Erstellt am: 10. 1. 2010 - 23:55 Uhr
Afrika-Cup-Log, 3. Eröffnung.
Hier Infos zum Spiel und zur aktuellen Lage rund um die togolesische Nationalmannschaft und die Katastrophe von Cabinda.
Sicher, wäre Manuel Jose, der portugiesische Teamchef von Angola, der sich seit einem halben Jahr auf das Heim-Turnier seines Arbeitgebers vorbereiten kann, ein Österreicher, dann würde ich ihn ordentlich durch den Verbal-Fleischwolf drehen: Angola mit einem halbgaren, monströs konservativen 3-5-2 antreten zu lassen, auweia.
Andererseits hat Manuel Jose aber nicht nur die portugiesische Taktik-Schule durchlaufen, sondern hat auch Afrika-Erfahrung: er war jahrelang Coach bei Al Ahly, dem Groß-Klub aus Kairo in Ägypten. Wo man auch gern konservativ aufstellt. Weil es der Mentalität entspricht, der fußballerischen wohlgemerkt.
Africa Cup Log
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Weder in Ägypten noch in Angola kann man sich nämlich auf die Superstars der Westafrikaner verlassen, die so ein Spiel gern allein rumreißen, oder auch nur rumreißen wollen.
Mit solchen Talenten ist hingegen Mali gesegnet: mit Freddy Kanoute (Sevilla), Seydou Keita (Barca), Mahamadou Diarra (Real) oder Mohamed Sissoko (Juve).
Dort ist Stephen Keshi Trainer, der grandiose bullige Nigerianer, Ausnahmespieler und langjähriger Coach seines Landes, einer der wenigen afrikanischen Trainer mit einem Ruf.
Noch dazu mit dem eines Schlitzohrs.
Das Spiel von Jose und Keshi
Keshi ist im Vorfeld klar im Nachteil. Ihm fällt mehr oder weniger die gesamte Einser-Abwehr aus (Adama Coulibaly, Samy und Djimi Traore...), dazu hat er vor Defensiv-Chef Diarra kein brauchbares Offensiv-Mittelfeld. Sissoko ist nach Verletzung außer Tritt, der Tormann nur solala - was soll der arme Keshi also tun, als sich auf seine Stars zu verlassen?
Interessanterweise stellt er im Eröffnungsspiel dieses Afrika-Cups dann nicht einmal Star Keita auf und trägt seinen Teil dazu bei, dass Mali nicht und nicht in Tritt kommt: hinten ist man unsicher, im Mittelfeld unsichtbar und vorne wird Kanoute von seinen beiden Flügeladjudanten nicht gerade gut unterstützt.
So ist Keshis an sich gut gesetztes 4-3-3 nichts wert gegen Joses an sich lächerliches 3-5-2.
Angola startet mit drei Innenverteidigern und einem breiten Mittelfeld aus dem vor allem der rechte Flankenspieler Mabina (einer der noch daheim bei Petro Luanda spielt) herausragt. Dazu vorne Manucho, den ManU nach Spanien verliehen hat und Flavio, seit Jahren der Vorzeigespieler Angolas, den Jose schon bei Al Ahly in Kairo unter seinen Fittichen hatte, ebenso wie Gilberto, den zentralen Mittelfeldspieler.
Togo ist in Luanda kein Thema
Und aus genau solchen Bausteinen der Verlässlichkeit setzt Manuel Jose sein Underdog-Team zusammen: Angola hat an sich keine Chance, ist in punkto persönliche Klasse deutlich im Hintertreffen, kann aber durch bessere Organisation und mehr Mumm punkten.
Dazu spielt man vor 50.000 unglaublich vorwärtstreibenden Fans in einem famosen Ambiente.
Also fällt dann nicht weiter auf, dass die Hintermannschaft der Angolaner sich an Unsicherheit mit der des Gegners matchen kann - weil die Gastgeber das alles mit durchaus frechen Angriffen, meist eben über rechts, überspielen.
Sie haben sich nicht eine Sekunde lang vom Drama um die Tragödie der Togolesen und der Problemtaik um Cabinda ablenken lassen, sie hatten schon den Tunnelblick des Kämpfers, der sich seit Monaten auf den Tag X vorbereitet. Und der Tag X war heute Sonntag - Start ins erste wirklich wichtige Sportereignis des Landes.
Mali war so gesehen ein dankbarer Gegner: sich überschätzend, sich auf das Können Einzelner verlassend, ein überheblicher Jammer war die Folge, da ging gar nichts.
In der 34. Minute rechte es Keshi: er brachte Barcelona-Superstar Seydou Keita anstatt seines bisherigen linken Flügels. Zwei Minuten später ging Angola aus einem Standard in Führung: Falvio köpft ein, nach einer Freistoßflanke reagiert die gesamte Abwehr nicht, er schon.
Weitere sechs Minuten später flankt der grandiose Mabina und wieder nickt Flavio, 2:0, wieder sieht die Abwehr matt aus. Angola springt in die Kabine, die Spiele aus dem Mali trotten betropezt hinterher.
Das Spiel zwischen Angola und Mali
Nach der Halbzeitpause brechen alle Dämme: wo die 1. Hälfte noch vorsichtig angegangen wurde, wird jetzt auf Teufel komm raus gespielt. Mit zwei höchst unsicheren Abwehrreihen ergibt das eine Fehler-Orgie, die jede Menge irrwitzige Szenen nach sich zieht. Angola-Tormann Carlos, das einzige Weißbrot auf dem Feld, verhindert den Anschluß, dann gewährt der Schiedsrichter dem begeisterten Publikum gleich zwei Elfmeter (vielleicht einen zuviel), die Gilberto und Manucho verwerten.
Nach 75 Minuten führt der Gastgeber 4:0 gegen den Geheimtipp und badet in Lust und Freude. In der Präsidentenbox steppt der Bär, auf den Rängen tobt die fröhliche Masse, auf dem Feld grinsen sich die Spieler an. Jose nimmt Gilberto und Flavio runter - das Spiel ist gewonnen.
Nach dem erstocherten Anschlußtreffer durch Keita denkt sich niemand was, auch wenn sich die Antreiber des Mali immer grimmiger gegen diese Niederlage stemmen.
In der 87. gelingt Kanoute ein wunderbares Kopftor zum 4:2 und noch immer kommt keiner auf die Idee dass sich was drehen könnte.
Als dann nach knapp 92 Minuten Keita einen Cross volley versenkt, ist mir in dem Moment, wo die Angolaner den Ball zittrig auf den Anstoßpunkt legen, um noch 90 Sekunden Spiel zu überstehen, klar, dass sie noch den Ausgleich fangen werden.
Die Abwehr ist völlig zusammengebrochen, Angst im Mittelfeld, Angst vor dem Fehlpaß. Das 4:4 des eingewechselten Yatabare ist nur folgerichtig.
Denkwürdige Fehleransammlung
Keshi grinst, Jose flucht, Flavio trommelt mit den Fäusten auf die Plexiverglasung der Wechselbank, die Regierungsloge zieht eine Schnute und Diarra dankt irgendwem im Himmel.
Das Kollektiv hat das Star-System lange am Haken gehabt, aber nicht einholen können, der Übereifer hat sich ebenso selber besiegt, wie die Großmannssucht Besseres verhindert hat.
Beide Mannschaften werden diese Bewerb nicht gewinnen; nicht gewinnen können mit einer derartigen Defensive.
Beide sind auf ihre Art zu schwach: Angola was spielerisches Potenzial betrifft, Mali was Teambuilding anbelangt,
Dass Angola und Mali für das denkwürdigste Eröffnungsspiel eines Afrika-Cups seit langem gesorgt haben, das kann diesen Truppen, das kann auch Jose und Keshi aber niemand mehr nehmen.