2 1/2 Jahren entstanden, von damals stammen auch die ersten Notizen dazu. Es ist eine fiktionale Geschichte, die natürlich Bezug nimmt auf tatsächliche Ereignisse. Dass die Veröffentlichung des Buches jetzt mit den aktuellen Ereignissen zusammenfällt war so weder geplant noch erwartet. Man könnte auch nicht ein Buch auf das hin schreiben. Es zeigt vielleicht nur, dass ich damals schon instinktiv gespürt habe, dass hier ein großes Thema schlummert, das nicht aufgearbeitet ist und das noch ausbrechen kann und wird. Wenn ich das fiktionale Bild von brennenden Kirchen verwende, dann ist das heute traurige Wirklichkeit. Das, was sich jetzt innerkirchlich abspielt ist ein Flächenbrand.

Sind Sie ein sehr gläubiger Mensch?

Ich bin gläubig, ich bin Theologe und ich bin ein praktizierender Katholik in meiner eigenen Pfarre.

Der Protagonist ihres Buches kämpft unter anderem auch mit seinem Loyalitätsanspruch,wieviel von ihnen steckt in dieser Figur und wie schwierig ist es, als überzeugter, gläubiger Katholik, seiner Kirche so Dinge reinzusagen?

Missbrauch und die katholische Kirche
(18. März 2010)

  • Stephan Bazalka, Vorsitzender der Katholischen Jugend und Hubert Feichtlbauer von der Plattform "Wir sind Kirche"sind in Connected zu Gast und diskutieren mit Euch über Austrittswelle und Reformstau in der katholischen Kirche.
  • Alex Wagner hat mit dem Bundesjugendseelsorger Markus Muth gesprochen, wie er als Priester mit der medialen Berichterstattung über die Missbrauchsaffäre umgeht

Die Frage der Loyalität stellt sich natürlich, darf man denn so ein Buch schreiben? Es gibt auch ein paar Passagen, in denen der Protagonist mit so einer Frage ringt und ich glaube, es gehört zur Loyalität zur eigenen Institution, dass man nichts zudeckt, sondern sich den Dingen stellt. Das ist der einzig glaubwürdige Weg, den die Kirche jetzt auch gehen kann.

Sie sind neben ihren Engagements im Umfeld der katholischen Kirche auch Geschäftsführer der Zeitung "Der Standard". Wie ist es in diesem Umfeld, ich nenne es jetzt mal links-alternativ, sich zur katholischen Kirche zu bekennen. Ist das schwieriger geworden?

Nein. Erstens sind wir ein sehr offenes, liberales Haus mit einer pluralistischen Bandbreite an Meinungen und Ideen,wo jeder auch den Standpunkt des anderen achtet - und das ist glaub ich genau das, was wir an gesellschaftlichem Boden brauchen. Und außerdem müssen die eigenen Glaubensüberzeugungen unabhängig davon tragfähig sein, ob das jeweilige Bodenpersonal den Job richtig oder falsch macht.

In Ihrem Roman bekommt Norbert Kranzel nach der Veröffentlichung seines Buches auch Drohungen. Ist das tatsächlich etwas, das die Menschen, die jetzt an Enthüllungen beteiligt sind, fürchten müssen?

Die Drohungen, die Kranzel bekommt, sind ja keine institutionellen Drohungen, sondern Drohungen von kirchlichen Gruppierungen, Eiferern, die ja keine persönlichen Bedrohungen sind, sondern Belästigungen, E-Mail-Ketten, Terror-Anrufe und so weiter. Uns sowas gibts schon, ja. Was jetzt bei den aktuellen Fällen passiert, weiß ich nicht, aber es gehört schon zu meinem Erfahrungsschatz, dass Menschen, die hier kritische Worte gefunden haben, attackiert worden sind und als Nestbeschmutzer bezeichnet wurden. Sie würden sich an der Kirche versündigen und man müsse um ihr Seelenheil bangen.

Sie haben schon viele Tätigkeiten im Rahmen der katholischen Kirche ausgeführt, sie waren Gründungsgeschäftsführer von Radio Stephansdom aber auch Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Wien. Was läuft denn in der Medienstrategie der Kirche gerade zumindest suboptimal?

Strategie ist vielleicht ein zu großes Wort, noch dazu, wenn man es auf die Gesamtkirchen anwenden will. Was schon zu beobachten ist, ist, dass die österreichische Kirche und die Erzdiözese Wien doch sehr offen und offensiv an das Thema herangeht, mit eigenen Stellungnahmen und Schuldbekenntnissen. Wenn die Bischofskonferenz sagt, man habe zuviel auf die Täter geachtet und zu wenig auf die Opfer, dann ist das schon eine sehr selbstkritische und auch mutige Aussage. Gleichzeitig erleben wir bis dato ein Schweigen Roms. Es ist zwar eine Stellungnahme angekündigt, aber das dauert alles furchtbar lange. Im Medienzeitalter können Tage wie Jahre empfunden werden. Es wird hier noch sehr viel davon abhängen, wie Rom Position bezieht.

Trotzdem hat man das Gefühl, dass die Offenheit von der Sie jetzt sprechen die Offenheit derer ist, die mit dem Rücken zur Wand stehen.

Dieser Vorwurf ist berechtigt. Das ist wahrscheinlich auch das große Problem, dass man ein heißes Thema, von dem man wusste, viel zu oberflächlich behandelt hat und eben gedacht hat, man kann sich da noch irgendwie herauswursteln.

Wenn Sie jetzt eine Strategie entwerfen müssten, wie man jungen Leuten die Kirche wieder schmackhaft machen kann, auf welche Bereiche würden sie setzen?

Der Hauptvorwurf mit dem die Institution zu kämpfen hat, ist der Vorwurf der Doppelmoral - Wasser predigen und Wein trinken - und wenn man hier nicht zu einer Authentizität, zu einer Öffnung kommt, dann wird man dauerhaft ein Problem haben.

Glauben Sie, dass sich auch an der hierarchischen Struktur etwas verändern wird oder muss?

Zwischen müssen und werden gibt es nochmal einen Unterschied und vor allem kennt die Kirche sehr, sehr große Zeiträume, in denen sich etwas zu bewegen beginnt. Aber was man erkennen kann, ist, dass diese Zuspitzung, wie wir sie nur in der katholischen Kirche kennen. Dass der Papst einerseits aber auch der Bischof in sich alles vereint: Legislative, Exekutive und Justiz und noch dazu der oberste Spiritual einer Bewegung, das ist alles auf einzelne Personen und letztlich auf eine Person zugeschnitten. Das muss nicht so sein, das steht nirgends, dass das so sein muss. Und wenn man da nicht zu neuen Formen kommt, wird diese Institution immer weniger steuerbar sein.

Gibt es ein Szenario, bei dem Sie sagen würden, wenn der Papst das tut, dann trete ich aus der Kirche aus?

Nein, für mich hat sich diese Frage in der Form noch nicht gestellt, weil ich immer der Ansicht bin, wenn man für Veränderungen eintritt, dann kann man das nur von innen heraus. Und sobald man austritt, überlässt man die Institution sich selbst.