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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

14. 2. 2010 - 20:53

"Pyrotechnik ist kein Verbrechen"

Kriminalisierung von Fußballfans: weiter gehts.

Am Beispiel Fußballfan wird aktuell gerade exerziert, wie das mit Totalüberwachung, polizeilicher Omnipräsenz und Kriminalisierung einzelner Kulturen und Gruppen funktionieren könnte.

Argumentations- und Logiklücken des neuen Pyrotechnikgesetzes waren schon im November in Blumenaus Fußballjournal Thema.

Der große Vorteil am Feldforschungsobjekt Fußballfan: er ist in der Öffentlichkeit noch schlechter angeschrieben als Vertreter vergleichbarer Gruppen, wie etwa linkes Demonstrantengesindel, Studenten oder wer sonst so gesetzlich präkarisiert wird.

Dieses Wochenende ist die so genannte Frühjahrssaison der österreichischen Bundesliga losgegangen. Erstmals haben dabei Spiele stattgefunden, bei denen es Fans verboten war, ihre Fackeln anzuzünden. Im Jänner ist nämlich das neu überarbeitete Pyrotechnikgesetz in Kraft getreten. Ein weiterer Baustein, eine intakte autonom organisierte Szene zu kriminalisieren.

Anderes Beispiel der Kriminalisierung: die Tierschützer und der Paragraf 278a. Wann wird der erste Fußballfanklub als Terroristische Organsiation belangt?

Aktive Fußballfans sind dagegen schon im Vorfeld Sturm gelaufen. Genützt hat es nicht viel. Bloß, dass das ursprünglich als Lex Fußball konzipierte Gesetz nun auch für alle anderen Sportarten gilt. Bei der Schiflugweltmeisterschaft am Kulm oder beim Nachtslalom in Schladming haben sich die Stimmen der Fernsehkommentatoren noch überschlagen aufgrund der guten Stimmung. Kein Bildzusammenschnitt, der nicht auf die eindrucksvollen Bilder mit den Fackeln zurückgreift.

Passiert das im Fußballstadion, gibts Schelte. Dann sprechen Kommentatoren gern von Radikalen, von Unbelehrbaren und fantasieren Ausschreitungen und Gewalt herbei.

Vielleicht weil Fußballfans im Gegensatz zu Fans, die zu Schiveranstaltungen kommen, keine Eintagsfliegen sind. Aktive Fußballfans sind vernetzt, haben ihre Treffen, ihre Rituale, ihre Kurve und sind bei jedem Wetter, auswärts oder in der eigenen Stadt, mit dabei. Die Fanblocks sind autonom organisiert, haben Leidenschaft und Mobilisierungspotenzial.

pyrotechnik-ist-kein-verbrechen.at

Das neue Gesetz ist nur das nächste Rädchen in einer Reihe von Aktionen, die Fankultur kriminalisieren und stigmatisieren sollen. Es wird ein Zusammenhang zwischen Gewalt und dem Anzünden von Fackeln hergestellt, der sich (auch nach zehn Mal nachdenken) objektiv nicht erschließt.

So genannte szenekundige Beamte kennen beinahe jeden aktiven Fußballfan mit Namen. Beim Anmarsch zum oder Abmarsch vom Stadion kann es passieren, dass das Polizeiaufgebot einen Kessel bildet und einmal vorsorglich alle Ausweise kontrolliert. Jeder Winkel der großen Fußballstadien ist videoüberwacht.

Schon bisher war auf Grund der Durchführungsrichtlinien der Bundesliga der Einsatz von bengalischen Feuern nicht erlaubt. Mit dem neuen Gesetz ist nun die Polizei zuständig.

Die Fußballfankultur ist auch deswegen dankbares Versuchsobjekt totalitär anmutender Strategien, weil den aktiven Fans die Lobby fehlt. Untereinander ist man auf Grund der Rivalität zu anderen Fangruppen häufig zerstritten.

Was die Ablehnung des neuen Pyrotechnikgesetzes betrifft, ziehen die einzelnen aktiven Fangruppen aber an einem Strang. Im Rahmen der Cup-Partie zwischen Sturm Graz und Red Bull Salzburg, haben die Sturmfans ein Zeichen gesetzt: in der ersten Spielhälfte war es totenstill auf der Fantribüne. Einzig ein Transparent war an Innenministerin Maria Fekter von der ÖVP gerichtet.

Transparent: Das ist Fekters Vision: Ein Stadion ohne Leidenschaft und Emotion

pyrotechnik-ist-kein-verbrechen.at

Angeblicher Anlass für das neue Gesetz: ein Böllerwurf eines Zusehers auf einen Torwart. Gegen Knallkörper sprechen sich aber auch die Fans selbst aus.

Auch beim Bundesligaspiel zwischen dem LASK und Rapid waren die Spruchbänder auf der Linzer Gugl ganz im Zeichen des neuen Gesetzes. Die bengalischen Feuer sind trotzdem angezündet worden. Gleichzeitig ist die Website pyrotechnik-ist-kein-verbrechen.at online gegangen, wo auch die Bilder dieses Artikels herkommen.

Die Strategie, auf die sich Medienvertreter und Bundesliga anlässlich einer Pressekonferenz zum "Frühjahrs"start scheinbar geeinigt haben lautet: Totschweigen der Fanproteste. Der Appell von Bundesliga-Vorstand Georg Pangl: "Zeigts keine Fotos".

Das ist dermaßen eigenartig, dass ich die Website inklusive Fotogalerie nur eindringlich empfehlen möchte.

Brennende Fackeln auf Fußballtribüne

pyrotechnik-ist-kein-verbrechen.at