Erstellt am: 25. 1. 2010 - 23:30 Uhr
Afrika-Cup-Log, 16. Das Ende einer Ära.
Africa Cup Log
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Die Infos zum zweiten Viertelfinaltag, Factsheets zu Ägypten-Kamerun und Nigeria-Zambia.
Die Ära, die ich meine, ist die der mit Starspielern gespickten Teams aus Westafrika, die alles auf diesen Faktor aufbauen.
Die ist vorbei, das hat das gestrige Aus des Top-Favoriten Cote d'Ivoire und das heutige Out des Co-Favoriten Kamerun belegt. Und zwar weil es nicht etwa unglücklich, sondern völlig gerechtfertigt und logisch war. Daran kann auch das (glückliche) Weiterkommen des dritten Star-Ära-Teams, nämlich Nigeria, nichts ändern. Die sind auch an einem Endpunkt angelangt - und haben vielleicht noch am ehesten die nötigen Rückschlüsse gezogen.
Das soll nicht heißen, dass diese Nationen nicht auch die nächsten Jahre mit-dominieren werden - im Gegenteil.
Das heißt nur, dass eine bestimmte Phase überwunden wird.
Denn: es reicht nicht dass sich ein paar Klassespieler zusammentun und dieses Zusammenwerfen der einzelnen Efforts dann als Nationalteam kaschieren. Es reicht nicht, dass sich Eto’o und Song, Toure und Drogba, Yobo und Kanu auf ihren Glam-Faktor verlassen und die Anforderungen des modernen Fußballs zurückstellen.
Die Überwindung der Einzelspieler-Ideologie
Für diese Entwicklung ist und war dieser Afrika-Cup das perfekte Podium.
Er hat gezeigt, dass auch die zweite und dritte Reihe der afrikanischen Teams ranschnuppern. Einfach weil sie im zunehmend globalisierten Fußball-Geschäft keine Außenseiter mehr sind, die sich in einer abgeschotteten heimischen Kasperl-Liga herumgfretten müssen. Selbst die Außenseiter des Turniers können über Spieler in Europa oder den großen Ligen in Süd- und Nordafrika verfügen.
Und weil mittlerweile fast alle über das technische Level der Drogbas verfügen, zählen die Team-Werte: Taktik, System, Kombinationsspiel. Teambuilding etc. Also moderner Fußball jenseits des puren Star-Prinzips. Im Optimalfall läuft das wie bei Barcelona – tolles Team mit Xavis und Iniestas mit Stars wie Messi. Es braucht beides. Und die Top-Teams aus Afrika sind jetzt dabei genau das zu akzeptieren, zu verinnerlichen und umzusetzen. Aktuell stecken einige jetzt eben in einer Übergangs-Phase.
Wo es bis vor kurzer Zeit noch genügt hatte, dass die Ivoirer oder die Kameruner in ihren (von europäischen Geschäftemachern) supereng designten Poser-Trikots einlaufen um den Gegner wegzubluffen, zählt heute das, was von Europa als „unafrikanisch“ ausgestellt worden ist – woran sich die Föderationen dann auch orientiert haben. Denn natürlich gefiel im Westen das Image des Naturburschen, der Instinkt-Kicker, der ungeschliffenen Diamanten.
Alles Unfug – das ist bloß ein Zeichen für unterentwickelte Strukturen hinter einer Nationalmannschaft.
Die unbeweglichen Riesen
Bislang hatten die Nordafrikaner was das betrifft einen Vorsprung. Bei Ägypten etwa ist seit Jahren die Mannschaft der Star, bei Tunesieren, den hier abwesenden Marokkaners und jetzt auch wieder den Algeriern war es dasselbe; und auch bei den Teams aus dem Süden, vor allem Zambia galt da immer als Musterbeispiel.
Letztlich haben bei diesem Turnier auch Angola und vor allem Ghana diese Kriterien erfüllt. Und gerade bei Ghana, wo man jahrzehntelang dem Starkult verfallen war, ist dieser Umstieg fast ein Paradigmen-Wechsel; wenn auch ein fast zufälliger. Weil so viele Stars nicht dabei sind, musste man auf Teamwork zurückgreifen.
Von den anderen, den unbeweglichen Riesen, hat Nigeria am schnellsten reagiert.
Als man, also vor allem Coach Amadu nach den ersten Spielen (nicht nur der Niederlage gegen Ägypten, sondern auch den müden Kicks gegen Benin und Mozambik) feststellte, dass es nur mit den schickeren Outfits, der überlegenen Technik und den klingenden Namen auf den Trikotrücken eben nicht geht. Man opferte die Altstars Yobo und Kanu und stellte in Abwesenheit eines echten Spielmachers John Obi Mikel in die Mittelfeld-Zentrale direkt hinter den Dreiersturm.
Das, was Nigeria im Viertelfinale gegen Zambia bot, war immer noch unter aller Kanone, aber zumindest gedanklich einen Schritt weiter als das, was man sich gestern von der Cote d’Ivoire und heute von Kamerun gefallen lassen musste.
Kameruns Fehler
Kamerun und Paul LeGuen haben sich, das muss ich zugeben, auch bewegt. Auch bei ihnen wurde der überaltete Abwehrchef (Rigobert Song) auf die Bank gesetzt, allerdings hatte man mit Chedjou eine echte Katastrophe in der Hinterhand. Und der beste Mann in Kameruns genauso ideenarmen Mittelfeld, Alex Song, blieb hinten. Stattdessen stellte sich dort ein anderer, und wahrscheinlich selber, auf: Samuel Eto’o, Kapitän, der falsch reagierte, weil er sich – des Notfalls bewusst – für einen Playmaker hält. Dazu noch Wechselfehler (Emana raus, Webo zu spät rein) und natürlich ein Gegner, der bestens organisiert ist.
Das machte den Unterschied zwischen der bestraften Leistung von Kamerun und der nicht bestraften Leistung von Nigeria.
Zambias wirklich braves Team (wegen des Ausfalls von Kalaba geschwächt) war die erste halbe Stunde nicht auf dem Platz, hatte danach aber durchaus die besseren Szenen. Es war aber nicht nachdrücklich genug für den Aufstieg.
Ägypten im 1. Spiel des heutigen Abends war ein anderes Kaliber. Man holte einen Rückstand nach einem Quasi-Eigentor auf, und nutzte zwei Abwehrfehler. Dass der Ball beim 3. Tor gar nicht hinter der Linie war darf in diesem Zusammenhang auch egal sein.
Der Krieg Ägypten – Algerien
Im Übrigen bin ich mit den beiden Semifinal-Paarungen vom Donnerstag wegen deren Brisanz sehr zufrieden.
Es musste geradezu zu einer Neu-Auflage des WM-Shootouts zwischen Algerien und Ägypten kommen, es hat das ganze Turnier danach gerochen. Nachdem die beiden in der WM-Quali punkte- und torgleich waren, musste ein direktes Duell in Karthoum entscheiden. Algerien gewann, im Umfeld explodierte die Gewalt, Ägypten zog seinen Botschafter aus Algier ab, seitdem herrschen Drohungen, ständige Übergriffe, politische Eiszeit.
Die Neuauflage des Duells, das Ägypten von der WM ausgeschlossen hat, kann entweder karthatisch oder ausputschend wirken. Da die aktuelle Lage aber übel im Untergrund schwelt, ist ihr Aufpoppen an die Oberfläche sicher der Anfang eines möglichen Befreiungsschlags.
Im zweiten Halbfinale zwischen Ghana und Nigeria kommt es nicht nur zum Aufeinandertreffen der beiden großen Traditions-Mächte des Westens, sondern auch zu einem Machtkampf zwischen der neu aufgestellten Team-Struktur der jungen Ghanesen und des im Abwind begriffenen Star-Systems der Nigerianer.
In beiden Spielen ist alles möglich – auch wenn Ägypten am fittesten scheint. Das Umdenken im afrikanischen Fußball hat jedoch spätestens heute begonnen.