Erstellt am: 3. 1. 2010 - 14:05 Uhr
Good morning, teacher!
von Petra Pfann
Teil I
Der Nordosten Thailands hat an klassischen südostasiatischen Touristenattraktionen nichts zu bieten. Am Ufer des Mekong, dem malerischen Grenzfluss zu Laos, reiht sich hier ein Reisfeld an das andere. Dazwischen wohnen jene Bauernfamilien in einfachsten Verhältnissen, die nach wie vor darauf angewiesen sind, sich mit Reisanbau ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
petra pfann
Reis ist nicht nur Hauptnahrungsmittel, sondern auch Haupteinnahmequelle im Isaan, einer der ärmsten Regionen Thailands. Einen Monat lang wird mir das Privileg zuteil, als erste Ausländerin (thai: „Farang“) Teil dieses Landidylls zu sein, um in einer Dorfschule Englisch zu unterrichten. Die Englischlehrerin der Schule, Supapon, tut alles, was in ihrer Macht steht, um das einfache Bauernhaus ihrer Eltern zu meinem neuen Zuhause zu machen. Trotz anfänglichen Unverständnisses ihrerseits („You not afraid of ghosts?“), was den Wunsch nach einem eigenen Schlafbereich anbelangt, richtet sie mir mit tatkräftiger Unterstützung der Nachbarn ein eigenes Zimmer ein.
petra pfann
Die anfangs nur durch liebevoll von ihrer Mutter genähten Vorhänge von den bäuerlichen Arbeitsgeräten getrennten Quadratmeter werden am zweiten Schultag durch überschüssige Holztafeln aus der Schule gestützt. Sogar eine himmelblaue Klassenzimmertür wird ausgebaut, um mein kleines Reich zu einem solchen zu machen. Der Rest der Familie schläft nebeneinander am Fußboden im Dachmansadenraum.
petra pfann
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Frühstück und Abendessen nehme ich im Kreise der dreiköpfigen Familie ein. Am gefliesten Boden der Hauseinfahrt werden die zubereiteten Speisen angerichtet. Meist handelt es sich dabei um Reis, Fleisch oder Fisch und gebratenes Gemüse. Besteck wird lediglich für die Zubereitung der Speisen verwendet. Beim Essen selbst darf nur die rechte Hand zur Hilfe genommen werden. (Die linke Hand gilt quasi als Klopapier-Ersatz.)
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Auch an die sanitären Bedingungen muss ich mich erst gewöhnen: Aus der Tonne wird mit einem Plastikbehälter abgestandenes Regenwasser geschöpft und über den eigenen Körper geschüttet. Das muss ausreichen, um den Körper zwar nicht abzukühlen, aber zumindest zu reinigen. Wer dabei nicht schnell genug ist, läuft Gefahr, von lästigen Mosquitos heimgesucht zu werden, die durch die offenen Schlitze zum Kuhstall in das bescheidene Badezimmer eindringen.
Die Haushaltsführung obliegt bis zu ihrer Hochzeit der ältesten Tochter. Die Eltern sind von der körperlichen Arbeit am Feld stark gezeichnet und für jede Unterstützung dankbar. Die Arbeit ist hart, der Verdienst reicht gerade zum Überleben. LehrerInnen zählen zur oberen Schicht der thailändischen Landbevölkerung. Supapons monatliches Einkommen beträgt umgerechnet 120 Euro, ihr Verdienst kann mit zunehmender Anzahl an Dienstjahren bis auf das Doppelte ansteigen. Zum Vergleich: Reisanbau wirft nur einen Bruchteil davon ab und die jährliche Menge des Ertrags ist darüber hinaus sehr wetterabhängig. In der Regenzeit wird die Region regelmäßig von großen Überschwemmungen heimgesucht, die von einem Tag auf den anderen die gesamte Ernte zerstören können.
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Auch die rund 100 Euro Schulgeld pro Schulkind und Jahr, die jede Familie als Unkostenbeitrag für das tägliche Mittagessen, Uniformen und Unterrichtsmaterialien zu leisten hat, müssen von dem geringen Einkommen der Eltern gedeckt werden. An der Ausbildung ihrer Kinder liegt den Eltern viel - vielleicht schaffen sie ja, was ihnen selbst verwehrt blieb: den Sprung in „die große Stadt“ oder sogar „über den großen Teich“, wenn es ihnen gelingt, ihre Töchter an einen Farang zu verheiraten. Auch wenn die Einheimischen mit ihrem einfachen Leben einen extrem glücklichen Eindruck machen, wird die westliche Welt ganz deutlich idealisiert. Auch in den ärmsten Familien gibt es zumindest ein Fernsehgerät pro Haushalt und das fungiert ganz deutlich als „Fenster zur Welt“. Ich treffe auf keinen Erwachsenen, der nicht bereit wäre, seine gesamte Familie zurück zu lassen, hätte er nur die Möglichkeit, im Ausland zu wohnen und zu arbeiten.
petra pfann
Es dauert nicht lange, bis alle Verwandten und Bekannten des Dorfes zu unserem Haus kommen, um sowohl das neue Zimmer als auch das neue Mitglied in der Dorfgemeinde zu bestaunen. Offizielle Einladungen werden im Bekanntenkreis ohnehin nie ausgesprochen – jeder ist zu jeder Zeit herzlich willkommen. Auf der anderen Seite gilt es als große Unhöflichkeit, eine Einladung (ohne schwerwiegenden gesundheitlichen Grund) nicht anzunehmen. Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft sind elementare Bestandteile der thailändischen Kultur.
Weiterlesen: Teil II des thailändischen Sommermärchens