Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Afrika-Cup-Log, 6. Fehleinschätzungen."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 1. 2010 - 21:51

Afrika-Cup-Log, 6. Fehleinschätzungen.

Mit Kamerun strauchelt ein weiterer Favorit, und bringt mich dazu ein Muster zu entdecken.

Africa Cup Log

Was man den vier Mannschaften der Gruppe D beim Afrika-Cup in Angola nicht vorwerfen kann, ist dass sie taktisch oder strategisch etwas falsch gemacht hätten, im Gegenteil. Kameruns 4-3-3 war ebenso vorbildlich wie das kompakte Schachtelsystem des Gabun, Tunesiens sehr europäisches 4-4-2 erfüllte seinen Zweck ebenso wie Zambias interessantes 4-1-3-2. Deshalb sind diese Mannschaften (mit Ägypten und Nigeria) auch die bislang besten beim Afrika-Gipfel.

Die Fehleinschätzung im Titel, die ist mir unterlaufen.

Weil sich im Ranking, in der Hierarchie der afrikanischen Nationalmannschaften in den letzten Jahren nicht allzu viel getan hat, habe ich übersehen, dass die Lücke hinter den auch hierzulande bekannten Teams (wie eben Kamerun, Nigeria, Cote d'Ivoire etc) geschlossen wurde. Es gibt eine breite Mittelklasse, die angedockt hat und gut mitspielt. Manche mit schlotternden Knien wie Burkina Faso, manche mit unerhörter Frechheit wie Malawi, manche mit taktischer Höchst-Disziplin wie Gabun.
Kein Team fällt hier ab, die Mannschaften (vor allem die des Westens) haben ihre Legionäre und entsprechende Erfahrungen in Europa, die Süd-Teams sind zudem in der durchaus kompetativen südafrikanischen Meisterschaft vertreten, überall treffen globale Erfahrungswerte dann auf interessante Trainer-Figuren der modernen Generation, die längst die alten knorrigen Figuren, die noch den Kolonial-Geist geatmet haben, ersetzen.

Fehleinschätzung Gabun

Das hab ich im Vorfeld übersehen.
Und deshalb sollte sich dann niemand über eine Niederlage des haushohen Favoriten Kamerun gegen den Außenseiten Gabun wundern.
Oder dann doch - ein wenig zunmindest. Denn natürlich war das, was Eto'o, Emana, Webo und später auch Salzburgs Somen Tchoyi offensiv boten, von guter Qualität. Es fehlte aber der Nachdruck, mit der man seine Chancen herausspielt.
Sagt sich so leicht, vor allem, wenn man die sensationelle Organisation, die Trainer Alain Giresse seiner Mannschaft mitgegeben hatte, mitbedenkt.

Giresse war ein Viertel des französischen Jahrhundert-Mittelfelds Tigana-Platini-Fernandez-Giresse und jetzt eben Coach beim Ausrichter des Afrika-Cup 2012. Im Gabun hat man kapiert, dass der Anschluss an die kontinentale Klasse eben nur über Qualität geht - und sie vor allem im Coach gefunden.
Paul LeGuen, auch ein französischer Mittelfeld-Held der Vergangenheit, hat bei Kamerun zwar jede Menge spielerische Klasse und baute sein Team auch gut um (mit Nkoulou und Alexandre Song hat er das defensive Zentrum klug verjüngt) - dafür kann er diesem Starteam kein so festes Konzept auf den Leib zurren; da würden die wohl rebellieren.

Darin lag der Vorteil von Giresses Team. Und weil es so gut aufgestellt war, dass es so wenig zuließ, konnte es einen Sieg nach Hause schaukeln, der noch sensationeller ist als der von Malawi über Algerien.

Fehleinschätzung Tunesien

Die zweite Fehleinschätzung meinerseits betraf Tunesien.
Ich hab mir deren Kader im Vorfeld (im Gefühl über dieses Team eh alles zu wissen) nur oberflächlich angeschaut und deswegen übersehen, dass hier ein radikaler Schnitt gemacht wurde. Praktisch alle Helden der letzten 10 Jahre wurden verabschiedet, eine erstaunlich junge und erstaunlich einheimische Mannschaft wird da hochgezogen, von einem heimischen Coach (Faouzi Benzarti) noch dazu.

Das hat einerseits mit den schwachen Leistungen der letzten Jahre zu tun, vor allem aber dem eher unglücklichen Aus in der WM-Quali. Da verlor man das letzte Spiel gegen Mozambik und musste Nigeria den Vortritt lassen. Und das war dann der Moment, in dem es dem Verband gereicht hat.

Bis auf Haggui, Ben Saada und Chermiti ist keiner der Alten übergeblieben. Und, klar braucht dieses völlig neue Team ein wenig Anlaufzeit, ein bisserl Schnupper-Lehre; und deshalb ist es in Angola keineswegs der Co-Favorit dieser Gruppe, wie es die Papierform nahelegen würde.

Die Rolle fiele dann wohl eher Zambia zu, einer gut zusammengespielten Truppe, die - für ein Team des Südens eher unüblich - auf einen französischen Trainer bauen, Herve Renard, den Ex-Co von Claude LeRoy.

Die Katongo- und die Mulenga-Brüder, Charanga und Co waren in ihrem ersten Gruppenspiel von dieser neuen Rolle fast ein wenig überfahren. Zwar brachte vor allem Rainford Kalaba von Uniao Lieira und das gute Funktionieren der hochoffensiven Aufstellung (letztlich mit fünf Attakanten) Zambia die höheren Spielanteile - letztlich konnte das ebenso stringent aufgestellte tunesische Team aber das Schlimmste verhindern und ein 1:1 retten.

Die Jungen sind also nicht eingebrochen und die an sich als Favoriten Vorbeigewunkenen müssen sich an diese Rolle erst gewöhnen.

Fehleinschätzung Turnier-Favorit

Gut war das allemal, beide Spiele nämlich: Tempo, Technik, Taktik auf mehr als anständigem Niveau.

Und natürlich denkt noch niemand daran Kamerun, Nigeria oder die Cote d'Ivoire nach ihren Erstrunden-Ausrutschern abzuschreiben. Auch weil man außer Ägypten (denen immer alles zuzutrauen ist) keinem aus der zweiten Reihe den Titel zutraut, ja nicht einmal das Halbfinale.

Das hat wohl mit der anfänglich erwähnten Fehleinschätzung zu tun, die mir ja auch widerfahren ist.
Weshalb auf der "Wer macht's?"-Liste der Experten Gabun, Zambia aber auch Angola oder Mali (die wohl auch zurecht) wohl trotzdem fehlen werden.

Ich mach's mir leicht.
Mein Turnier-Tipp ist aktuell Ghana.
Die konnten, aufgrund der tragischen Absage von Togo, bislang zuschauen und aus allen Fehlern, die alle anderen Teams schon gemacht haben, lernen.
Unbezahlbar, dieser Vorteil.

Morgen kommt die Gruppe mit Veranstalter Angola wieder dran - und muss zeigen, dass sie mehr können als vier Tore Vorsprung zu vergeuden. WM-Starter Algerien kämpft da schon um seine letzte Chance und die Super-Underdogs aus Malawi suchen Bestätigung. Ich werd' ihnen dabei gerne zusehen.