Erstellt am: 16. 1. 2010 - 22:52 Uhr
Afrika-Cup-Log, 9. One man short.
Africa Cup Log
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und hier noch die Info zu den heutigen Spielen.
In Österreich hab ich das durchaus schon öfter erlebt: dass ein Team de facto einen Spieler weniger hat; entweder weil der sich total hängen lässt oder weil er sich überhaupt nicht ins System eingliedert. Das kommt beim Schönwetter-Spielmacher-Typus vor - aber den gibt es tendenziell nur noch in Geschichtsbüchern; und eben der heimischen Bundesliga.
International passiert das selten. Und wenn, dann dauert das nur kurz. Dass derlei in einem Match aber gleich beiden Teams passiert - das hab ich noch nie erlebt.
Insofern war die Begegnung zwischen Ägypten und Mozambik durchaus historisch. Bis zur 68. Minute - denn erst da rafften sich die beiden Coaches auf, den jeweiligen Missetäter vom Feld zu nehmen, paradoxerweise zeitgleich, als wär es abgesprochen.
Bis dahin hatte Mozambik ein 4-4-1 spielen müssen, eine Viertelstunde lang sogar ein 4-5-0.
Bis dahin gab es bei Ägypten zuerst ein 4-2-3, dann ein 4-3-2.
Die Geschichte von TicoTico und Shikabala
In ihrer Spielanlage unterschieden sich die beiden Dissidenten allerdings drastisch. Der aus Mozambik, Manuel Bucuane, den sie TicoTico nennen, hatte sich entschlossen, unsichtbar zu werden, so über den Platz zu schleichen, als hätte er weder Aufgabe noch Position. Ich kann nur schätzen, dass er eigentlich als hängende Spitze oder zumindest als offensiver Mittelfeldspieler aufgestellt war - er entzog sich diesem Job brillant.
Als knapp nach der Halbzeit der einzige Stürmer, der super frisierte Tumo, verletzt ausfiel, hätte er, unser Freund TicoTico, vorrücken sollen. Auch dem widersetzte er sich durch Unsichtbarkeit - und da fiel es dann auf; zuerst den Eurosport-Kommentatoren, dann auch dem holländischen Coach von Mozambik.
Sein ägyptischer Konterpart ist/war da ein ganz anderes Kaliber: Mahmoud Abdelrazek Hassan Fadlalla, den sie Shikabala nennen, ist ein Künstler, ein Trickser, ein Wirbelwind, ein Supertalent.
Nur: der 23jährige von Zamalek, einem der großen Klubs in Kairo, passt so gar nicht ins ägyptische System, in die dort vorherrschende und von Coach Shehata hochgehaltene Schule.
Das UFO und der Fremdkörper
Die ägyptische Nationalmannschaft, Titelverteidiger und Rekordsieger beim Afrika-Cup, spielt nach strikten taktischen Regeln. Die werden zwar gern und oft geändert, bis zu drei-, viermal innerhalb eines Spiels – aber sie sind rigide festgelegt; ganz wie die Spielzüge beim American Football.
Auch diesmal war es eigentlich klar: vier hinten, dazu einer als Absicherung, ein weiterer in der Mittelfeld-Zentrale, dazu der Kapitän rechts und Shikabala links, um die beiden Spitzen zu füttern.
Allerdings war das Shikabala unglaublich egal: er tauchte überall auf, wo es ihm beliebte, und vor allem: unabgesprochen. Klar können Seitenspieler rochieren, wenn sie sich dazu verabreden (da reicht oft eine Geste).
Tat Shikabala aber nicht. Klar, er war gefährlich, trat ordentlich aufs Gas, verunsicherte die gegnerische Abwehr.
Aber er blieb ein Fremdkörper im ägyptischen Spiel. Man spürte: da ist einer mit unglaublichen Fähigkeiten, der jedoch nicht mit, sondern eher gegen sein eigenes Team spielt. Er steckte sogar den lebenslustigen Zidan an, auch zu improvisieren, taktisch.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Nur ein Eigentor der Abwehr von Mozambik und ein langer Geduldsfaden des Coaches verhinderte die Auswechslung von Shikabala. Die kam erst, nachdem zuerst Zidan mit einer Runternahme bestraft wurde. Offenbar erwartet Trainer Shehata von dem mehr Verständnis für ein Gesamtkonzept.
Als der neue ägyptische Prinz vom Feld geholt wurde, erholte sich das Spiel, wurde ein 4-3-3 mit einer echten Spitze (Meteeb) und zwei frischen Kräften im offensiven Mittelfeld (Eid und Gedo) möglich. Und man sah, wozu dieses ägyptische Team fähig ist, was das Zusammenspiel von Taktik, Technik und Kraft betrifft. Gedo schoss das 2:0, Mozambik ergab sich.
So gesehen hat die Qualität des Aussetzers den Sieger dieses Spiels bestimmt: während TicoTico einfach nicht anwesend sein wollte, hatte Shikabala einfach zu viel vor, den Kopf in den Wolken.
Das ist Gerechtigkeit.
Ägypten kann wieder weit kommen, Mozambik ist sowas wie die rohe, unbehauene Ausgabe von Angola, physisch stark, aber noch ohne die nötige Erfahrung, was es auf internationalem Level wirklich braucht.
Und dann noch kurz zum anderen heutigen Spiel...
Etwas enger war es im ersten Spiel der Gruppe C zwischen den Super-Eagles von Nigeria und dem Außenseiter Benin, auch, weil die zwar namenlos aber bereits durchwegs erfahrungsreich sind. Bis auf Omotoyossi kennt man die nicht, auch, weil sie eben nicht bei Chelsea und Everton, sondern in Irland bei den Sligo Rovers, in den unteren französischen Ligen spielen.
Dafür ist ihr 4-1-4-1 (hallo, Herr Stevens!) eine harte Nuss für die enorm unter Druck stehenden Nigerianer, deren 4-2-3-1 de facto vier Angreifer bereithält. Die Flügelarbeit ist zwar recht gut, aber aus der Zentrale kommt zu wenig – John Obi Mikel ist schon wie im ersten Spiel einfach nicht in Form und Etuhu ist womöglich einfach nicht gut genug.
Einem Standard und dem daraus resultierenden guten Kopfball von Danny Shittu ist es zu verdanken, dass Nigeria noch in der 1. Halbzeit in Führung geht. Shittu ist es dann auch, der dafür sorgt, dass dieser Vorsprung nicht wie im ersten Spiel verjubelt wird – der Innenverteidiger übernimmt nach dem Ausfall von Kapitän Yobo die Abwehr-Verantwortung.
Und das genügte für diesen lebenswichtigen Sieg. Coach Amadu wäre nämlich bei jedem anderen Resultat sofort gefeuert worden.
Ausblicke und Vorhaben
Nigeria ist trotzdem weiterhin ein Wackelkandidat. Nicht nur, weil die Eagles Meister der Selbstzerfleischung und im Kind-mit-Badausschütten sind, sondern sportlich. Man ging nicht auf ein zweites Tor, sondern versucht, den knappen Sieg heimzuspielen, und stellt da wieder auf das 4-3-3 um, mit dem man schon im 1. Spiel gegen die Ägypter nicht gut aussah. Damit wird es spätestens im Viertelfinale gegen die fitter wirkenden Konkurrenten der Gruppe D (die spielt morgen) mühsam.
Das Team des Benin hat noch eine Chance - wenn sie sich gegen die bereits fix qualifizierten Ägypter durchsetzen und auf einen weiteren Ausrutscher von Nigeria gegen die von der Home-Crowd fest angefeuerten Burschen aus Mosambik hoffen, hätten sie das bessere Ende für sich.
Soviel zum Sport.
An der anderen Front, der politischen, gibt es eine interessante Klage: Frankreich wird einen der FLEC-Leader anklagen, weil er - als französischer Staatsbürger - den Angriff der Separatisten auf den Mannschaftsbus öffentlich gutgeheißen hatte. Hintergrund: Angola ist mit der Rolle der Franzosen in diesem Konflikt (die halten sich raus, so wie alle Europäer, die gern so tun, als würde sie all das nix angehen) nicht zufrieden, Frankreich will (Hintergrund: Erdöl- und andere Rohstoff-Interessen) da den Bogen nicht überspannen.