Erstellt am: 24. 1. 2010 - 23:30 Uhr
Afrika-Cup-Log, 15. Erwartete Überraschungen.
Africa Cup Log
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Die Infos zum ersten Viertelfinaltag, Factsheets zu Angola - Ghana und Cote d'Ivoire - Algerien.
Nun kann man anmerken, dass die Mannschaft von Ghana selbstverständlich über jene von Angola zu stellen ist. Im Prinzip ja. Bei einem Heim-Turnier jedoch... Und nach den bisherigen Vorstellungen... Und auch jener des Gegners...
Noch eindeutiger war es in Fall 2: alles andere als ein Sieg der wieder einmal zum Top-Fav erklärten Truppe der Cote d'Ivoire gegen die bislang tranig agierenden Algerier wäre im Vorfeld für denkunmöglich erklärt worden.
Allerdings schoben beide heutigen Viertelfinals die Realität wieder enger an die Konstruktionen heran, die nach den bisher gezeigten Leistungen entstanden waren. Und es zeigte sich, dass die Favoriten-Stellung eine echte Bürde ist und dass manche Teams die Außenseiter-Rolle dringend brauchen um ihr Leistungs-Potential auszuschöpfen.
Algerien etwa.
Gegen Malawi war man klarer Favorit - und ging nach einer peinlichen Vorstellung unter. Gegen Mali wurde man dann schon nur noch als halbe Portion eingeschätzt und schöpfte prompt Kraft daraus.
Heute war es irgendwie schon mit Beginn der 2. Halbzeit klar, obwohl es erst 1:1 stand: diese Mannschaft hat sich nicht nur endlich, nach drei wirklich dürftigen Spielen, gefunden, sie hat sich auch eingeschworen und eingespielt, sie drückt sich nicht mehr angstvoll an den Rändern, sondern drängt nach vorne.
Das ging sich dann für einen Sieg in der Overtime aus, weil der Gegner, der selbsternannte Favorit, die prinzenhafte goldenen Generation der Drogbas, Toures, Zokoras, Kones und Dindanes genau an diesen Bruchstellen versagte.
Die bisherigen Spiele der Ivoirer waren ebenfalls nicht wirklich gut: das erste gegen Burkina Faso eine Schande, das zweite gegen Ghana nahm ein glücklichen Verlauf, der allerdings für jeden, der sehen konnte, die Schwachstellen entblößte. Und da hat sich niemand eingeschworen und eingespielt; im Gegenteil, man blieb recht starr in einer nicht so gut funktionierenden Unit stecken.
Das wenig fruchtvolle ivoirische Offensivspiel
Klar fehlte mit Eboue der erste Rechtsverteidiger, aber das Flügelspiel unter Coach Vahid Halihidzic war auch in den ersten Spielen nicht besser. Die drei im Mittelfeld waren sich über ihre Rollenaufteilung nie wirklich im Klaren und vorne hing zuviel an Einzelaktionen, auf sowas wie Laufwege oder Kombinationssicherheit wurde zu wenig Wert gelegt.
Drei Zutaten, die dann dazu führten, dass es erstaunlich wenig Chancen für das sonst so fruchtvolle Ivoirische Offensivspiel gab.
Die beiden heutigen Tore - beide nicht herausgespielt, ein Abpraller, ein Rebound. Drogbas Szene in der 120. Minute war prototypisch: er bekam einen Ball, mit dem er aufs Tor hätte zulaufen können, dreht aber in Richtung Toroutlinie ab, bis der Winkel zu schlecht war. Sein Spiel hatte keinen Punch wie das von Kader Keita, dessen Einwechslung in der 82. den einzigen merkbaren Ruck in dieser Mannschaft bewirkte.
Symptomatisch auch, dass der ebenso eingewechselte Emerse Fae (ein offensiver Mittelfeldspieler, der alles kann, auch einen guten Flügel abgeben) sich nutz- und kraftlos in der defensiv orientierten Zentrale herumtrieb: wenn es keine Flügel zu besetzen gibt, wenn sich Yaya Toure bzw Drogba als offensive Spielgestalter aufspielen, wie sollte er auch eine sinnhafte Position übernehmen.
WM-Preview
Das ist nicht so sehr ein Coaching-Versagen, als ein Versagen der Stars, die sich nicht coachen lassen.
Leider wird das nichts nützen: der bosnische Trainer wird ausgetauscht werden, nicht Drogba, das Idol. Was mich für die WM nichts Gutes ahnen läßt. Wer sollte dort warum was besser machen? Gegen Brasilien und Portugal? Die einzige Chance der Ivoirer ist die zeitgleiche Krise der Portugiesen.
Dass die Cote d'Ivoire das erste Team nach den üblichen Verdächtigen ist, die auf derr Liste der weltweiten Wetter auftaucht, sollte nicht täuschen. So wird es auch dort nicht klappen.
Apropos: Algerien hat die ungleich schwerer WM-Gruppe; mit England eine große Nummer, mit den USA einen Confed-Cup-Finalisten und mit Slowenien einen unangenehm zu spielenden Gegner. Die werden sich, wenn sie wieder so muffig starten wie in Angola, schwer tun.
Deshalb ist dieses Afrika-Turnier für Rabah Saadanes Team so wichtig. Hier muss man sich das Selbstvertrauen erspielen. In einem möglichen Semifinale mit dem neuen Erzfeind Ägypten ist das schwerer als in einem gegen die nächste afrikanische hochnäsige Großmacht, nämlich Kamerun.
Eine aufs Groß-Maul
Algerien kam es massiv entgegen, dass sie erstmals mit ihrer Einser-Abwehr (Yahia von Bochum war erstmals fit) spielen konnten. Und in Südafrika könnte auch der mt Blinddarm-Durchbruch geschlagene Einser-Goalie Gaouaoui wieder fit sein.
Ganz grandios war Gladbachs Matmour, Stürmer Ghezzal und der eingewechselte Bouazza. Und warum Trainer Saadane bislang auf sein Wunderkind Meghni eher verzichtet hat, habe ich nach seinem heutigen Einsatz verstanden: sein cristianoronaldisches Verhalten erträgt man nur, wenn es perfekt ausgebildet ist.
So spannend das zweite Viertelfinalspiel zwischen Ivoirern und Algerien auch war (dauernder Führungswechsel, Verlängerung...) - so drohend lastete die Gefahr auszuscheiden und damit ordentlich eine aufs (Groß)-Maul zu bekommen auf dem Favoriten.
Das war im 1. Spiel nicht so.
Zwar hielt man von Angola, dem Gastgeber, aufgrund der bisherigen Erlebnisse mehr - aber hoch in der Luft trugen die Ausrichter ihre Nasen nicht.
Entscheidend war, dass die gut organisierte und gut ausgebildete Mannschaft von Ghana (immerhin mit ganz schön vielen U20 Weltmeistern und schon länger bei guten europäischen Vereinen tätigen älteren Spielern) die Schwächen der Angolaner ausforschte, direkt anbohrte und ausnutzte.
Angolas Durchschaubarkeit
Angolas Dreier-Abwehr etwa hat ihren Schwachpunkt in der Zentrale: Kapitän Kali ist ein guter Chef, aber etwa so schnell wie Rigobert Song oder Joseph Yobo, die anderen Abwehrchefs, denen dieser Tage ihre Grenzen aufgezeigt werden.
Oder: im Mittelfeld ist, wenn Giberto einen schlechten Tag hat, nichts los. Dann drischt man die Bälle nach vor auf den langen Manucho, der sie dann für seinen Partner Flavio ablegen soll. So weit so durchschaubar.
Bis auf die Anfangs-Phase, in der sich Lee Addy drei-, viermal deppert anstellte, hatte Ghanas Defensive das alles im Griff. Und wenn Angolas Stärke, nämlich die körperliche Wucht und das gute Flanken/Kopfball-Spiel einmal unterbunden ist, dann geht nicht viel.
Ghana hatte aus dem etwas dürftigen Spiel mit dem sie sich gegen Burkina Faso über die Zeit schaukelten die Lehren gezogen und die offensiven Positionen endlich gut besetzt. Asamaoh, zentral neben seinem Udinese-Kumpel Badu, war der beste offensive Mittelfeld-Stratege des Abends, Draman ein echter rechter Flügel, Opoku ein bohrender linker, Andre Ayew eine omnipräsente hängende Spitze und Gyan eine wuselige Spitze, die noch dazu mit Opoku rochierte.
Ghanas Neu-Tuning
Das hat teilweise wirklich gut ausgesehen. Denn auch Ghana braucht diesen Afrika-Cup offensichtlich um sich neu zu tunen. Auch wenn man damit rechnen kann, dass einige Verletzte und Schlingel Sulley Muntari bis zum Sommer zurückkommen: Anthony Annan (gerade wieder fit geworden), Michael Essien, Stephen Appiah, John Mensah, John Pantsil...
Dass sich aber auch der Rest mit dem eingearbeitetem U20-Team (Inkoom, Opoku und Andre Ayew vorneweg) was machen läßt, sollte dem Team einen ungeheuren Boost geben.
Gegen die Cote d'Ivoire im ersten Spiel war diese neue Mischung noch zu grün, fürs Viertelfinale ging sich die Entwicklung aus und für ein Halbfinale gegen Nigeria oder Zambia stehen die Chancen zumindest pari.