Erstellt am: 11. 1. 2010 - 19:26 Uhr
Afrika-Cup-Log, 4. Favoriten-Stürze.
Africa Cup Log
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Ich bin kein Freund von dem, was man "alte Trainerfüchse" nennt. Gludovatzsche Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber vor allem die als Weisheit getarnte Inflexibilität und taktische Sturheit der Oldies (von Rehagel abwärts) nervt.
Und schon der erste Blick auf Rabah Saadane den großen alten Trainer Algeriens hat mich unruhig gemacht; weil es da wieder war, dieses scheinbare Allesimgriffhaben der Alten, das dann zumeist in völlige Bewegungslosigkeit ausartet, wenn etwas Unerwartetes passiert.
Saadane war schon Algeriens Trainer bei der WM 86, als Zidanes Onkel Djamel noch für die alte Heimat spielte und man muss ihm zugute halten, dass immer dann, wenn er Teamchef war, ein paar Erfolge da waren: 2003, als man sich zuletzt für den Afrika-Cup qualifizierte und eben 2009, als man erstmals seit eben 86 wieder eine WM erreichen konnte.
Dann höre ich aber, dass er das Team in Frankreich zusammengezogen hat, anstatt sich rechtzeitig mit der Hitze in Angola auseinanderzusetzen und ich erwarte das Schlimmste. Nicht heute gegen den krassen Außenseiter Malawi, aber für die Gruppe gegen die hochgepitschten Angolaner und die Mali-Stars.
Malawi demütigt Algerien
Saadane lässt sein Team in einem seltsamen 3-5-2 auflaufen, das letztlich auf ein 5-3-1-1 rausläuft, so defensiv wird es interpretiert. Gut, mit Yahia fehlt ein wichtiger Abwehrspieler und Tormann Gaouaoui ist der Blinddarm durchgebrochen, weshalb Ersatzmann Chaouichi aufläuft. Meghni spielt ohne Not nicht.
Und sofort geht von Anbeginn an nichts zusammen. Zwischen dem Mittelfeld, das sich über seine Raumverteilung nicht im Klaren zu sein scheint, und den Angreifern (von denen Saifa zunächst auch noch viel hinten herumhängt) klafft ein Riesenloch, die Dreierkette steht meistens gegen einen einzigen Gegner herum - und über die Außenspieler geht wenig. Das ist das Risiko bei einem 3-5-2 - du machst dich von einem einzigen Flügelmann abhängig.
Beim Gegner, dem Underdog Malawi, spielt man ein dezentes 4-4-1-1 mit zwei Ketten und zwei gestaffelt antretenden Angreifern - ein gutes Rezept für eine an sich klar unterlegene Mannschaft. So geht über die Flügel einiges, was die algerische Abwehr so nervös macht, dass sie sich auch bei Longpasses wie die Schüler anstellen.
Nicht nur, dass die vom Aufbau recht abgeschnittene algerische Offensive selber wenig zustandebringt - die zahlenmäßig überlegene Defensive schusselt die gesamte 1. Halbzeit hirnlos herum.
Coaching-Nono: gar nichts tun
So fallen dann auch die beiden malawischen Sensationstore aus der 1. Hälfte genau so: zuerst brachte ein langer Ball von Rechtsverteidiger Kafoteka Verwirrung, die algerische Abwehr und der unsichere Tormann sprachen sich nicht ab, zweiterer schoss einen nachsetzenden Stürmer an und Russell staubte ab. Den zweiten Treffer köpfte Kafoteka (der beim Weltklub Escom United daheim in Malawi spielt) dann gleich selber, nach einem Cross von links.
Auf das, das oben von mir angesprochene "Unerwartete", reagierte Algerien, reagiert sein alter weiser Coach wie folgt: gar nicht. Und das war das wirklich Unfassbare an diesem Spiel, dass für Algerien dann folgerichtig und unendlich peinlich mit 0:3 verloren ging. Als wäre alles an der zu vorsichtigen und wenig gut kombinierenden Grundaufstellung in Ordnung, wechselte Saadane dann lediglich innerhalb dieses laschen Systems, anstatt es mit einem Schlag umzukrempeln. Außenspieler für Außenspieler, Stürmer für Stürmer.
Und genau das ist es eben, was mich an alten Trainerstars wahnsinnig macht: die Langsamkeit der Entscheidung, das Beharren auf Nicht-Funktionierendem, der Altersstarrsinn eben; im modernen, hochflexiblen Fußball das Allerdümmste.
Das algerische Team hat aber auch abgesehen davon enttäuscht: Selbst mit den drei bitter fehlenden Stars und der einen oder anderen Veränderung, das ist zuwenig, um beim Afrika-Cup ernsthaft mitzuspielen. Von der WM gar nicht zu reden.
Warten auf die ivoirische Inspiration
Der zweite Favorit am zweiten Tag des Afrika-Cups ist gleich einer fürs Turnier: die Cote d'Ivoire, die Startruppe um Didier Drogba, Kolo und Yaya Toure. Nach Platz 4 vor zwei Jahren und der Finalniederlage vor vier Jahren sind die jetzt fällig für den Titel, sagen die Experten.
Ich sage das nicht.
Nicht deshalb, weil mich schon nach drei Minuten Drogbas Crybaby-Elferschinderei unglaublich nervt. Auch nicht, weil sich diese Gruppe wirklich begnadeter Kicker gegen die durchaus guten, aber limitierten Gegner aus Burkina Faso aus reiner Überheblichkeit ganz deppert anstellt und richtig um ihr Malawi-Erlebnis betteln. Sondern weil dieser Mannschaft seit Jahren so etwas wie ein regulierender Teamgeist fehlt, den es etwa bei Nigeria, Kamerun oder Ghana ja auch gibt.
Dabei sind die Vorzeichen so gut wie nie.
Vahid Halilhodzic, harter, kantiger Ex-Yugo-Spieler und dann ebensolcher bosnischer Trainer in Frankreich, hat das Team der Elfenbeinküste seit eineinhalb Jahren recht gut im Griff, holte einige gute junge Spieler dazu, ließ dafür ein paar Altstars (trotz ihrer Lobby im Team) draußen.
Aber: das Gefühl hat sich nicht geändert.
Drogba und die anderen glauben an sowas wie ein göttlches Recht oder einen Schicksalsspruch, der sie, als quasi das gelobte Team von ganz alleine zum Titel schwappen muss. So zumindest reden, agieren und spielen sie.
Burkina Faso beschämt Cote d'Ivoire
Das ist mir zu wenig diesseitig, zu verschwurbelt.
Und eine solche Einstellung schmeckt nach wiederholter Enttäuschung.
Und auch wenn mir klar war, dass sich der Treffer und damit der Sieg gegen die viel zu zittrigen Gegner aus Burkina Faso schon einstellen würde, hab ich zu denen gehalten, ganz automatisch, wegen Jonathan Pitriopa vor allem, der dort gute Arbeit leistet.
Immerhin ändert Halilhodzic im Verlauf der 2. Halbzeit nicht nur seine Offensive, sondern auch sein System. Er macht aus einem 4-3-3 nach italienischen Vorbild ein 4-2-4 (!) und er ersetzt vor allem die Galerie-Fudler Bakari Kone und Gervinho durch Salomon Kalou und Abdulkader Keita. Die zwei Zupfer hatten in der 67. Minute die einzige echte Torchance für die Cote d'Ivoire jammervoll vernudelt.
Dass es trotz des erhöhten Drucks nicht zu Torszenen und damit auch nicht zu einem Sige reicht, verblüfft mich.
Dass Kolo Toure nach dem Spiel kein Problem mit dem doch ein wenig beschämenden 0 zu 0 gegen den Außenseiter hat, ebenso.
Irgendwie ist das alles noch wackeliger als bei den beiden letzten Turnieren.
Burkina Faso wurde deshalb nicht zu Malawi, weil alle außer Pitroipa und vielleicht noch Dagano alle soviel Bibber vor den Superstars hatten, dass sie es kaum wagten auf deren Tor zu schießen.
Neues zum Überfall auf Togo
Das Abendspiel zwischen Togo und Ghana fällt aus den bekannten Gründen aus. Die einigermaßen traumatisierte Nationalmannschaft wollte zwar antreten, Verband und Staatsführung pfiffen sie allerdings zurück. Und das nicht nur aus politischem Kalkül, sondern im Wissen, dass ein Antreten auch sportpsychologisch unverantwortlich gewesen wäre.
In der Zwischenzeit haben sich die Separatisten der FLEC, die für das Feuergefecht, bei dem zumindest zwei Mitglieder der togolesischen Delegation gestorben sind, quasi entschuldigt. In einer Erklärung wurde bekanntgegeben, dass der Bus zufällig in eine Kampfhandlung reingezogen wurde, die den angolanischen Begleittruppen galt. Für die FLEC ist das Areal, in dem der Überfall passierte, Kriegsgebiet.
Angola kratzt der blutige Auftakt (öffentlich) nicht sonderlich. So wurde das Cote d'Ivoire-Burkina Faso-Spiel in Cabinda unter hoher Anteilnahme des Publikums durchgeführt, das Stadion war gut gefüllt, die Stimmung erstklassig, auch während der Trauerminute wurde durchgepartyt. Da hat das Regime Wert auf dfie Inszenierung gelegt.
Dem fiel das Algerien-Malawi-Spiel in Luanda irgendwie zum Opfer. Dort waren vielleicht 800 Leute im gestern mit 50.000 gefüllten Stadion - ein krasses Versagen der Organisatoren. Aber offenbar konnte man sich wegen der unbedingten Konzentration auf die Krisen-Provinz Cabinda nicht auch noch darum kümmern. Es bleibt auch an dieser Front interessant.