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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 1. 2010 - 17:04

Quietsch-Boys

Indie-Disco ist die einzige Disco: Two Door Cinema Club haben die Tanzschuhe an.

Two Door Cinema Club spielen am 23.Jänner 2010 live am FM4 Geburtstagsfest in der Arena Wien.

Die Bürde des allzu große Labelnamens, das Joch, dass das "Thema" "Hipster" in konservativen Tageszeitungen verhandelt wird, der Hype, der Trend. "Jajaja, das ist halt so eine Kitsuné-Band." Wie kein anderes Label ist die Pariser Stylomaten-Fabrik Kitsuné - da, wo "Label" von der Idee her meist vielmehr "Mode" denn "Musik" meint - die nervös zuckende Fleischwerdung der geil grellen Blase, die da irgendwann "Nu Rave" geheißen worden ist. Und die heute mehr oder weniger the state of indie ist. Whaaaat!!? Die machen Indierockgitarren UND Elektronik? Ballermann-Beats, Rave-Wahnsinn PLUS Gesang und Songstruktur?

Two Door Cinema Club im Umkleideraum

Two Door Cinema Club

Die Leute von Kitsuné haben sich mit ihren Maison-Compilations den Ruf auf ihre epileptische Anfälle auslösenden Fahnen geschrieben, nächste heiße Bands früh aufzustöbern, auf deren Wegen zum Ruhm kurz durchzureichen und sich so wechselseitig mit Fame und Glitter zu branden.

FM4 Fest Plakat

Radio FM4

Marmelade im Schuh
Hier gibt's das komplette Lineup (mit Two Door Cinema Club, Get Well Soon, Blood Red Shoes, Die Sterne uvm.) und alle Infos zum FM4 Geburtstagsfest am 23. Jänner in der Wiener Arena.

Hot Chip, Klaxons, Bloc Party, Boys Noize, Crystal Castles, you name it, sie alle sind in der einen oder anderen Form ein klein wenig mit Kitsuné durch den Konfettiregen getorkelt. Samt Glowstick. Auf den jüngeren Veröffentlichungen von Kitsuné zeichnet sich ein Weg ab, der all den ganzen dumpfen, 30 Mal durch die Verzerrer gedrückten Rock’n’Rotz-Techno (please, don’t call it "Electro") dort belässt, wo er hingehört - und in sinnvollen Dosen eingesetzt, durchaus auch die besten derbsten Spaßereien hergeben kann: Im runtergerockten Club, da, wo Dosenbier und Billig-Schampus gemeinsam sprudeln, das Leben ein Brausepulver ist, die Uhr dauernd 03:30 sagt und alle immer gleichzeitig Geburtstag haben.

Den affig schrillen Blog-House gibt's im Zirkus von Kitsuné zwar da und dort nach wie vor, langsam rückt aber filigraner gearbeitetes Pop-Handwerk nach, richtige Bands mitunter gar mit echten Instrumenten und Liedern. The Drums haben mit dem schön schrabbeligen "Let's Go Surfing" den Sommerhit für den Winter geschrieben, dem Trio Chew Lips muss, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, mit seiner schlichten und genauso umwerfenden Neudefinition von Synthie-Pop zumindest ein mittlerer Durchbruch ins Haus stehen und den drei bleichgesichtigen, nordirischen Boys vom Two Door Cinema Club wird nach zwei Singles vorsichtshalber schon einmal das Etikett "Die kleinen Brüder von Phoenix" auf die Biografie gepappt. Was es auch ziemlich gut trifft.

Two Door Cinema Club

Two Door Cinema Club

Two Door Cinema Club sind so jung, dass ihnen das Nachdenken über Kategorien wie "Rock" einerseits und "Elektronik" als gegenüberliegender Pol überhaupt gar keine Gedanken mehr bereiten dürfte. Die ganze Welt ist ein großer Pool. Auf ihrem im März erscheinenden Debütalbum "Tourist History" (dazu demnächst Ausführlicheres) klöppeln die drei Herren da an Bass, Gitarre und Gesang ein überkochendes Partyprogramm zusammen, das das ganze Hype-Gequatsche locker wegsteckt.

Die Elektronik manifestiert sich beim Two Door Cinema Club in der Tatsache, dass ein Drummer nicht vorhanden ist und die Beats so von einem alten MacBook abgespult werden, tendenziell ist die Band aber doch eher recht fix im klassischen Pop/Rock-Kontext verankert. Da wird die gute alte, zickige Post-Punk-Gitarre aus dem Koffer geholt, sich nervös überschlagende Gesänge und Wundermelodien umspielen einander, aufgekratzte Hakenschläge und vierzehn Hooks in einem Song. Habt ihr Bock auf Feierei? Es ist Popmusik, die frei nach der Losung von The Whitest Boy Alive versucht, Dance Music geschmeidig ins Korsett von Gitarrenrock einzupflegen und dabei vor guter Laune und Ideenreichtum immer wieder zu zerbersten droht. Im Video zur Durchbruch-Single des Two Door Cinema Club, "I Can Talk", steht gleich am Anfang, noch bevor irgendwas anderes kommt, ein Schriftzug eingeblendet: Kitsuné Presents. Das muss überhaupt gar nicht mehr sein.