Erstellt am: 3. 3. 2010 - 20:38 Uhr
Fußball-Journal '10-9.
Zum Vergleich: eine nachträgliche Analyse samt Ausblick von derstandard.at:
Der ÖFB und vor allem das Trainerteam seiner A-Nationalmannschaft hat es sich selber zuzuschreiben, dass jetzt bei jedem Länderspiel ein Phantom-Team miteinlaufen wird, in dem jene Spieler stehen, auf die Constantini und Co zu verzichten glauben können.
Heute lautet es: Manninger (Gspurning); Garics, Stranzl, Ertl (Markus Berger), Ibertsberger; Harnik, Jürgen Säumel, Prager, Ivanschitz (Lexa, Bahadir, Korkmaz, Junuzovic, Manuel Weber); Hoffer, Maierhofer (Pichlmann, Stankovic). Anm.: Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nochmal zur Erinnerung der Kader zum heutigen Spiel:
Tor: Christian Gratzei (Sturm), Helge Payer (Rapid).
Verteidigung: Aleksandar Dragovic (Austria), Paul Scharner (Wigan/ENG), Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg), Christian Fuchs (Bochum/DEU), Sebastian Prödl (Werder/DEU).
Mittelfeld: David Alaba (Bayern/DEU), Julian Baumgartlinger (Austria), Veli Kavlak, Christopher Drazan, Christopher Trimmel (Rapid), Jakob Jantscher (Sturm), Mario Reiter, Patrick Wolf (Neustadt), Ekrem Dag (Besiktas/TUR).
Angriff: Daniel Beichler (Sturm), Marc Janko, Roman Wallner (Salzburg).
Absage wegen Verletzung: Christoph Leitgeb (Salzburg), Andreas Hölzl (Sturm), Jürgen Macho (LASK), Emanuel Pogatetz (Middlesbrough/ENG).
Gesperrt: Yasin Pehlivan (Rapid).
Verletzt: Rubin Okotie (Austria), Ronald Gercaliu (Neustadt), Mario Kienzl (Sturm).
Entschuldigt, aus diesem gutem Grund: Martin Harnik (Düsseldorf/DEU).
Dazu kommt noch der U21-Schattenmann Marko
Arnautovic, der mit einem mehr oder weniger im Alleingang gewonnenen Vorspiel zusätzlichen Druck auf Picky Didi ausübt.
Der haut sich mit seinen undurchdachten Sprüchen, seinen dauernden Spitzen und seinen verbalen Untergriffen systematisch die Basis mit letztlich bald allen Spielern zusammen. Und durchbricht damit die eigene Forderung (Kritik intern üben!) permanent, ist also als Fußball-Lehrer irgendwie gescheitert.
Das haben die aufgebotenen/nominierten Scharner, Pogatetz, Prödl und Dag auch schon zu spüren bekommen.
Zum Spiel jetzt:
Österreich spielt mit Gratzei (1) im Tor, mit Dag (19) als rechtem Verteidiger, mit Scharner (16) als halbrechtem und Dragovic (2) als halblinkem Innenverteidiger, Fuchs (5) links. Davor im defensiven Mittelfeld Schiemer (3), halbrechts und Baumgartlinger (14) halblinks, Beichler (18) auf der rechten Außenbahn, Kavlak (22) auf der linken. Und vorne im Sturm das Angriffsduo, das sich Huub Stevens in Salzburg gar nicht so oft zusammenspielen lassen traut: Wallner (7) und Neo-Kapitän Janko (17).
Also immerhin mit zwei echten Außenverteidigern; was ja gar nicht so selbstverständlich ist.
Die Dänen kontrollieren das Spiel von Beginn an, bei der vorsichtigen Variante mit 6 ausschließlich defensiv Orientierten und dem daraus resultierenden taktischen Loch in der österreichischen Mittelfeld-Zentrale, auch kein Wunder.
Das geschieht dann auf der anderen Seite.
Und zwar aus einer Standard-Situation (nein, das gibt's nicht!!) in der 12. Minute - hat man das etwa (erstmals in der Ära Constantini, ich muss hier nicht extra erwähnen, dass diese Unsitte ein zentrales Ceterum Censeo meiner Klagen über die Fauligkeit des Systes Constantini ist) geübt - kaum glaublich!
Kavlak zirkelt den Ball von halblinks rein, Scharners 1. Versuch wird geblockt, Schiemers zweiter nudelt sich irgendwie rein. Schiemer hatte in der 5. Minute in einer ähnlichen Szene eine Halbchance.
Ich erschnuppere ein System... Kann das denn sein?
Dass die Dänen aus einer vergleichbaren Situation (auch Freistoß-Cross, auch von links) durch Kröldrup in der 15. nicht den Ausgleich sondern nur einen Lattentreffer schaffen: Glück. Zwei Minuten später ist es dann soweit: Bendtner-Superstar köpft nach einem Corner von Krohn-Dehli problemlos ein.
Zu Null, jaja...
Constantinis ein wenig törichte "Zu-Null"-Forderung hat sich damit schon wieder erübrigt.
Morten Olsens Dänen spielen mit Kapitän Sörensen (Stoke) im Tor, davor eine stabile Viererabwehr mit Silberbauer (2, Utrecht), Kjaer (3, Palermo), Kröldrup (4, Fiorentina) und Jessen (5). Davor mit Kvist (6), Daniel Jensen (7, Werder) und Kahlenberg (8, Wolfsburg) drei fast gleichberechtigte Lenker zwischen Defensive und Offensive. Links außen Krohn-Dehli (10), rechts Rommedahl (7, Ajax) und vorne im Angriffszentrum eben Nicklas Bendtner (9, Arsenal). Im Gegensatz zum 4-1-4-1 der dänischen U21 ist das eine Art 4-3-3.
Und sie kontrollieren das Spiel, trotz Gegentreffers weiter.
13.500 Zuschauer sind offiziell dabei, das sind nicht viele, okay, es ist kalt im Stadionrund.
Wallner hängt jetzt zurück, um dieses gefühlte Loch in der Zentrale - denn weder Schiemer, der geht nur bei Standards vor, noch Baumgartlinger sind Typen wie Kahlenberg, die neben den Defensiv- auch noch die Offensiv-Aufgaben wahrnehmen können. In Österreich vermag das aktuell gerade Leitgeb, der ja leider angeschlagen ist. Prager und Manuel Weber könnten das auch, aber... egal.
Und noch mehr Standard-Situationen
Und schau, was so ein paar gelungene Standards aus einem technisch feinen Kicker wie Veli Kavlak machen - sie geben ihm den Mut (wie in der 32.) von halblinks die rechte Stange anzuvisieren. Also hat auch eine scheinbar simple Arbeit durchaus Mehrwert-Nutzen.
Und schau, der Typ der in Deutschland so viele Direktfreistöße gemacht hat, der auch gemeckert hat gegen die Außenverteidiger-Niedermache des Dietmar Constantini, der Christian Fuchs halt, der gibt einen guten Corner rein, auf den Kopf des kleinen Roman Wallner, der gar nicht mithüpft, sondern sich eher kleiner gemacht hat - und wieder ist der Ball im Tor.
Und wieder war's - wie bei allem, was gefährlich wurde - eine Standard-Situation. Unglaublich, was?
Jaja, die Dänen probieren viel herum. Da sind vom Stamm, der die WM-Quali geschafft hat, nur sieben dabei, da werden etliche Neulinge und Fast-Neulinge ausprobiert, aber immerhin. Trotzdem hör ich sie schon, die
Pausenmusik, zumindest in den Schlagzeilen der Aufplusterer: Österreich ist Weltmeister!
Nach der Pause kommt mit Rieks (15, statt Rommedahl) kommt noch so ein Newbie, dazu Lumb, der Linksverteidiger von Zenit (12, für 5 Jesse).
Natürlich kann jetzt passieren, was auch schon das Vorspiel der U21 ab der 70. Minute völlig vergatscht hat: dass zuviele Test-Wechsel alles verderben.
Die zu ziehenden Lehren sind allerdings meiner Meinung nach jetzt schon klar.
1) Standard-Situationen weiter trainieren und verbessern. Etwa für jedes Länderspiel zwei neue Tricks lernen.
2) Außenverteidiger stabilisieren - entweder durch starke Außen davor oder ein sicheres und spielerisch starkes zentrales Mittelfeld. Beides war heute nicht der Fall. Kavlak war zwar forsch und gut, aber Beichler ist ausgefallen (auch weil er rechts halt ein Fehlgriff ist). Und die zwei Zentralen sind zu abwehrorientiert.
Dag und Fuchs meiner Ansicht nach sehr gut, beide.
3) Das ewige Loch zwischen Mittelfeld-Zentrale und Angriff schließen. Hängt eh mit Punkt 2) zusammen. Geht nur mit einem modernen Profil eines versatil einsetzbaren Spielers, einer Art universellen 8ers. Seine letzten drei Trainer haben Chrstoph Leitgeb dazu gemacht, sonst... siehe auch weiter oben.
4) Janko die Abseitsregel beibringen, sicherheitshalber auch Wallner, der vergisst sie auch alle halben Jahre wieder.
Janko vergibt in der 55. Minute allein vor Sörensen, zut alors!
Das hat auch damit zu tun, dass die Dänen in der 2. Halbzeit nicht mehr so dominant sind wie in der 1.Hälfte (was die rosabebrillten österreichischen Analysten allesamt weggedrängt haben und morgen nicht mehr wissen werden wollen). Man spielt aktuell auf Augenhöhe.
Dann ein wichtiger dänischer Moment, vergleichbar mit dem Debut von Alaba: Christian Eriksen, 18jähriges Wunderkind bei Ajax, kommt aufs Feld. Und plötzlich, durchaus unabhängig von dieser Einwechslung, drücken die Dänen wieder los. Dann kommt allerdings der junge Lekic für Bendtner, und das deutet doch draufhin, dass Morten Olsen das Resultat sehr wurscht ist - er will wissen, wer für die WM taugt.
Stars and Friends
Sehr böse Menschen, von denen ich mich heute nachmittag schon distanziert habe, behaupten ja (nicht nur im privaten Giftspritzen, sondern durchaus auch öffentlich in Foren), dass die späte Einberufung von Patrick Wolf, dem braven Flügelspieler, nur dazu dienen würde an dessen Marktwert zu schrauben, und ein Freundschaftsdienst für seine Agentur wäre.
Davon halte ich wenig.Wolf entspricht genau dem Ideal Constantinis - ein schneller Flügelläufer. Was der dann soll, hat sich im ÖFB-Trainerstab noch niemand so richtig überlegt, weil es ja keine Philosophie, kein System , kein Gar-Nix gibt, weil Sich-was-überlegen als unmännlich belächelt wird. Aber: dieses ein wenig plump hingestellte Ideal ("I brauch Spieler, de wos schnöi seind!") erfüllt der manchmal tapsige Wolf.
Deswegen ist er da, jetzt auch auf dem Feld, der Patrick Wolf (11), statt Wallner, was bedeutet, dass er rechts rackert, Kavlak nach links geht und Beichler in die Spitze vorrücken darf. Vielleicht hänt Beichler, der ja auch ein Mittelfeld-Hirn hat, auch im offensiven Zentrum. Schaden würde es nicht.
Prödl (15) kommt in einem Positionswechsel für Dragovic; wegen der Spielpraxis und auch wohl um Werder zu zeigen: der ist uns wichtig. Was genauso ein strategischer Einsatz ist, wenn man das böswillig betrachtet.
Alabismus und Dagismus
Dann, in der 73. Minute David Alaba (6, mit neuer Frisur) statt Veli Kavlak, den der Oberschenkel plagt. Und es ist nichts Ungewöhnliches mehr dran. Der Youngster darf auch für die großen Bayern spielen, warum nicht hier. Und gleich seine erste Volley-Flanke hat diese freche Klasse, die heute nachmittag schon bei Arnautovic zu spüren war, dieser Alabismus eben.
Alaba ist zwar ein Seitenspieler, aber er wäre einer, der dieses mittlerweile von allen zu spürende Loch in der Zentrale (das eventuell auch nur ein Loch der Abwesenheit von Verantwortungs-Übernahme sein könnte) zu füllen.
Peter Schöttel auch hier, sehr fleißig der Mann.
Mein Spieler des Abends ist Ekrem Dag.
Endlich sein Teamdebüt gegeben, mit 29, obwohl er das schon mit 24, damals noch bei Sturm, verdient gehabt hätte. Aber damals war die Zeit noch nicht reif in einem doch immer noch xenophoben Umfeld, in dem die wenigen Ausnahmen als Ausrede dafür herangezogen wurden, die serbokroatischen oder türkischen Talente wegzudrücken.
Als Rechtsverteidiger gut gespielt, okay in der Defensive (obwohl Krohn-Dehli einer der besten Dänen war), und mutig in der Offensive, gute Vorstöße dort.
Und das, obwohl er bei Besiktas aktuell ganz was anderes spielt, hauptsächlich im Mittelfeld.
Gut, dort spielerte auch der Scharner, und auch das ist den ÖFB-Coaches wurscht. Die werden sich doch nicht vom "Ausland" vorschreiben lassen, was sie zu tun und lassen haben, als fleißige österreichische Österreicher... Hoppala, jetzt tu ich überinterpretieren.
Ende einer Serie
Sollte man nicht. Auch Christopher Trimmels Nummer 9 bedeutet nicht, dass er ein Goleador ist. Obwohl: sein erster Fehlpass hat mich durchaus an Krankl erinnert.
Ich fürchte, dass von diesem Spiel nicht die von mir angesprochenen Punkte mitgenommen werden, die "verbessern!" schreien, wenn man weiterkommen will, sondern dass sich die Verantwortlichen auf dem Erfolg die Serie verlorener Jahres-Auftaktspiel gebrochen zu haben, ausrasten wollen.
Zumal jetzt ja eh einmal monatelang gar nix passiert, ehe es im Frühjahr noch genau ein Testspiel gibt (in Mai gegen Kroatien).
Das am Beginn angesprochene Phantom-Team war nicht auf dem Platz. Obwohl viele davon einem echten Nationalteam immer noch guttun würden; auch weil die Personaldecke (und das hat man heute durchaus gemerkt) so dünn ist. Mindestens 10 der dort genannten brächten durchaus eine Qualitätssteigerung.
Und die sollte das Ziel sein, in jeder Hinsicht, nicht nur beim Verbessern der bislang katastrophalen Bilanz der Standard-Situationen - anstelle des aktuellen Schlecht- und Schiachredens, das der Teamchef in den letzten Wochen als Dauerfeuer vom Stapel ließ.