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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

21. 12. 2009 - 17:32

(Um-)Zugzwang

Wenn es der Unileitung tatsächlich ernst ist mit ihrem Verständnis und ihrer Unterstützung, dann hat sie sich mit der Räumung des Audimax keinen guten Dienst erwiesen.

Uniproteste auf FM4

Ein merkwürdiges Schauspiel bietet sich heute am Wiener Ring. Eine kleine Schlange von Menschen wartet auf der Unirampe, dem Haupteingang der größten Universität des Landes, mit gezücktem Ausweisen auf ihre Kontrolle. Hinein dürfen nur noch MitarbeiterInnen, die ihren Arbeitsplatz im Gebäude haben und das auch nachweisen können. Die für die sie nicht zuletzt dort arbeiten, die Studierenden, müssen draußen bleiben. Und stehen mit ihren ausgeborgten Büchern etwas verloren im grauen Schneematsch. Wie kommt man jetzt zur Bibliothek? Für solche und ähnliche Fragen hat die Universität eine Hotline eingerichtet.

Drei Tage vor Weihnachten ist also erstmal Schluss mit der symbolträchtigen Besetzung des Audimax. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Da wollte man die Ende Dezember normalerweise auf Sparflamme laufende Universität nicht so ohne weiteres denen überlassen, die vor zwei Monaten ihr Brennen konstatierten. Also sperrt man mal für zwei Wochen ganz zu.

Eine Studentin vor verschlossenen Türen

Radio FM4 / Markus Zachbauer

Dass es für Studierende im kommenden Jänner ein Leichtes ist, sich einen Hörsaal zurückzuholen, liegt natürlich in der Natur der Sache. Es ist nicht besonders schwer, einen Raum nach einer Vorlesung einfach nicht mehr zu verlassen. Das ist auch dem Rektor klar. Für die nächsten zwei Wochen ist im Hauptgebäude aber erstmal Ruhe. Keine Party, keine "Fremden" (sprich Unterstandslosen), keine neuen Quengeleien.

Ein bisschen wirkt das ganze, wie wenn die Eltern auf Schiurlaub fahren wollen und den Kindern die Schlüssel zum Partykeller wegnehmen. Und tatsächlich trifft es die Studierenden auch ungefähr so hart: Sie gehen halt woanders hin. Beleidigt sind sie aber trotzdem.

Schlimmer trifft es da schon die Gäste: 80 Unterstandslose wurden heute morgen wieder dorthin geschickt, wo sie herkamen: Auf die Straße. Ausgestattet mit einem Flugblatt, wo sie sich jetzt hinwenden können. Zugegeben, es ist nicht gerade Kernaufgabe einer Universität, denen ein Dach über den Kopf zu bieten. Tatsache ist aber, dass sie kein anderes haben und dass die Caritas gerade dabei ist, eine Notschlafstelle für die Obdachlosen des Audimax einzurichten (nicht der unwesentlichste Erfolg der Studierendenproteste übrigens). Das hätte denen heute Nachmittag eigentlich vor Ort präsentiert werden sollen. Jetzt gilt es, die wieder über die Stadt verstreuten Menschen erstmal wieder einzusammeln. Es war wohl ein Ding der absoluten Unmöglichkeit, die paar Stunden mit der Räumung des Audimax zuzuwarten. Da ging die strategisch günstige Wahl der Stunde wohl vor.

Ein Transparent im Schnee

Radio FM4 / Markus Zachbauer

Und die Studierenden? Wie geht's nun weiter? Sie sind umgezogen und sehen sich ein bisschen unter Zugzwang. Im Hörsaal C1, auch schon ein alter bekannter Schauplatz der Proteste, diskutieren sie darüber, wie sie auf die Räumung reagieren wollen. Und können. Dass sie auf den Sprung in die Weihnachtsferien waren, ist schwer zu übersehen. Ein paar hundert treffen sich heute zum "Krisenplenum". Ein guter Teil der Studierenden aus den anderen Bundesländern hat die Hauptstadt allerdings bereits verlassen.

Man will eine Demo machen, aber man hat Angst, dass zu wenige Leute kommen. Man will ein Plenum im öffentlichen Raum abhalten, aber man hat Angst, dass es dafür zu kalt ist, und das deshalb die PassantInnen sowieso nicht interessiert. Man will sich eine neue Webcam besorgen, aber man hat Angst, dass der Live-Stream von Strategie-Diskussionen der Sache vielleicht nicht gut tut.

Die Universität, bzw. die Universitätsleitung, war vielleicht nicht die wichtigste, aber die geographisch nächste Verbündete der Proteste. Und die wurde die letzten Wochen und Monate über auch nicht müde, ihr Verständnis und ihre Unterstützung zu versichern. Diese Basis scheint mit der Nacht-und-Schneesturmaktion verloren gegangen zu sein. Was bleibt ist weniger ein Raumproblem (besetzte Hörsäle gibt es noch genug), es ist die Verunsicherung der Studierenden.

Wenn es der Unileitung tatsächlich ernst ist mit ihrem Verständnis und ihrer Unterstützung, dann hat sie sich damit keinen guten Dienst erwiesen. Jetzt bleibt den Studierenden nämlich wenig anderes übrig, also sich nicht nur gegen die Politik (die sich immer noch nicht traut, endlich eine neue Wissenschaftsministerin zu ernennen, und die Angelegenheit beharrlich und ohne Ansprechsperson aussitzen will), sondern auch gegen die Universitätsleitung an sich zu wenden. Und so verstreuen sich die mühsam gesammelten Kräfte schön in alle Richtungen.