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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

4. 3. 2010 - 12:53

Oh! Inglourious Feinkost

Bratwürstel essen und dabei die Vergangenheit bewältigen.

Oh! - Irritationen im Alltag

Im Special-Interest-Treffpunkt "Biomarkt", wo es immer etwas eigenartig riecht und man die Menschen kennt, weils immer die selben sind, stehe ich zwischen Produkten aus der ganzen Welt und will nicht mehr. Ich hab die Nase voll von Steinpilz-Pesto-Variationen und Reisnudeln in Schmetterlingsform. Ich möchte etwas Ordentliches, etwas Bodenständiges. Etwas, das mich an zu Hause erinnert, an den Geschmack von Heimat und Futterneid am dicht gedrängten Mittagstisch. Ich möchte Schweinsbratwürstel mit Sauerkraut.

Gedankenblase mit Schweinefleisch

Radio FM4

Doch die Verpackung verwirrt. "Aus 100% DE-Schweinen!" steht drauf. Ich dreh die Packung um - hergestellt in Deutschland, teilt sie mir mit - und versteh nicht, was dieser Internet-Sprech auf so einem analogen Ding zu suchen hat.

Und plötzlich ist es klar.

Bei "Deutschen Schweinen" denkt man inzwischen an etwas ganz was anderes als das, was man gerne zwischen den Häuten einer Wurst vorfinden möchte. Auch "Schweine aus Deutschland" kann man nicht mehr schreiben. Tja, gewisse historisch bedingte Sprach-Sensibilitäten machen auch vor der Lebensmittelindustrie nicht halt, und spätestens seit Tarantinos "Inglourious Basterds" hat die Feinkost begriffen, dass der fröhliche Zusatz "Deutsche Schweine!" einen recht bitteren Nachgeschmack hinterlassen kann.

In Österreich hingegen ist man, was dieserlei Dinge betrifft, gemütlicher unterwegs.
Österreichische Schweine dürfen nach wie vor österreichische Schweine heißen, warum auch nicht? Sie tauchen höchstens als Opfer bei Tierschutz-Prozessen auf, oder als Hauptdarsteller in Werbefilmchen, die so tun, als würde ganz Österreich nach wie vor seine Sonntage lederbehost, dirndlbekleidet und schuhplattelnd am Tanzboden verbringen.

Während sich in Deutschland also bereits ein simples kleines Würstchen seiner möglichen Symbolik bewusst ist, fühlt sich Österreich meilenweit entfernt von derartig subtiler Semantik. Bei sprachlichen Ausrutschern strapaziert man einfach den Begriff der "Meinungsfreiheit". Und die politische Mitte rückt wieder mal generös etwas näher zusammen, damit die rechts außen auch noch gut Platz haben auf der Bierbank - und siehe da, plötzlich sitzt wer anderer in der Mitte.

Da vergeht einem richtig der Appetit.