Erstellt am: 15. 12. 2009 - 12:48 Uhr
So Messed Up, I Want You Here
Ebony Bones! ist die Band und der Künstlername der Londoner Musikerin und Schauspielerin Ebony Thomas.
Manchmal wär ich total gern Chronikreporter eines auf Klickzahlen abzielenden Webportals. Dann würd ich im Untertitel nicht so was Profanes wie hier schreiben, sondern Sachen wie die Kollegen da: Viele Menschen versuchen der Kälte durch Alkohol zu entkommen und erfrieren dann betrunken!
Der Zusammenhang (scheißkaltes Draußen erfordert drastische Maßnahmen, die einem suggerieren, dass eh alles halb so wild ist) ist nicht länger von der Hand zu weisen. Dazu brauchst du gar nicht wissend lächeln und Allgemeinplätze von Russen und Wodka bemühen. Denn: Moskau liegt am Donaukanal.
Auf gut Russisch: Das müssen lange Scheißminuten gewesen sein, gestern abend vor elf, als die Besuchers vorm Flextürl gewartet haben, dass ihnen wer aufsperrt.
Wer zu früh kommt, den bestraft halt das Leben.
Manchmal kommt das strafende Leben auch in Gestalt eines Ebony Bones Konzerts daher. Dann nämlich, wenn du Couchkuschler (Konzert verpasst) oder Vielzufrüh-die-FM4-Exit-Poll-Ausfüller (wie war das mit dem besten Konzert des Jahres noch mal?) bist.
Cornelia Hasil
Cornelia Hasil
So Messed Up
Ebony Bones hat ihr Österreich-Debüt beim Seewiesenfest im Sommer gegeben. An die Stagediver und backstage mit Metronomy kann sie sich noch gut erinnern.
Du kannst es auf den Fotos schon sehen: das war ein farbenfrohes Spektakel gestern.
Einen Konzertnachbericht kannst du auch bereits lesen. Und zwar auf Wikipedia. Wenn du das Klicken in deinem Programmier-Kurs noch nicht gelernt hast, hab ich hier einen Auszug für dich:
Der Weißclown ist mit einem teuren, eleganten und glitzernden Kostüm aus Samt und Seide einschließlich einer Pumphose, die bis zu den Knien reicht, bekleidet. Dazu trägt er weiße Seidenstrümpfe, elegante Schuhe und auf dem Kopf einen einfachen, kegelförmigen Hut.
Seine Partner kommandierend wendet er mit ungewöhnlichen Bewegungen der Arme dem Publikum meist den Rücken zu oder sieht es nur selten an. Der Weißclown wirkt oft so, als wolle er das Publikum auffordern, seine Schönheit zu bewundern.
Weißclowns spielen gewöhnlich virtuos mehrere Musikinstrumente.
Cornelia Hasil
In My Room
Auch vielleicht noch interessant: das Ebony Bones! Porträt, mit dem wir sie vor genau einem Jahr vorgestellt haben.
Der Weißclown ist Ebony Bones. Ihr teures, elegantes Kostüm aus Samt und Seide hat sie selber entworfen. Ihre Pumphose ist ein Pumprock beziehungsweise Pumpreifen, der in Oh!-Was-Hat-Denn-Scarlett-Johanson-bei-der-letzten-Gala-für-ein-Kleid-getragen-Zeitschriften wohl als sehr unvorteilhaft an der Taille bezeichnet wird. Die Seidenstrümpfe sind giftgrün; statt des Huts trägt sie ihre Haarpracht (Siehst du, Amy? So wird es gemacht!) auftoupiert und blond gefärbt. Ihre Musikinstrumente heißen Kuhglocke, Schellenring und Stimme.
Wäh, oberflächlicher Scheißdreck, hör ich dich schon besserwissen. Mir doch wurscht, wie die Alte aussieht. Kann sie überhaupt den X-Molldur-Akkord?
Aber die Live-Performance von Ebony Bones ist eben kein Runternudeln von Musik, sondern eine echte Performance. Wie ein Weißclown konterkariert sie ihren absurd schrillen, und von manchen gar als lächerlich bezeichneten optischen Auftritt. Die manchmal psycheldelisch funk-elnden und immer im Pop strahlenden Punksongs bekommen durch den Galopp des Apokalyptischen Reiters von einem Schlagzeuger und das fesselnd-düstere Keyboard den Charakter eines Endzeit-Schwadrons: ein Clown-Auftritt, bei dem dir das Lachen im Hals steckenbleibt wie der Frosch in Krustys Hals.
Cornelia Hasil
Now We're Gonna Be Face To Face
Bekannt wurde Ebony Bones als Darstellerin der Jasmin in der Soap Opera Family Affairs.
Wie zum Beispiel beim ersten Song. We Know All About You. Eine paranoid dem eigenen Rumpelbeat hinterherhechelnde Fortführung der 1984-Dystopie mit allzu realen Anzeichen. Überwachung, Repression, totalitäre Milizen. Dargeboten mit lustigen Pfeiferln, exaltiertem Tanz und quietschvergnügtem Gesicht. Ebony Bones stürmt zum Intro auf die Bühne, wirbelt herum, stolpert, landet am Hintern, springt wieder auf. Der Begrüßungschor der wie besessen zuckenden Vokalsektion: ein La-La-Lllllaaa wie aus dem Keller einer psychiatrischen Abteilung voller Joker-hafter Superkrimineller.
Oder bei Pink Floyds Another Brick In The Wall.
Manisch auch der ausufernde Jam zur Mitte des Sets. Da zeigt sich Weißclown Bones von der diktatorischen Seite und gibt dem Publikum Zuckerbrot und Peitsche. Was dann folgt, gehört zu den bizarrsten Erlebnissen meines Konzertbesucherdaseins. Ebony Bones ergeht sich in einer Spoken-Word-Performance mit Griff in die Schatztruhe ihrer Schauspielvergangenheit. Einmal motiviert sie das Publikum manisch, ihren Anweisungen zu folgen. Dann wieder schimpft und deklamiert sie. Das alles, zusammen mit den gespensterhaften Keyboardsounds, die der Mann im babyblauen Wolkenkostüm und der Mann mit den Rastalocken bis zum Boden auf uns loslassen, es lässt keinen Zweifel daran: So muss ein Parteitag einer totalitären extraterrestrischen Supermacht aussehen. And Now To The Left!! To The Right!! - das hallt immer noch in meinem Hirn nach, während vor meinem geistigen Auge das Publikum im Flex von rechts nach links und von links nach rechts wandert wie schlecht verzurrtes Ladegut auf einem Frachtschiff in Seenot.
Cornelia Hasil
Now I'm Ready To Close My Eyes
Ebony Bones beschreibt ihre Musik als Jungle Punk. Als Einflüsse gibts sie Grace Jones oder The Slits an.
Nein - ich hab nicht mitgestoppt, wie lang die Band gespielt hat.
Aber ich habs bestimmt schon oft erwähnt: Ich bin kein großer Freund von Marathonkonzerten. Meine Aufmerksamkeitsspanne spielt nach vierzig Minuten ohnehin nicht mehr mit. Und wenn mir jemand selbst nach einem 90-Minuten-Konzert erklärt, das wäre zu kurz gewesen, steh ich immer nur wie ein Volldepp mit offenem Mund daneben.
Insofern wirds wieder einige geben, denen The Muzik zu früh im Set war, die Let It Rain vermisst haben. Oder die unbedingt noch eine zweite Zugabe hätten haben wollen. Aber ganz im Ernst: Nach der Ebony Bones Version der inoffiziellen Clubhymne von Edgar Retros So Messed Up Montagspartys im Flex kann einfach nichts mehr kommen. Außer vielleicht die Stooges-Version von I Wanna Be Your Dog vom DJ-Pult. Und nachher halt Minimal.
Cornelia Hasil