Erstellt am: 10. 1. 2010 - 13:53 Uhr
Afrika-Cup-Log, 2. Preview.
Africa Cup Log
- Alle Einträge gibt's unter fm4.orf.at/africacup
Afrika ist ein riesenhafter vielbevölkerter Kontinent.
Die einzelnen Völkerschaften, Kulturen, Sprachen und Einstellungen haben untereinander weniger miteinander zu tun als das innnerhalb von Europa der Fall ist.
Trotzdem hält der Europäer schon seinen Nachbarn für ganz anders, während er "den Afrikaner" als uniformes Wesen betrachtet.
Der heute in Luanda, Angola beginnende Afrika-Cup, die unter einem bösen Stern stehende allzweijährliche Meisterschaft der kontinentalen Nationalmannschaften bietet eine hervorragende Möglichkeit diese wunderbaren und aussagekräftigen Unterschiede einmal wahr- und damit wenigstens zur Kenntnis zu nehmen.
Afrika wird sowohl von den UN als auch vom ANC, dem kontinentalen Fußball-Verband in 5 Regionen eingeteilt - das trägt der Vielfalt auch nicht Rechnung, ist aber eine ungefähre Hilfestellung. Wenn wir uns ansehen, woher die 16 Teilnehmer dieser Endrunde kommen, klärt das nämlich bereits einiges.
1 - UNAF
Kurze Erklärung:
die Kapitel-Abkürzungen sind keine Gags oder erfunden, sondern die Namen der regionalen Fußball-Föderationen. Im Fall des West-Region, in der englisch und französisch recht gleichberechtigt nebeneinander existieren, hab ich beide gebräuchlichen Kürzel genommen.
Klar, Nordafrika ist anders. Die Bewohner der Mittelmeeranrainer-Staaten oberhalb der Sahara sind hellhäutiger, sie sind Araber, ihre Geschichte und Kultur hat andere Wendungen durchlaufen - trotzdem sind die Traditionslinien in den Süden heftig und wichtig. Ägypten hat mehr mit dem Sudan zu tun als mit Jordanien, Libyen mehr mit dem Tschad als mit Italien, Algerien mehr mit dem Mali als mit Frankreich.
Trotzdem sind die Nordafrikaner interkontinantel nicht beliebt, als Snobs, die sich für was Besseres halten, verschrien.
Die Teams aus Ägypten, Tunesien und Algerien gehören automatisch zu den Co-Favoriten. Es fehlen ihnen zwar die großen Stars in den großen europäischen Ligen, dafür haben sie - auch wegen ihrer vergleichsweise starken nationalen Ligen - meist ein gut eingespieltes Mannschafts-Gerüst.
Ägypten ist Titelverteidiger und auch Sieger von 2006, Tunesien gewann 2004, Algerien ist nach langer Durststrecke wieder einmal mit einer chancenreichen (und auch jungen) Mannschaft dabei. Von den üblichen Verdächtigen fehlt nur Marokko, die sich in einer bescheuerten Qualifikation selber um die Teilnahme-Chance gebracht haben.
Allerdings gilt die Faustregel: je weiter südlich die Spiele stattfinden, desto geringer sind die Chancen der Nord-Afrikaner.
2 - WAFU/UFOA
Westafrika ist das kleinteilige Herz des Fußball-Kontinents Afrika. Hier sind die Nationen beheimatet, die ihre Kicker scharenweise nach Europa exportieren, hier ist die spielerische Qualität, die Klasse, die Technik daheim.
Nigeria, Ghana und die Cote d'Ivoire sind mit die fußballerisch besten Mannschaften des Kontinents.
Und die Teams aus dem Mali, Burkina Faso, Benin und normalerweise auch Togo stellen die stille Reserve dar, punkten mit einzelnen Stars wie Diarra oder Adebayor.
Wirtschaftlich spiegelt das die Realität nicht wirklich wider - im Gegensatz zum vergleichsweise reichen Norden ist der Westen eher sowas wie der Mittelstand des Kontinents. Selbst das (öl)reiche Nigeria schafft es ja nicht die Ressourcen so zu nützen, dass die Volkswirtschaft aufblüht - aber das ist eine andere Geschichte, eine zu den Nachwehen des Kolonialismus (die gestern am Beispiel Angola eh schon erzählt wurde).
Sportlich sind die großen Nationalteams des Westens am weitesten vorne. Weil die großen Drei (eben Nigeria, Ghana und die Cote d'Ivoire) aber fast ausschließlich mit in Europa beschäftigten Legionären operieren, liegt das Problem eher im Bereich Team-Building.
Insofern ist es kein Zufall, dass etwa Togo mit dem Bus anreisen wollte - ein Trainingslager samt Busfahrt schweißt die Fremdarbeiter dann wenigstens knapp vor so einem Turnier ein wenig enger zusammen.
Bedauerlich das Fehlen des Senegal (dessen Team schon die letzten Male mehr als schwächelte), überraschend die Abwesenheit von Guinea, dem ewigenSupergeheim-Favoriten und sehr schade ist es, dass sich die junge Mannschaft des Zwergstaats Gambia knapp nicht qualifizieren konnte - da wächst nämlich von der U17 eine tolle Truppe hoch.
3 - UNIFFAC
Als Zentrum des Kontinents verstehen sich der Tschad, die beiden Congos, der Gabun, Kamerun, ein paar Kleinstaaten und natürlich die Zentralafrikanische Republik.
Die politische Instabilität der letzten Jahre hat sowohl den DR Congo als auch die Republik Congo (die Details hab ich auch bereits gestern angeführt) einiges an Metern gekostet, weshalb es wieder einmal an Kamerun hängenbleiben wird, die Ehre der Zentral-Region zu wahren.
Das ist ja interessant: Kamerun grernzt direkt an Nigeria, steht dem Nachbarn aber quasi Rücken an Rücken gegenüber, man betont stets das Trennende (mit der Sprache angefangen), hat hohe Rivalität. Weil sich der Fußball den Kamerun bereits seit den 80er Jahren bekanntgemacht hat (von Roger Milla angefangen), ist man die immer noch angesehenste Export-Nation. Und hat über die Jahre den Standard gehalten. Kamerun ist vierfacher Titelträger von 84, 88, 00 und 02, also die letzte Sub-Sahara-Mannschaft, die den Cup gewonnen hat.
Auch dabei in Angola ist diesmal der Gabun. Das ist deswegen interessant, weil dort, beim südlichen Nachbarn Kameruns, 2012 der nächste Afrika-Cup stattfindet (der gemeinsam mit Äquatorial-Guines, dem kleinen Nachbarn ausgerichtet wird). Heuer ist man dabei um zu lernen.
4 - CECAFA
Die Problemzone des Kontinents ist und bleibt der Osten: von Sudan über das Horn von Afrika (mit Somalia, Äthiopien, Eritrea samt Piraten und Dauerkriegszuständen in Somaliland) nach Kenya, über Uganda, Burundi, Ruanda, bis runter nach Tansania gibt es zwar überall Einzelerfolge und Lebenszeichen (egal ob in Tourismus oder Leichtathletik) - die katastrophale politische Instabilität (selbst in Kenya wackelt es da gehörig) ist aber ein durchaus verzichtbar einigender Faktor in der Region.
Dass sich keine einzige Nation aus der CECAFE-Zone für den Afrika-Cup qualifiziert hat, ist kein Zufall. Nirgendwo gab es soviele Rückzüge, Spiel-Absagen und Probleme wie hier. Das ist vor allem für Uganda und Ruanda, die auf einem (fußballerisch) guten Weg sind, mehr als schade.
5 - COSAFA
Der Süden ist heuer Doppel-Ausrichter: Angola ab heute, Südafrika dann im Juni/Juli.
Deswegen steht die Region unter besonderer Beobachtung, deswegen ist es eigentlich auch ein Skandal, dass es die südafrikanische Nationalmannschaft nicht zum 16er-Finale des eigenen Kontinental-Bewerbs geschafft hat, was bislang nicht so arrivierten Nationen wie Mozambique oder veritablen Zwergen wie dem kleinen Binnenstaat Malawi sehr wohl gelungen ist.
Der Süden ist die aktuelle Hoffnungs-Zone des Kontinents, nicht nur wegen des heurigen Fußball-Schwerpunkts, sondern auch ökonomisch - eben wegen zum Beispiel der potentiellen neuen Öl-Macht Angola, wegen der Schwellenland-Rolle von Südafrika etc.
Ob man sportlich eine seriöse Rolle spielen wird, ist fraglich. Für die WM ist außer dem Gastgeber niemand qualifiziert (dort schaut es so aus: 1xN, 3xW, 1xZ, also Kamerun, und eben Südafrika) und für den Afrika-Cup traut man am ehesten dem traditionellen Dark Horse Zambia etwas zu.
Die sind, wie im Süden üblich, eine Mischung aus Spielern der südafrikanischen Liga und kleineren Ligen in Europa, aber durchaus eingespielt und ohne die großen Star-Allüren.
Was das Team von Angola kann, ist die große zentrale Frage vor diesem Turnier: man hat von seiten der Regierung enorm in diese Meisterschaft investiert, langes Teambuilding gemacht und erwartet sich wohl mindestens das Halbfinale.
Dabei kann es in der Gruppe mit Mali und Algerien aber auch ein schnelles Aus geben.
Odds
Hier noch eine interessante Preview von laola1.at.
In der Gruppe A sind es die erwähnten Unwegbarkeiten zwischen dem Gastgeber, den ebenso unberechenbaren Algerien und den launsichen Stars aus dem Mali, die ein Team das Weiterkommen kosten werden.
In der Gruppe B fällt mit Togo (hier Ex-Coach Otto Pfister im Interview) der potentielle Überraschungs-Act leider weg, so werden Ghana und die Cote d'Ivoire keine Mühe haben Burkina Faso abzuhängen.
Die Gruppe C kennt zwei klare Favoriten: Nigeria und Ägypten. Letztere zittern, weil sie im ersten Spiel gleich gegen Nigeria antreten müssen und fürchten bei einer Niederlage eine Selbstzerfleischung. Das ist die einzige Chance von Benin oder Mozambique.
Die Gruppe D ist wohl die Härteste. Zwar sind Kamerun und Tunesien nominell zu favorisieren, sowohl mit Zambia als auch mit Gabun ist aber zu rechnen - wenn, dann wohl auf Kosten der wankelmütigen Nordafrikaner.
Titelchancen haben mindestens sechs Teams, die üblichen Verdächtigen des afrikanischen Fußballs.
Davor steht aber noch ein schwieriges Turnier, das - auch aufgrund des verheerenden Anschlags auf das Team von Togo - jederzeit eine Dynamik entwickeln kann, die alles auf den Kopf stellt.