Erstellt am: 1. 2. 2010 - 23:35 Uhr
Afrika-Cup-Log, 19. Ausblick.
Africa Cup Log
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Ja, es ist einiges schiefgelaufen.
Bei einigen Spielen waren die Stadien nicht voll. Und in einigen Stadien war der Rasen nicht gut.
Beides hat ökonomische Gründe. Kaum eine afrikanische Nation kann zigtausende Fans aufbringen, die sich das teure Package (Reise/Unterkunft/Spiele) leisten können. Und die Erfahrungen, was gute Bodenbedingungen betrifft, fehlt auch noch.
Vor allem aber hat man in der Defacto-Diktatur Angola die eigene Allmacht überschätzt, und zu spüren bekommen, was passiert, wenn man Seperatisten niederbügelt und berechtigte Forderungen unterdrückt: Wer Menschen in die Enge treibt, macht sie zu Hoffnungslosen und damit zu Tätern. Diese Täter griffen - eher zufällig - einen Mannschaftsbus des Teilnehmer-Landes Togo an, und sorgten für ein Blutbad, das - hätte es sich nicht um Sportler gehandelt - weltöffentlich genau Null Aufsehen erregt hätte, so aber zu einem Fanal der missratenen politischen Zustände Angolas wurde.
Sonst hätte man das nur durch die lächerliche paläo-kommunistische Protzerei mit dem riesenhaften Präsidenten-Konterfei, das in jedem Stadion zu sehen war, erkennen können.
So sehr Angola ein sportlicher Gewinner des Turniers war, so sehr hat sich die politische Führung als kleiderloser Königshof blamiert. Da können auch die Stadien und die im Umfeld errichtete neue Infrastruktur nicht hinwegtäuschen.
Angola ist nicht Südafrika
Mit Südafrika, dem Ausrichter der WM im Sommer, hat das, was in Angola schiefläuft, nichts zu tun. Wer das verwurstet, ist ein aufgeblähter Kurzdenker der Marke Uli Hoeneß (da griff sich sogar der sonst für die verbalen Rülpser zuständige Beckenbauer auf den Kopf), atmet den Geist der kolonialen Verachtung, die bei den allermeisten Berichterstattungen vom Afrika-Cup mitschwang. Am widerlichsten war das bei den deutschsprachigen Kommentatoren auf Eurosport zu spüren: da hatte man echt das Gefühl dass dort die Nachfahren von Kongo-Müller oder alter Planagenbesitzer-Adel aus Deutsch-Südwest-Afrika (so hieß Namibia früher) seine Verachtung für die "Wilden" in neue Klischees gießt.
Der Afrika-Pessimismus feiert anlässlich solcher Ereignisse immer fröhliche Urständ: einerseits feiert man das Ungestüme, Improvisierte, andererseits äußert man sich abfällig über Unfertiges und alles, was nicht europäischem Standard erreicht, zusätzliche Würze verleiht ein lächerlichmachender Proto-Rassismus, der alles bedenkt, nur die Ursachen ausblendet: die Verheerung des Kontinents durch Jahrhunderte von Ausbeutung und Kolonialisierung.
Apropos:
nachdem sich im 20. Jahrhundert die USA sowie die USSR bzw Nachfolger Russland als neue Defacto-Kolonial-Mächte etabliert haben, kommen im 21. Jahrhundert die neuen Mitspieler aus Asien.
Die Problemzonen verlagern sich also bloß.
Südafrika hat keine politischen Probleme mit Separatismus oder unterdrückten Provinzen, sondern leidet nur unter der ganz normalen Schieflage zwischen Arm und Reich - die in einem Schwellenland das sich gerade von jahrhundertealten Vorreiter-Vergangenheit in Rassismus befreit, natürlich noch drastischer sind als etwa in Indien oder Brasilien.
Die Sache mit der Sicherheit
Diese Schieflage führt zum einzigen Problem, das die WM in Südafrika haben wird: die hohe Alltagskriminalität, die sich in jedem Bereich auswirken kann. Ob es die Organisatoren schaffen die Fan-Zonen so auszudehnen, dass alle Touristen und Besucher 24 Stunden lang begleitet/gesichert sind, ist zu bezweifeln - also wird einiges passieren, was in Südafrika zur Normalität gehört, einer traurigen Normalität, aber einer Normalität.
Sowas wie Sicherheit im europäischen Maßstab gibt es nicht einmal in Kapstadt.
In jedem Fall sind die Stadien allesamt so gut wie fertig, die Infrastruktur steht. Und das, nachdem sich Europa jahrelang das Maul drüber zerfetzt hatte, wie schief das alles gehen würde, wie unfähig Afrika wäre, sowas auf die Beine zu stellen.
Dieses permanente Füttern des Afrika-Pessimismus ist Interessens- und Machtpolitik der ökonomischen und politischen Eliten, also nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar ist das populistische Nachplappern derer, die es eigentlich besser wissen sollten, weil sie von den entsprechenden Eliten noch selten mit Wahrheit versorgt wurden: der Medien und er von ihnen gefütterten Öffentlichkeit.
Deren unreflektieres Geschnatter ist das eigentliche Problem.
Ein Problem, das Projekte wie dieses anzugehen versuchen. Projekte die sich bis zum Sommer mehren werden.
Und noch ein CAN-Fazit
Drei der sechs afrikanischen WM-Teilnehmer haben einen ordentlichen Schuss vor den Bug bekommen. So wie es Kamerun, Nigeria und die Cote d'Ivoire die letzten Jahre angegangen sind - so geht sich das nicht mehr aus. Ein paar Stars in den europäischen Ligen, die alles Kraft ihrer Ausstrahlung lösen, dazu ewig austauschbare Coaches und schwache Verbands-Strukturen, das war die letzten Jahre über genug um als unberechenbare Überraschungs-Teams für Furore zu sorgen.
Ab 2010 braucht es auch eine nicht mehr starfixierte Organisation um sich durchzusetzen. Das bessere Beispiel war Ghana, wo man (eher zufällig, wegen Verletzungen etc) auf die Stars verzichten musste und unter Einsatz eines Teils der aktuellen U20-Weltmeister und einer fast schon spanisch anmutenden Spielkultur ins Finale vorstieß.
Wo sie von einer noch besser (und vor allem schon lange eingspielt) organisierten Spielkultur, der der Ägypter nämlich, noch einmal in die Schranken gewiesen wurden.
Ägypten ist bei der WM nicht dabei, sondern ein wenig unglücklich an Algerien gescheitert. Die haben ein für ihre bislang doch eher matten Verhältnisse gar nicht so schlechtes Turnier gespielt - werden das aber wegen der Demütigung im Halbfinale nicht so sehen.
Deshalb ist es bei Algerien ebenso wie bei den drei erwähnten Alt-Mächten des Kontinents jetzt eine Frage der zu ziehenden Lehren. Es hat nämlich wenig Sinn nach einem (vor dem Turnier ersehnten) Halbfinal-Einzug alles in Frage zu stellen.
Odds für Südafrika
Weltweit wurde das Team aus der Cote d'Ivoire am höchsten gewettet. Nach dem Auftritt in Angola sieht das wohl anders aus. Und Brasilien und Portugal sind harte Gegner.
Kamerun in der matten Form der letzten Wochen wird es gegen Holland, Dänemark und Japan auch schwer haben. Und Nigeria hat es wie schon 1994 mit Griechenland und Argentinien zu tun, allerdings dazu Südkorea statt damals Bulgarien.
Ghana hat mit Deutschland, Serbien und Australien ebenfalls keine leichte Gruppe bekommen, und auch Algerien wird es mit England, den USA und Slowenien schwer haben. Und Gastgeber Südafrika hat Frankreich, Mexico und Uruguay abgekriegt.
Also: alle sechs afrikanischen Teilnehmer können leicht in der Gruppenphase auf der Strecke bleiben. Und ich glaube nicht, dass mehr als ein Team das Viertelfinale erreicht.
Nicht weil das Niveau schwächer geworden ist, sondern weil sich der globale Spitzenfußball näher zusammengeschoben hat, vor allem weil mehr europäische Nationen denn je Resultate erreichen können.
Und wieder: Normalität
Afrikas Fußball ist in jeder Hinsicht auf dem Weg in die Normalität. Die nordafrikanischen Mannschaften (auch die jungen Tunesier und die diesmal abwesenden Marokkaner) waren das schon ein wenig länger, mittlerweile kann man auch Angola oder Zambia dazuzählen, Gabun und Uganda sind auf dem Weg, die zweite Reihe der Westafrikaner (Guinea, Mali, Senegal, Burkina Faso, Benin etc...), Gambias Jugend gilt als Geheimtipp, aus dem Congo kann nach Ende der Kriegswirren wieder mehr kommen.
Südafrika wird das belegen. Und zwar sowohl das Turnier als auch die Bafana Bafana. Von ihrem Auftreten im Sommer wird einiges abhängen.
Auch wenn das öffentliche Bild und der europäische Afrika-Pessimusmus davon nicht im Alleingang geändert werden können. Dazu ist viel mehr notwendig. Was den sommerlichen Schritt in eine bessere Richtung aber nicht entwerten soll: symbolisch wird Südafrika 2010 Gewicht haben, keine Frage.