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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 1. 2010 - 23:17

Afrika-Cup-Log, 7. Zweiter Blick.

Die Gruppe mit Gastgeber Angola, den enttäuschenden Algeriern, der Überraschung Malawi und dem seltsamen Mali mag keine ganz hohe Klasse haben - für Spannung ist sie allemal gut.

Die Infos zum Spieltag.

Bislang war das Turnier auch besonders auffällig, weil gewisse Routinen eben nicht eingetreten sind: es gab keinerlei Schiedsrichter-Vorkomnisse und auch keine unschönen Szenen jenseits des Fair-Play.

Das ließ sich meist daran ermessen, dass man erst irgendwann, oft tief in der 2. Hälfte, wieder an die Existenz der "gelben Karte" erinnert wurde; denn die kam kaum zum Einsatz. Und daran, dass über kein Resultat nach österreichischem Vorbild herumgemault wurde.

Africa Cup Log

Nicht, dass in Angola körperlos gespielt würde, man entsagt sich aber das gemeine Foul. Und nicht, dass es nicht genügend Überraschungen gegeben hätte - man verweigert nur die debile Verschwörungs-Theorie und akzeptiert den Faktor der Tatsachen-Entscheidung.

Das alles war am 5. Spieltag, also der 2. Runde der Gruppenphase, auch so.
Fast.

Was auf die Socken

Im ersten Spiel des heutigen Abends allerdings sorgte ein etwas übereifriger Schiedsrichter dafür, dass weder die Spieler des Mali noch die von Algerien in einen Modus fanden, der diesem für beide Teams bereits bedrohlichen Match würdig gewesen wäre. Der Herr aus Uganda ließ die unter dem gelb/grün keck hervorlugenden weißen Socken der Mali-Spieler entfernen, während die Spiels, peu a peu. Es war also fast immer ein Akteur am Spielfeldrand um sich umzuziehen.
Das entwertete das erste Drittel des Spiels nachhaltig.

Danach schaffte Halliche das, was ihm mit Nacional Funchal gegen die Austria Wien noch nicht gelang: ein Kopftor. Diese Führung brachte Algerien dann eine weitere Halbzeit lang über die Bühne. Was auch damit zu tun hatte, dass der alte Trainer Saadane nach seinem Totalversagen im 1. Spiel das Team nicht nur personell umkrempelte, sondern auch taktisch gleich gehörig umstellte. Und das neue 4-2-3-1 kam dem Charakter der Mannschaft gleich viel besser entgegen, als die seltsame 3-5-2-Zieharmonika.

Interessanterweise war das, bei identischer Grundformation (nämlichem 4-2-3-1), bei Stephen Keshis Mali nicht der Fall. Seine Stars sahen bei 4-3-3 des ersten Spiels irgendwie besser aus.
Das lag nicht an Momo Sissoko (Juve), der diesmal neben Diarra (Real) in der Mittelfeld-Zentrale auflief - sondern eher an der schwachen Vorstellung des gesamten Offensive: an Keita (Barca) lief das Match komplett vorbei, der statt Kanoute (Sevilla) aufgebotene N'Diaye floppte.

Und wieder vercoacht ein alter Hase ein Spiel

Zudem erwies sich diesmal Keshi als unbelehrbar und wechselte im Rückstand recht mutlos nur innerhalb seines für dieses eigentliche Entscheidungsspiel zu vorsichtige System. Sogar als der zusätzliche Stürmer Diallo reinkam, musste der dann hinter dem ebenfalls eingewechselten Kanoute herumgurken. Auf so wenig Feuerkraft war die algerische Abwehr zunehmend besser eingestellt - und ließ nichts zu.

Und auch die beiden vielleicht schwächsten Torleute (im Fall des Mali schon der zweite - Diakete stand Sidibe um nichts nach) konnten nichts dazu beitragen, dass noch Tore fielen.

Für Algerien bedeutet dieser Sieg, dass sie noch weiter im Rennen sind; für den ewigen Co-Favoriten Mali geht sich selbst bei einem Sieg im letzten Spiel nur mit Schützenhilfe noch was aus.

Denn die Gruppe ist ausgeglichen.

Angolanische Wucht

Zwar hat sich im zweiten Spiel der Gastgeber vergleichsweise sicher durchgesetzt, aber der Gegner, die Underdogs aus Malawi, haben auch bei ihrem zweiten Turnier-Auftritt eine wirklich gute Figur gemacht. Gegen den Gastgeber, gegen das volle Stadion, auch ein wenig gegen einen davon beeindruckten Schiedsrichter zu spielen und nicht abzukacken, dazu gehört schon einiges.

Auch weil Angola cleverweise nur das Gute aus dem ersten Match gezogen hatte und sein hochoffensives Spiel noch verfeinerte. Und das, obwohl ihnen Dede gar nicht zur Verfügung stand und mit Gilberto (1. Hälfte), Flavio (2.Hälfte) und Djama (Schlussphase) gleich vier Spieler verletzt ausfielen.

Angola ist keine typische afrikanische Mannschaft: sie agieren nicht so im Kollektiv wie die Teams aus dem Norden, nicht so aus dem überragenden Spielwitz wie die Teams aus dem Westen, nicht mit dem Powerspiel der Teams aus dem Süden - sie mischen all diese Elemente ungewöhnlich durch.

Außerdem sind sie die womöglich wuchtigste Truppe: keine andere Mannschaft bei diesem Turnier flankt so viel, keine andere versucht quasi britisch über Kopfbälle zum Erfolg zu kommen.

Angolanische Körperlichkeit

Auch diesmal wieder: das vorentscheidende 1:0 macht Flavio, obwohl der gar nicht der Allergrößte ist. Nachdem er und Manucho (und der ist wirklich ein Langer) minutenlang stark geübt hatten. Manucho machte nach einem Abwehrfehler das 2:0.
Und nachdem die Mannschaft aus Malawi zwar wirklich gut mithalten konnte, aber nicht die individuelle Klasse der Mali-Stars aufbringt, die auch ein 0zu4 noch biegen können, gelang es den Angolanern diesmal, den Sieg über die Zeit zu spielen.
Nicht ohne wieder gegen Ende systematisch zusammenzubrechen. Vielleicht macht das sehr körperliche Spiel des Gastgebers die Spieler so kaputt und so verletzungsanfällig. Gefährlich wird das natürlich noch im Verlauf des Turniers, weniger werden die Anstrengungen nämlich nicht werden.

Meine Lieblingsszene des heutigen Abends war aber der Roar der vor einer Einwechslung durchs abendliche Rund des Stadions in Luanda ging: der großartige Flavio hatte sich verletzt, der grandiose Manucho kümmerte sich um ihn, aber die Zuschauer schrien den Ersatzmann, den dritten Stürmer ins Spiel.

Mantorras!

Der, Pedro Manuel Mantorras, ist der Pechvogel der Nationalmannschaft, ein von Verletzungen, blöd gelaufenen Wechseln und anderen Verzagtheiten Gezeichneter - und aktuell nicht einmal die erste Wahl. Trotzdem brüllten die Menschen im Stadion vor Begeiserung als er sich dranmachte ins Spiel zu kommen. Sie kreischten, als er den ersten Ball berührte, sie jubelten, als er einen Freistoß (den ihn die Teamkameraden problemlos schießen ließen) knapp drüberhaute.

Und dann tröteten sie, das losgelöste Publikum, die Vuvuzelas die letzte Viertelstunde so laut, dass sich der Wahnsinn des 1. Spiels (vier Gegentore) nicht wiederholte. Und es war gut so. Auch wenn es die Probleme, die noch vor Wochenfrist die Schlagzeilen gemacht hat, hinter einen Vorhang der Begeisterung kehrt. Sie werden dort schon wieder hervorkommen, daran führt kein Weg, auch nicht dieses sportlich schöne Turnier, vorbei.