Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Hinterzimmer, Trauungssaal oder Riesenrad? "

Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

17. 2. 2010 - 17:12

Hinterzimmer, Trauungssaal oder Riesenrad?

76 gleichgeschlechtliche Paare sind seit 1. Jänner in den Homoehehafen in Österreich eingelaufen. Dabei wird die eingetragene Partnerschaft unterschiedlich vollzogen. Eine erste Bilanz.

"Wir haben es einfach schon sehr eilig gehabt. Wir wollten nicht mehr warten. Wir haben uns deshalb bewusst dafür entschieden, die Minimalvariante in Anspruch zu nehmen, um auch zu zeigen, wie absurd die Situation ist. Ich glaube das ist uns gelungen in diesem Büro" , erzählt Jörg Eipper-Kaiser. Er und sein Mann sind das erste amtlich verpartnerte Grazer Paar. In Graz kam es zur Koalitionskrise, weil der ÖVP Bürgermeister anfangs - im Gegensatz zur grünen lesbischen Vizebürgermeisterin - nur die Amtsstube und keine adäquateren Locations rausrücken wollte. Nun kann man sich aber auch in Graz unter anderem im Schloss Eggenberg verpartnern lassen.

Zeremonienmeisterin Wien und Buhmann Vorarlberg

Das Cover des Pride Magazins: Die ersten Paare haben sich getraut. Zwei homosexuelle Männer mit Partnerschaftsurkunde.

Irmi Wutscher / Pride Magazin

Irmi Wutscher über die Ausstellung l[i]eben - uferlos und andersrum in Graz

Die eingetragene Partnerschaft, so schreibt das Gesetz vor, darf in Amtsräumen der Bezirksverwaltungsbehörden unterschrieben werden und nicht am Standesamt. Die Behörden reagieren von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich in der Umsetzung des Gesetzes. In Vorarlberg wollte sich der Landeshauptmann anfangs überhaupt weigern, das neue Recht umzusetzen. Dennoch hat man wohl insbesondere in Vorarlberg mit nüchternem bürokratischen Umgang in Amtsräumen zu rechnen. Vorreiter ist Wien: Die Bundeshauptstadt wartet mit eheähnlichen Zeremonien an romantischen Locations wie Schloss Schönbrunn oder dem Riesenrad auf. In Salzburg kann man sich unter anderem im Marmorsaal im Schloss Mirabell verpartnern und in Innsbruck steht der Trauungssaal im Goldenen Dachl offen.

Radio FM4

Mancherorts in Österreich haben Proteste dazu geführt, dass man nicht nur im grauen Amstkammerl unterschreiben darf. So zum Beispiel in Klagenfurt: Christine Blaschun von der dortigen Lesbenplattform Femme goes Queer erzählt über eine Protesthochzeit im Jänner im Magistrat in Klagenfurt: "Wir haben erfahren, dass wir in Klagenfurt in einem Hinterzimmer im Magistrat ohne Zeremonie verpartnert werden sollten. Das konnten wir nicht so auf uns sitzen lassen. Es soll die Möglichkeit bestehen, dass sich jeder aussuchen kann, wie er den schönsten Tag seines Lebens gestalten möchte. Wir haben dann mit 50 Leuten eine Protesthochzeit im Magistrat inszeniert."
Mittlerweile hat der Klagenfurter Bürgermeister zumindest auch das Europahaus für die Verpartnerungen geöffnet.

Protesthochzeit in Klagenfurt: Lesbisches Paar traut sich

www.femmegoesqueer.at

Christine Blaschuns Protesthochzeit

Kein Ansturm

Insgesamt haben sich seit Inkrafttreten der registrierten Partnerschaft zum Jahreswechsel 18 lesbische und 58 schwule Pärchen dafür entschieden. Über die Hälfte hat sich in Wien verpartnern lassen, bis dato noch niemand in den Bundesländern Burgenland und Vorarlberg. In manchen Blättern wird medial von einem Flop der Homo-Ehe gesprochen. Ein Vergleich untermauert diese Kritik nicht: im Jänner haben in Wien 43 gleichgeschlechtliche und 318 Heteropaare geheiratet. Kurt Krickler von der HOSI Wien begründet dies auch mit der Jahreszeit: "Die Leute, die wirklich pompös feiern wollen, die lassen sich noch ein bisschen Zeit, bis es wärmer wird. Den großen Andrang wird es nicht geben, denn es ist und bleibt ein Minderheitenprogramm. Das war uns von Haus aus klar."

"Für binationale Paare sehr dringend"

Viele Anfragen zur Homoehe erreichen die HOSI vor allem von binationalen Paaren. Kein Wunder, denn wer einen Partner von außerhalb der EU hat, muss mit Problemen in Punkto Niederlassungs- und Arbeitsgenehmigung des Partners rechnen. Verheiratete ausländische HeteropartnerInnen können aufgrund der Ehe in Österreich leben und arbeiten. Gleichgeschlechtlichen Paaren war das bislang verwehrt. Nun aber ist die neue eingetragene Partnerschaft im Fremdenrecht der Zivilehe de facto gleichgestellt. Das heißt: Arbeits- und Niederlassungsgenehmingung für den ausländischen Partner oder die ausländische Partnerin.

Hosi Wien / Kurt Krickler

Hosi Wien / Kurt Krickler

Kurt Krickler

Bislang haben laut Kurt Krickler betroffene binationale Paare oft eine Fernbeziehung geführt, wegen ausgelaufener Visa illegale Aufenthalte in Kauf genommen oder sich eines Studentenvisums als Notlösung bedient. Partner haben ihr anderswo bereits geführtes Studium in Österreich wiederholt oder wegen der Papiere überhaupt erst zu studieren begonnen, obwohl sie das ursprünglich nicht vorhatten: "Das ist schon eine ganz große Erleichterung und das sind auch die Leute, die es wirklich sehr dringend brauchen. Erst vorige Woche hatte ich eine Anfrage von jemanden aus San Francisco. Der möchte nun mit seinem österreichischen Partner nach Österreich übersiedeln und das geht ab jetzt. Es kommen auch Anfragen aus anderen Ländern, aber erstaunlicherweise viele aus den USA."

Klagen und doch kein Zwangsouting per Meldezettel

Während die ersten Homo-Ehen geschlossen werden, gehen in den nächsten Wochen zahlreiche schwule und lesbische Paare vor Gericht und klagen wegen Diskriminierung, weil die eingetragene Partnerschaft nicht die gleichen Rechte wie die für Heteropaare vorbehaltene Zivilehe beinhaltet: Homopaare dürfen etwa keine Kinder adoptieren und sich nicht künstlich befruchten lassen.

Übrigens: das von homosexuellen Organisationen und den Grünen kritisierte "Zwangsouting" via Meldezettel, auf den der Personenstand ("in eingetragener Partnerschaft lebend") angegeben werden muss, ist vom Tisch. Auf den Meldebestätigungen wird überhaupt kein Personenstand mehr ausgewiesen sein, hieß es heute aus dem Innenministerium.