Erstellt am: 12. 1. 2010 - 19:15 Uhr
Afrika-Cup-Log, 5. Schlager.
Africa Cup Log
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Selbstverständlich ist es ein Schlager, wenn der sechsfache gegen den zweifachen Champion antritt, der Titelverteidiger gegen den vormaligen Olympiasieger, der zweifache gegen den dreifachen WM-Teilnehmer.
Und natürlich ist es ebenso auch ein Aufeinandertreffen der Unsicheren: Nigeria hat sich nach Südafrika gezittert, Ägypten musste gar in ein Entscheidungsspiel und hat das gegen den Erzrivalen aus Algerien verloren.
Das Gejammer und Gezeter dieser Niederlage überschattet die ägyptische Teilnahme am Afrika-Cup noch. Die Tage von Hassan Shehata, dem Coach, der die letzten beiden Turniere gewinnen konnte, sind gezählt. Das überalterte Team wird nach diesem Cup ebenso runderneuert werden.
Für die meisten Beteiligten ist der CAN in Angola also ein Abschied vom internationalen Fußball.
Von Nigeria wird, wie bei jedem Antreten, der Titel erwartet, man sieht sich selber als das Brasilien des Kontinents, als die große Konstante mit einem unerschöpflichem Reservoir an Talenten, die dieses bevölkerungsreiche Land stellen kann.
Auch Coach Shaibu Amodu steht unter enormem Druck: wie jeder Einheimischer soll er besser sein als die ausländischen Coaches, die sich die gern wirr agierende Föderation sonst eintritt (zuletzt etwa mit dem Missgriff Berti Vogts). Ein unlogisches und böses Mühle-Auf-Mühle-Zu-Spiel.
Shehata und Amodu
Dass sich unter solchen Vorzeichen trotzdem ein ansehnliches Schlager-Spiel entwickelt, ist der Rivalität dieser beiden gefühlten Kontinental-Leader und der Unterschiedlichkeit ihrer Spielanlagen geschuldet. Das ist so, wie wenn Italien gegen Brasilien spielt - es ist immer was los.
Amodu lässt ein 4-3-3 spielen - logisch, denn er hat bis auf John Obi Mikel gerade keinen Mittelfeldspieler von Weltklasse, dafür aber durchaus mehr als genug Angreifer.
Shehata setzt dem ein System entgegen, das je nach Spielsituation mutieren kann: er beginnt mit einem 4-4-2 mit einem defensiven und drei zentralen Mittelfeldspielern und offensiven Außenverteidigern. Wenn Nigeria powert, zieht er Hany Said als eine Art Libero in eine Dreierkette und hat sofort sein 3-5-2.
Die drei kreativen in der Mitte (Hosny, 2008 Spieler des Turniers, Kapitän Ahmed Hassan und Ghaly) sind so dominant, dass sämtliche Aktionen Nigerias über die Flügel laufen müssen. Und dort laufen sie gut: Yusuf und vorne der Hoffenheimer Obasi über rechts, Taiwo und vorne Uche über links sind effektiv genug für eine Führung.
Obasi und Fathi
Allerdings erholt sich das ägyptische Spiel, auch mit enormem Druck über die Außenspieler Fathi rechts und Moawad links recht schnell und Meteeb gelingt nach einem Abwehrfehler (Nigerias Kapitän Yobo ist zu langsam, er hat seinen Zenit überschritten) der Ausgleich.
Und obwohl Nigeria nach der Halbzeitpause wieder lospowert, gelingt es den Ägyptern das Spiel unter Kontrolle zu bringen, ja sogar in Führung zu gehen - der hervorragende Zidane (spielt als einziger Einberufener in Europa, in Dortmund) legt auf für Hassan, dessen Schuss noch abgelenkt wird.
Die Überlegenheit im Mittelfeld macht sich daran das Spiel zu entscheiden, denn Ägypten lässt einfach nichts wirklich Gefährliches mehr zu. In der 79. Minute nimmt Amodu den Mann von Chelsea, John Obi Mikel, herunter und bringt den langen Nwanku Kanu, also einen vierten Angreifer. Das macht optisch was her, nutzt aber wenig, weil der Aufbau nicht klappt.
Meteeb und Mikel
Stattdessen fängt sich Nigeria noch ein drittes und entscheidendes Tor ein.
Erzielt hat es im übrigen Gedo, ein 26-Jähriger mit ganzen zwei Länderspielen, ein Produkt der überalterten Struktur der Ägypter. Shetata hat zwar schon auf einige seiner Altstars verzichtet (Abutreika und Amr Zaki sind verletzt, Mido oder Shawky nicht) aber seine bislang international unbekannte Bank hat einen Altersschnitt von immer noch über 25.
Die unerfahrene Bank ist auch Nigerias Hauptproblem: außer dem angeschlagenen Obafemi Martins wäre da nur der erfahrene Odemwingie.
Der Sieg ist letztlich auf das klügere System und die Tatsache, dass Ägypten schnell switchen kann, zurückzuführen, während Nigeria sich da schon viel schwerer tut.
Wichtig ist aber: das alles spielte sich auf hohem Niveau, in gutem Tempo und mit herausregender Technik ab - was diese beiden großen Kontinental-Player von den bisherigen Auftritten abhebt.
Für die leidgeplagten Ägypter, die sich allzu schnell in eine manisch-despressive Stimmung begeben, ist dieser Auftakt-Sieg reiner Balsam. Für Nigeria sollte es auch keinen Beinbruch darstellen gegen den Titelverteidiger nicht gewonnen zu haben.
Natürlich sollte man angesichts der Ergebnisse von gestern vorsichtig sein - aber weder Mozambik noch Benin werden den beiden Favoriten in dieser Gruppe wirklich gefährlich werden können. Die spielen in einem vernachlässigbaren Match ein 2:2 aus, was beiden noch zusätzlich schadet.
... und der nötige Blick aufs Umfeld
Die Mannschaft von Togo wurde nicht, das sagt Verbands-Chef Issa Hayatou ganz klar, "disqualifiziert", wie das durch die westliche Presse geisterte; man hat sich zurückgezogen und der afrikanische Verband hat das klarerweise akzeptiert.
Und natürlich muss sich der südafrikanische Verband immer noch mit blödsinnigen (europäischen) Schlagzeilen herumschlagen, die den Vorfall von Cabinda mit der WM in Südafrika in Verbindung bringen. Es ist halt ganz schön schwer komplett ahnungslosen Westlern, die Afrika für eine Art Wurmfortsatz südlich des Mittelmeers, für ein Land mit einer Kultur halten und übersehen, dass zwischen Angola und Südafrika nicht nur etliche Kilometer, viele Nationastaaten und ein drastischer Unterschied an politischer Kultur herrscht.
Danny Jordaan vom Organisations-Komitee vergleicht die Situation ganz richtig mit der WM in Deutschland, die auch niemand wegen des Kosovo-Konflikts in Frage stellte, wiewohl da die Verbindungen sogar enger waren. Aber diese unreflektierte Haltung zu allem, was außerhalb eines sehr engen Gesichtsfeldes passiert, macht ja einen Gutteil des Problems aus, das Europa mit seiner Sicht auf die sogenannte Dritte Welt hat. Im übrigen äußert sich das auch in der aktuellen Berichterstattung über den Afrika-Cup: wer etwa nur den deutschen Eurosport-Kommentar zur Verfügung hat, muss sich ob der wie selbstverständlich dauerrepetierten Klischees, Untergriffe und Rassismen andauernd das Speib-Sackerl bereithalten - der englische Kommentar, immer auch mit Experten, kommt erstaunlicherweise ganz ohne diesen Schund aus.