Erstellt am: 13. 3. 2010 - 12:23 Uhr
Lerchenfeld revisited
Acht Monate bedingt. So lautet das noch nicht rechtskräftige Urteil gegen den Polizisten, der im vergangenen August einen 14-Jährigen bei einem Supermarkteinbruch erschossen hat. Falls es bei dieser Strafe bleibt, hätte das keine Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn des Polizisten. Denn supendiert wird man der Polizei erst ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Unter den Jugendlichen in Lerchenfeld sorgt das milde Urteil für heiße Diskussionen, allerdings nicht vor dem Mikro. "Nein, dazu sage ich nichts", bekomme ich immer wieder zu hören, wenn ich nach Florian P. frage und nach dem heutigen Urteil. Das Thema ist den Jugendlichen zu heiß, es geht ihnen emotional zu nahe. Und: Sie befürchten weitere Schwierigkeiten mit der Polizei zu bekommen, falls sie sich in der Öffentlichkeit zu viel darüber aufregen.
FM4/wutscher
Lerchenfeld, das Ghetto?
Als der 14-jährige Florian P. vergangenen August bei einem Supermarkteinbruch von einem Polizisten erschossen wird, gehen die Wogen hoch: Das Kremser Stadtviertel Lerchenfeld wird von den Medien zum Ghetto aufgebauscht. Von den ansässigen Jugendlichen heißt es, sie seien asozial und kriminell und sie würden nur auf der Straße herumhängen.
Der Medienrummel wird aber auch genutzt, um auf die Situation in Lerchenfeld aufmerksam zu machen. So meint etwa Chefstreetworkerin Manuela Leoni: "In Lerchenfeld sieht man die Jugendlichen vermehrt auf der Straße, weil sie wirklich null Platz haben, sich irgendwo aufzuhalten."
Die LerchenfelderInnen sammeln Unterschriften für ein Jugendzentrum, über 900 werden es. Diese werden medienwirksam der Kremser Bürgermeisterin übergeben. Diese verspricht rasch zu handeln und ein Jugendzentrum einzurichten.
FM4/wutscher
Der Medienrummel hat sich mittlerweile gelegt, Lerchenfeld ist wieder von der Bildfläche verschwunden. Aber hat sich dort mittlerweile etwas für die Jugendlichen getan? Gibt es einen Ort, wo sie hinkönnen?
Busthaltestelle statt Spielplatz
An diesem kalten Winternachmittag ist in Krems Lerchenfeld fast niemand auf der Straße. Der Spielplatz, Jugendtreffpunkt im Sommer, ist verwaist.
Irmi Wutscher
An der Bushaltestelle treffe ich ein Grüppchen von TeenagerInnen. "Uns ist kalt.", meinen die Mädchen. "Wir fahren jetzt in die Stadt." Was sie dort machen werden, wissen sie noch nicht genau. "Irgendwas, keine Ahnung, uns ist fad hier." - "Ins Gasthaus setzen", schlägt ein Junge vor. Auch wenn man kein Geld hat. "Einfach hineinhocken. Das ist das Gescheiteste, was man machen kann."
Irmi Wutscher
Denn in Lerchenfeld gibt es um diese Zeit nichts, wo sie hinkönnen. "Es gibt keinen Treff für die Jugend", erklären mir die Jugendlichen. "Wir haben eigentlich nichts, außer das Seeyou." See You, das ist die Mobile Jugendarbeit der Stadt Krems. Die StreetworkerInnen kommen immer wieder mit dem Bus vorbei. Und sie haben erreicht, dass bei der Volksschule ein Container aufgestellt wurde. Montag bis Freitags ab 18 Uhr steht er den jungen LerchenfelderInnen offen. Sie bekommen Essen und Trinken, können Spiele spielen oder mit den StreetworkerInnen reden. Aber nachmittags oder am Wochenende wissen sie immer noch nicht, wohin.
Diskussionen um das Jugendzentrum
* Alle Namen geändert
Der Container ist ein Anfang, aber nicht genug, findet Clara*, eine der Mütter, die bei der Unterschriftenaktion für das Jugendzentrum dabei war. "Der Container, das ist keine Umgebung für Jugendliche. Sicher, im Winter wenn es draußen kalt ist, können sie sich dort versammeln. Aber ich finde das nicht OK, ich hätte ihnen da einen anderen Raum gesucht."
FM4/wutscher
Letzten Sommer hatte es noch geheißen, für ein Jugendzentrum könnten Gemeindewohnungen zu Verfügung gestellt werden. Ob in die Richtung etwas passieren wird, weiß in Lerchenfeld aber niemand. "Wir haben seit letzten Sommer nichts mehr davon gehört. Wir wissen nur aus der Zeitung, dass SeeYou mit der Bürgermeisterin da gerade heiße Diskussionen hat.
Die Kremser Chefstreetworkerin Monika Leoni meinte dazu im Ö1 Mittagsjournal, dass die ersten Intentionen in diese Richtung von offizieller Seite eingeschlafen seien. Ähnlich argumentiert aber auch das Kremser Rathaus: Bürgermeisterin Ingeborg Rinke war für ein Statement nicht erreichbar. Aus ihrem Büro hieß es, man habe das Gefühl, das Interesse an einem Jugendzentrum sei abgeflacht. Es habe zwar einen Arbeitskreis gegeben, zu dem seien aber irgendwann keine LerchenfelderInnen mehr gekommen.
In Lerchenfeld sieht man das anders: "Die Bürgermeisterin hat uns zurückgewiesen, dadurch dass sie mit See You so viel streiten", sagt Paul*, er hat selbst für das Jugendzentrum Unterschriften gesammelt. "Und sie hat gesagt, sie will das Jugendzentrum in Lerchenfeld nicht bauen." Auch Clara findet es rätselhaft, dass die Bürgermeisterin jetzt zu dem Thema nichts mehr sagen will. "Eigentlich hat sie immer gesagt, sie steht hinter der Jugend. Bis jetzt hat man davon aber nichts gesehen."
Die Lerchenfelder Jugendlichen hoffen jetzt, dass mit dem Prozess ihr Stadtteil wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommt. Und sie so doch noch die Chance auf ein richtiges Jugendzentrum haben.