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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 1. 2010 - 19:18

Afrika-Cup-Log, 1. Blutiges Vorwort.

Mit den Morden von Cabinda bekommt die den heurigen Afrika-Cup begleitende (und sonst eh nur ignorierte) lokale Geopolitik ein unfreiwillig grelles Schlaglicht.

Der Mannschaftsbus, der die togolesische Fußball-Nationalmannschaft aus dem Traininsglager im Congo an die Spielstätte in der nahegelegenden angolanischen Exklave Cabinda geführt hat, ist von Separatisten beschossen worden - es gab zumindest drei Tote und etliche Schwerverletzte, Togo wird nicht am Turnier teilnehmen (Details hier, über die Gründe weiter unten mehr).

Dass diese Afrika-Meisterschaft wie jedes große Sportereignis natürlich auch ein Politikum ist (Peking 08 als jüngsten Beispiel sollte noch erinnerlich sein) sollte die Überraschung über die bewusste Störung in Grenzen halten.

Die Probleme zwischen Angola und der erdölreichen Exklave reichen bis weit in die Kolonial-Geschichte zurück, sind letztlich aus dem Verschulden der europäischen Eroberer entstanden (die auch nicht an einer Lösung interessiert sind) und sie sind strukturell mit Konflikten wie in Spanien (Baskenland) oder Ex-Jugoslawien zu vergleichen.

Dass man hierzulande nichts über all das weiß und die meisten Menschen (auch die Mehrheit der Interessierten) jetzt wie der Ochs vorm Tor rumsteht, ist der prinzipiellen Ignoranz des Westens/Nordens dem Süden gegenüber geschuldet. Medial kommt man nur mit wirklichem Wahnsinn vor, die ganz normalen Konflikte, über die jeder Mensch einer zusammenwachsenden Welt einfach Bescheid wissen sollte, kommen nie vor.

Ich hab schon am Donnerstag in der Preview auf die Berichterstattung zum Afrika-Cup darauf hingewiesen: das hängt auch mit der Art und Weise zusammen, wie wir die Welt sehen. Auch über total lächerliche und verzerrte Karten, die wir für reell halten.

Nur: das Gegenteil von dem, was wir für echt halten ist wahr.

Alle anderen Darstellungen sind auf die sogenannte Merkator-Projektion zurückzuführen, die die Relationen idiotisch verzerrt - was für frühe Seekarten womöglich wichtig war, heute aber nur eine weitere politische Bestätigung der Hegemonie der Industrieländer darstellt.

Die Peters-Projektion versuchte eine realistische Einschätzung, scheitert aber an einer Allianz aus politischem Interesse und einer absurd-hysterischen Geographen-Lobby, die ein paar technische Probleme vorschiebt, um sich mit dem (lächerlichen) Status Quo zufriedengeben zu können.
Warum das so ist, lässt sich in diesem Clip aus West Wing in ironischer Form (allerdings unter Verwendung aller relevanter Fakten) nachsehen.

Eine andere Annäherung ist die Robinson-Projektion, die die Rund-Form der Erde miteinbezieht, soweit man das bei der Erstellung einer Karte halt kann.

Afrika ist das Zentrum der Welt,

geografisch, sonstwie nur dann, wenn es ums Ausplündern geht. Im Fall von Angola ist das aktuell das Erdöl, das hauptsächlich in und vor Cabinda zu finden ist. Kolonialmacht ist Portugal (die ebenso wie Großbritannien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, die Niederlande und Spanien die Grundschuld an der Verheerung von Afrika tragen - die USA, die USSR/Russland und China sind erst ein Jahrhundert später dazugekommen), die Unabhängigkeit kam erst spät (Mitte der 70er - auch weil Portugal bis dahin selber eine widerliche rechte Militärdiktatur war, die erst 1974 von der Nelkenrevolution recht unblutig beendet wurde.
Die Unabhängigkeit von Angola (und auch Mozambique) klappte nicht so recht.

Die sich endlich unabhängig wähnende Enklave Cabinda, die sich auch kulturell und ethnisch nicht mit Rest-Angola verbunden sieht, wurde nicht sonderlich unterstützt, was eine militärische Besetzung der neuen Zentralregierung in Luanda zur Folge hatte.
Seither schwelt ein Unabhängigkeits-Kampf, ein politisch ungelöster Konflikt - auch weil's dem Rest der Welt immer unglaublich am Arsch vorbeiging, sich internationale Proteste in ganz engen Grenzen hielten. Die Befreiungsorganisation FLEC ist in der UNPO vertreten, hat also halboffiziellen Status.

Angola und der Afrika-Cup

Nun wurde Cabinda in den letzten Jahren aus ökonomischen Gründen immer wichtiger. Grund: Erdölfunde, die die Enklave zur treibenden Kraft von Angola macht, was sich wirtschaftlich, aber keineswegs politisch (etwa in Form von mehr Autonomie) niederschlägt.
2008 wurden vor Cabinda riesige Off-Shore-Vorkommen entdeckt. Angola ist eine der am zehn schnellsten wachsenden Ökonomien des Planeten, man dealt mit den USA (da es kaum Muslims in Angola gibt, man ist - Portugals Erbe - brav christlich) und China, hat sich schon in der Zukunft eingerichtet.
Politisch hinkt man allerdings schwerstens hinterher - die Zentralregierung unterdrückt die Boom-Region, die Konflikte sind also vorprogrammiert.

Selbstverständlich ist das populärste Sportereignis Afrikas, die alle zwei Jahre stattfindende Kontinental-Meisterschaft der Fußball-Nationalmannschaften, die erstmals in Angola stattfindet, Aufmarschgebiet dieses Konflikts.

Selbstverständlich konnte die Zentralregierung in Luanda der Versuchung beim CAN auch Cabinda vorzuführen, nicht widerstehen. Obwohl Cabinda nur die etwa zehntgrößte Stadt des Landes ist, wurde es als einer der vier Spielorte (die anderen sind Lubangu, Benguela, beide mit über 100.000 Einwohnern und die Hauptstadt Luanda, ein Zweieinhalb-Millionen-Moloch). Eine bewusste Provokation.

Dass die Separatisten so hart und brutal zuschlagen würden, damit war trotzdem nicht zu rechnen.

Der Überfall auf den togolesischen Bus

Sie nützten einen Zufall: Das Nationalteam von Togo hatte sich im benachbarten Congo (das ist die Republik Congo, vormals VR Congo, Congo-Brazzaville, der vormals französische, kleinere Teil des Congo, der mit Meerzugang; im Unterschied zur Demokratischen Republik Congo, vormals Belgisch-Congo, vormals Zaire - beide Congos sind im übrigen nicht für den CAN qualifiziert.) in einem Traininslager vorbereitet und wollte gestern in das südlich gelegene Cabinda, wo alle drei Gruppenspiele von Togo stattfinden sollten, fahren.

Im Nachhinein wissen es einige besser: Man hätte fliegen sollen, weil die Gegend natürlich nicht komplett unter Kontrolle der Regierungskräfte stand. Man habe, behauptet jetzt die angolanische Organisations-Komitee, davor gewarnt. Wer noch die WM 06 und die Verbandsstrukturen von Togo in Erinnerung hat, dem erscheint natürlich auch ein schlimmer Fehler der togolesischen Verantwortlichen möglich.
In jedem Fall hatte der Bus Polizei/Militärschutz - aber das nützte alles nichts.

Als eine Einheit der Separatisten die Chance sah sich weltweit medial in Szene setzen zu können, schlug sie zu - so steht's im Handbuch aller Befreiungsorganisationen der Menschheitsgeschichte, spätestens seit der Boston Tea Party. Und da Geschichte vordringlich von Siegern erzählt wird, ist der Terror der einen die Befreiung der anderen.

Und natürlich ist der FLEC die eigene Sache wichtiger als das Renommier-Projekt der verhassten Zentralregierung, klar liegt ihr mehr an Aufmerksamkeit für ihren Kampf um Autonomie als an der anständigen Behandlung von Gästen, die wegen eines sportlichen Wettkampfs zu Besuch kamen.

... und die dumme Reaktion Europas

Der mediale Schwachsinn, der sich jetzt aus einer Mischung von Nichts-Wissen und Blödheit durch Europa zieht, spiegelt unser Bild über Afrika durchaus wider: Es wird jetzt an der Sicherheit bei der WM in Südafrika gezweifelt. Was das angolanische Problem damit zu tun hat, das fragt in der Nord-Hemisphäre, wo man nicht einmal zwischen einzelnen Regionen, geschweige denn Nationen differenzieren kann, keiner.

Wer nichts weiß, redet Scheiße. Und über Afrika weiß man eben nichts; und ist auch noch stolz drauf. Aber: Wie soll das in Österreich, wo dieser Satz auch mit dem Begriff "EU" statt "Afrika" stimmen würde, auch anders sein?

Die Fragen der Sicherheit in Südafrika sind ganz andere als die, die sich jetzt für den Afrika-Cup in Angola ergeben. Die Gruppe mit Ghana, Burkina Faso und der Cote d'Ivoire (Togo hat sich ja zurückgezogen) soll in Cabinda spielen, auch zwei Viertelfinal-Spiele sollen dort stattfinden - ein hohes Risiko.

Africa Cup Log

Diesen Sonntag wird in Luanda eröffnet. Das Turnier wird stattfinden - das offizielle Angola wird sich nicht die Blöße geben abzusagen, man wird von Terror sprechen, anstatt das eigene Versagen zu thematisieren. Und man wird den ganzen Jänner in ständiger Angst vor einem neuerlichen Attentat leben - im Normalfall kratzt das keine Sau weltweit (wie ja auch niemand ihre Willkür in Cabinda wahrnimmt), aber in diesem Monat steht man in der Auslage.

Dieses Turnier steht unter einem bösen Stern.